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Damenwahl

Verfasst: 10.05.2006, 22:08
von Paul Ost
Großstadtstudenten, die sich
Profilierungssüchtig ums
Büfett scharen.
Und du sitzt schweigend
Im Raum, fängst die
Blicke ein und lachst.

Ich stehe abseits
Und betrachte dich
Als wärst du eine
Fremde und nicht
Meine Frau.

Sagt einer der Studenten
Und meint wohl mich dabei:
„Wo hast du denn den
Fummel her. Das trägt doch
Heute keiner mehr.“

Dann schaut er Hilfe
Suchend zu dir hin.

Sagst du:
„Ich hab’ ihn
Ausgesucht.“

Verfasst: 11.05.2006, 10:52
von Gast
Klasse, aber wieder einmal lyrische Prosa, kein Gedicht, aber das hat nichts mit einer (Ab)Wertung zu tun, es ist ein schönes Stück Poesie, danke, und außerdem hat es so herrlich kritsiche Untertöne Richtung "Markengesllschaft" und "Modediktat", sehr gut, gern gelesen, lieber Paul

Gruß Gerda

Verfasst: 11.05.2006, 16:03
von leonie
Lieber Paul Ost,

die Titel Deiner Gedichte finde ich – wie heißt das Wort zwischen gelungen und umwerfend – also das meine ich.
Zur Formfrage äußere ich mich nicht mehr. Ich finde Dein Gedicht sehr gelungen, ich hatte die Szene sofort vor Augen. Eine Liebeserklärung an eine Frau die alten Fummel wählt, den andere mittlerweile ja oft genug samt Inhalt einmotten oder gar wegschmeißen. Dabei erweist sich beides später oft als wahrer Schatz. Ist mir sympathisch, die Frau. Und Dein Gedicht mit allen weiteren kritischen Anspielungen auch.

Viele Grüße
Leonie

Kleiner Wink von Euterpes Schwester: Das ein oder andere „und“ könnte vielleicht noch entfallen.

Verfasst: 11.05.2006, 17:12
von Paul Ost
Liebe Gerda Jäger und liebe leonie,

danke für die freundlichen Worte. Interessant: Beim Schreiben habe ich versucht, einen idealen Moment in einer Beziehung darzustellen. Das Wort, das mir dabei durch den Kopf ging war: Loyalität. Ob davon etwas in meiner "Poesie" gelandet sein mag?

Und was die zahlreichen "unds" betrifft, ich bekämpfe sie in meiner Arbeitszeit so unnachgiebig, dass mich in meine Freizeit verfolgen, meine Sprache heimsuchen und ich ihnen Tribut zollen muss.

Grüße

Paul Ost

P.S.: Euterpe hat sieben Schwestern. Weißt du, leonie, welche zweite Schwester sich kompetent zum Thema Poesie äußern kann?

Verfasst: 11.05.2006, 19:11
von Louisa
Hallo Paul,
Ich finde das auch eine schöne, kleine Geschichte, aber sind Fummel nicht eigentlich eher abgetragene Kleider von Frauen?

-Naja, jeder hat seinen Geschmack. Sind die Studenten heutzutage wirklich so markenbewusst?

Ich kenne nur arme Studenten, die fast alle alte Fummel und Lumpen tragen (hoffentlich liest das keiner).

Sehr schön.

LG, louisa

Verfasst: 11.05.2006, 20:10
von leonie
Ach, Paul Ost, das fragst Du ausgerechnet mich.. Kann die erste sich kompetent äußern? Dann frag doch sie...

Übrigens fiel mir zu Deinem Gedicht der Begriff „Treue“ ein. Ist aus der Mode gekommen (Worte werden ja gelegentlich auch für alten Fummel gehalten), geht aber in eine ähnliche Richtung wie Loyalität, denke ich.

Liebe Grüße

leonie

Verfasst: 11.05.2006, 20:43
von Paul Ost
Da wollte ich besonders klug erscheinen und habe mich verzählt. Es gibt ja schließlich nur sieben Musen. Sieben minus eins ist gleich sechs. Da komme ich wohl als echter Oberlehrer rüber. Und das unter so viel echten Lehrern. Nun gut.

Musen hin oder her, Leonie, du scheinst viele Dinge, die ich schreibe so zu verstehen, wie ich sie gemeint habe. Was nicht heißt, dass ich mich nicht darüber freuen würde, wenn andere Leser/innen meine Texte wieder anders verstehen.

Die großartige Frau in dem Gedicht, ist ja deshalb so toll, weil sie sich zu beidem bekennt, zum Fummel und zu dem Träger der Klamotten. Sie hätte ja ihren Freund auch in die Pfanne hauen können.

Was die Studenten von heute betrifft, kann ich das nicht so genau sagen. In Großstädten gibt es sicher so einen gewissen abgerissen Chick. Aber die Slacker, Freaks und Gothics und wie sie alle heißen sind meist ebenso modebewusst wie alle anderen.

Arme Studenten trifft man heutzutage in Deutschland angeblich immer seltener. Die Zahl der Studierenden aus einkommensschwachen Schichten ist im letzten Jahrzehnt um über zehn Prozent zurückgegangen. Aber ich glaube, ich komme ein wenig vom Thema ab...

Verfasst: 11.05.2006, 23:17
von leonie
Lieber Paul Ost,

das ist ja süß, dass Dir das passiert! Aber die Grundrechenarten scheinst Du zu beherrschen, immerhin. Ich kann einigermaßen gut lesen, auch zwischen den Zeilen. So hat es sich für uns beide offensichtlich gelohnt, die Grundschule zu besuchen...

Ja, sie hätte ihn in die Pfanne hauen können, vor allem, weil er ja auch noch am Rande stand und sie betrachtete als wäre sie eine Fremde und nicht seine Frau. War sie sich sicherer als er? Wie wäre es wohl mit umgekehrten Rollen gewesen, frage ich mich.
Vielleicht schreibst Du ja darüber auch mal ein Gedicht. Oder ich, mal sehn....Es bleibt spannend!


Jetzt aber flugs ins Bett und golden geträumt...
leonie

Verfasst: 13.05.2006, 07:15
von leonie
Lieber Paul Ost,

dazu wollte ich Dich noch was fragen. Mir gefällt im letzten Satz die Doppeldeutigkeit. Sie meint scheinbar den Fummel. Aber sie könnte auch den Mann meinen, der darin steckt... Habe ich das richtig verstanden?

leonie

Verfasst: 13.05.2006, 09:13
von Paul Ost
Hallo Leonie,

das hast Du völlig richtig verstanden. Der letzte Satz bezieht sich auf das Kleidungsstück und auf den Mann.

Es grüßt

Paul Ost

Verfasst: 13.05.2006, 09:17
von Louisa
Also können Männer auch Fummel tragen?

Verfasst: 13.05.2006, 09:23
von Paul Ost
Liebe Louisa,

das können sie. Natürlich können sie das.

Grüße

Paul Ost