Freiheitsbedenken

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Kamelot

Beitragvon Kamelot » 12.05.2006, 20:39

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Freiheitsbedenken

Begleiche deine ersten auferlegten Schritte,
verhauche, was im Wachen seine Blende bildet,
entfliehe allen strengen frommen Augenpaaren
und plane deine Rückkehr rücksichtslos im Blauen.

Verplane zielnah alles in den Ruhmeshallen,
vergolde deine Streiche, minder Hoffnungsschimmer
und kämpfe, morde deine eig’nen Ideale,
um Freiheit dort zu fühlen, wo die Stachel sitzen.

Verzichte niemals auf den aufgesetzten Frieden
-so ruhig, bis die Bomben innerlich zerplatzen-
und warte bis das Nebelhorn die Schleier öffnet
um letztlich jenen Aufruhr endlich durchzubringen.

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Dita

Beitragvon Dita » 13.05.2006, 11:57

Einen schönen Tag,

allgemein gesprochen: Ich mag Deine Wortaneinanderreihungen. Allerdings finde ich es schwer ihnen zu folgen. Sicherlich mag jeder Satz seine Berechtigung haben und ich mag auch einen versteckten Gedanken in ihnen finden, doch fehlt die Verknüpfung der Sätze zu einem Ganzen, so dass es in sich rund ist.
In diesem Fall habe ich Probleme mit dem Satz

Verzichte niemals auf den aufgesetzten Frieden

welcher sich gegen alle zuvor getätigten Aussagen richtet. Gerda Jäger hat mir mal angeraten auf Verallgemeinerungen zu verzichten und nun ist es mir gänzlich klar, was sie damit meint. Das niemals in dem Fall negiert alle Sätze zuvor. Aber du weißt ja, alles subjektiv gesehen.
Was Deine Wortwahl angeht, so bin ich sichtlich angetan.

Ein schönes Wochenende,
Dita

Last

Beitragvon Last » 14.05.2006, 10:53

Hallo Kamelot,

auch hier sind sie wieder, die gedoppelten Adjektive. Ich habe bei vielen davon das Gefühl, dass sie allen voran um der Metrik Willen eingeschoben wurden. Sie machen aber das Gedicht träge. Gerade wenn man so stark verkryptet, wie du, muss man ja das Interesse des Lesers wecken, weniger ist da meistens mehr.
Ein Beispiel:
"um letztlich jenen Aufruhr endlich durchzubringen."
Letztlich und endlich ist eine unnötige Verdopplung der Aussage, endlich sagt nichts aus, was letztlich nicht schon gesagt hätte. Das Wort jenen scheint mir auch eingeschoben, aber ich mag es trotzdem gerne :smile:

"entfliehe allen strengen frommen Augenpaaren"
hier sind es sogar drei Adjektive hintereinander...

Iris

Beitragvon Iris » 16.05.2006, 10:23

Hallo Kamelot,

Ich dachte immer Frieden käme aus der inneren Stille, is mir auch merkwürdig, warum die Freiheit rücksichtslos im Blauen planen?

Ich dachte immer "Freie Radikale" sind krebserregend?

Ob nun im körperlchen Organismus oder im sozialen? Ich hab da auch so meine Bedenken.

Ruhmeshallen ist ein abstoßendes Wort.
Kann man Ideale morden? Verraten ja. Wer weiß, was es für Ideale waren, vielleicht fehleitende?

Umkehr tut not.

fragende Grüße

Iris
Zuletzt geändert von Iris am 16.05.2006, 18:01, insgesamt 1-mal geändert.

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 16.05.2006, 17:27

Hallo Kamelot.

Ein subjektiver Eindruck: Ich habe das Ding jetzt dreimal gelesen. Zuerst waren die Bilder nahe dran, etwas zu öffnen, aber wenn ich es wirklich in Bezug bringe, bleiben da für mich einige leere Worthülsen, die nahezu jegliche Interpretation zulassen, und somit irgendwie gar nichts aussagen.

Was es nicht einfacher macht, ist, dass das flüssige Lesen durch fehlende Kommas bei aufeinanderfolgenden Adjektiven (...strengen, frommen...) ein bisschen gehemmt wird und das Metrum da irgendwie nicht stimmt.
Einige Bezüge werden mir auch nicht klar (Verzichte....so ruhig...), und bei minder fehlt wohl das Imperativ-'e'.

Da stecken mit Sicherheit tolle Räume drin, gleichwohl, sie erschließen sich mir nicht.

Gruß, Tom.

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 16.05.2006, 17:52

Hallo Kamelot,

irgendein martialisch-radikales Antigefühl steckt in Deinem Gedicht. So viel steht fest. Ich hoffe es ärgert Dich nicht, wenn ich sage, dass es mich irgendwie an ein frühes Lied von Herbert Grönemeyer erinnert. In diesem Stück singt er immer so Sachen wie: "Jetzt oder nie. Baut Ihr nur Eure Autos."

Bei der Gestaltung Deiner Verse würde ich gerne einmal wissen, ob Du Dich nach einer bestimmten (archaischen) Form richtest?

Was die fehlenden Kommata angeht, wäre ich nicht ganz so pingelig. Verschiedene Rechtschreibreformen haben ziemlich erfolgreich dafür gesorgt, dass wir heute etwas individueller und freier Schreiben.

Es grüßt

Paul Ost

Jürgen

Beitragvon Jürgen » 16.05.2006, 19:47

Ich lese in den Zeilen eher den Wunsch nach Veränderung einer(gesellschaftlichen?) Situation "und warte bis das Nebelhorn die Schleier öffnet um letztlich jenen Aufruhr endlich durchzubringen". Vorher wird dazu aufgerufen sich zu verstellen, sich anzupassen, sich einzuordnen "minder Hoffnungsschimmer und kämpfe, morde deine eig’nen Ideale, ". Wahrscheinlich weil es aus nachvollziehbaren Gründen so ein einfacheres und angenehmeres Leben führen lässt. Auch das Vermeiden von Konflikten "Verzichte niemals auf den aufgesetzten Frieden " bis zur Unerträglichkeit´" so ruhig, bis die Bomben innerlich zerplatzen- " wird dem Leser empfohlen (Diese Stelle finde ich übrigens verdammt stark). Natürlich gibt es noch einen Tipp für den Gewissenskonflikt, das Revoluzzerspielen und -träumen in der Freizeit "und plane deine Rückkehr rücksichtslos im Blauen.". Bis das Nebelhorn bläst...ob es blasen wird.

So habe ich den Text verstanden. Last stimme ich bezüglich "letztlich" und "endlich" zu. Iris Kommentar verstehe ich nicht. Ich lese nix von freien Radikalen und den Einwand zum Frieden stimme ich auch nicht zu, da der erwähnte Frieden im Text als aufgesetzt beschrieben wird, also kein wirklicher ist.

MfG

Jürgen

Iris

Beitragvon Iris » 17.05.2006, 09:47

Hallo Jürgen,

ich aus meiner Sicht muß sagen, daß ich den Text, so wie Du ihn hier verstehst, ähnlich interpretiert habe.


Wer möchte schon rücksichtslos ins Blaue hineinleben, von "friedlicher" Revolution ist ja nicht die Rede, so wie oft die Wende in Deutschland bezeichnet wurde,
sondern von rücksichtslos.

Und sind rücksichtslose Revolutionäre etwa nicht so frei, radikal zu sein?

radikal kommt sicher ursprünglich von radix lat. Wurzel, doch die wächst ja nicht rücksichtslos ins Blaue, wohl eher abwärts und fühlsam aufsteigend der Keim.

Liebe Grüße Iris


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