sichtung

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Niko

Beitragvon Niko » 28.06.2012, 09:24



sichtung


zeigen kann ich nur
die ruinen der heimat
fragmente aus einer kindheit

an irgendeiner dieser stellen
hat mich jemand erkannt
diesen ort werde ich meiden
in zukunft
zeige ich nur noch
sehenswürdiges gut
erhaltenes



.

Gerda

Beitragvon Gerda » 01.07.2012, 12:45

Lieber Niko,

nachvollziehbar, was dich zu diesem Text vernanlasst haben mag.
Schmerzende Erinnerungen, Orte möchte Lyrich gern meiden.
Allerdings empfinde ich den Einstieg vom Tempus her nicht passend, weil er, wie die Schlussfolgerung am Ende im Präsenz steht.
Ich würde vorschlagen in Z 1:
gezeigt habe ich (Denn das liegt ja hinter dem Lyrich)
die ruinen ... usw...

Liebe Grüße
Gerda

ecb

Beitragvon ecb » 01.07.2012, 16:02

Ich teile Gerdas Eindruck, empfinde aber das angesprochene Paradox der zeitlichen Behandlung als beabsichtigt - könnte das sein, Niko? - Für mich wäre diese scheinbare Widersprüchlichkeit Ausdruck dafür, wie es eigentlich unmöglich ist, solche Erinnerungen zu meiden, da sie im Grunde der einzige Antrieb sind, etwas "zur Sprache zu bringen", nämlich als erhofftes Mittel, den Leidensdruck durch jene Erinnerungen zu mindern. So daß sie also in Wahrheit vielleicht sogar das einzige Thema schreibenden Bemühens sind und dies gar nicht anders sein kann; wenn auch auf Umwegen, für die die Ausdrucksweise des Gedichts ein Zeugnis wäre. So würde ich das Gedicht gern verstehen, dann fände ich es ganz ausgezeichnet und könnte es gut nachempfinden.

Lieben Gruß von
Eva

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birke
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Beitragvon birke » 01.07.2012, 16:39

Hallo, ich sehe hier keinen zeitlichen Widerspruch, heißt es doch zum Schluss "in zukunft ..."

Ein Text mit Tiefgang ... den Titel finde ich gut, assoziiere sofort "lichtung" - und so lese ich auch den Text, dass das LI sich einmal ans Licht gewagt, zu viel preisgegeben hat, aus seiner Vergangenheit (und das ihm nicht gut getan hat), und deshalb zukünftig lieber wieder seine Fassade (die es in den Ruinen wohl noch findet) aufrecht erhalten möchte.
Eigentlich traurig ...

Eine Kleinigkeit, lieber Niko, in der ersten Strophe könnte ich mir vorstellen, das "aus" wegzulassen:

zeigen kann ich nur
die ruinen der heimat
fragmente einer kindheit


Liebe Grüße
Diana
tu etwas mond an das, was du schreibst. (jules renard)

https://versspruenge.wordpress.com/

Niko

Beitragvon Niko » 01.07.2012, 19:04

das "aus" wegzulassen, ist eine möglichkeit, die ich wahrscheinlich umsetzen werde, diana. danke für den hinweis!

und euch allen dank für euren kommentar. eva, du hast den kern genau getroffen, wie ich finde. und davon ab kommt es nicht darauf an, was ich sagen wollte, sondern was du beim lesen empfinden möchtest. das mit der zukunft und der zeit hat sich jetzt ganz gut erklärt, gerda, oder?

liebe grüße: niko


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