Paris

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Klimperer

Beitragvon Klimperer » 29.05.2013, 01:18

Eine Familie
in der Telefonzelle:
Das Kind,
die Mutter,
der Vater
zur Hälfte drin.


Neue Version, auf Anregung von Gerda:


Familie
in einer Telefonzelle:
ein schlafendes, in Lumpen gehülltes Baby,
daneben die Mutter,
der Platz reicht nicht ganz
für den Vater,
der nur zur Hälfte darin sitzt ...

Die drei Könige
warten auf den Einbruch der Nacht.


Dritte Version, angeregt von Gerda, Eve, Gabriella, Pjesma...

Paris, Boulevard St. Michell

es regnet
eine familie hat zuflucht
in einer telefonzelle gefunden
das kleine
in lumpen gehüllte kind
schläft
unter den augen der mutter
der vater
sitzt zur hälfte drin

unter meinem schirm
taste ich nach meinem handy
in meiner wasserdichten jacke
Zuletzt geändert von Klimperer am 30.05.2013, 18:38, insgesamt 2-mal geändert.

Gerda

Beitragvon Gerda » 29.05.2013, 08:29

Guten Morgen Klimperer,

wenn ich deine Zeilen lese, frage ich mich umgehend, was ist daran "Paristypisch"?
Wann mag das gewesen sein?
Sind es arme Leute, die keine mobilen Telefone haben ...

Grundsätzlich ist es ja interessant, wenn Texte Fragen aufwerfen, aber in diesem Text suche ich vergeblich nach einer Essenz oder Wendung. Vielleicht verstehe ich ihn ja auch nicht.

Liebe Grüße
Gerda

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 30.05.2013, 11:03

Hallo Gerda,

danke für deine Rückmeldung.

Das Beschriebene habe ich genau so gesehen, extrem arme Leute. Nur, wenn man das näher erläutert, ist entweder etwas panfletarisches oder rührseliges. Es muss offen und ohne jede Wertung bleiben.

Auch die Armut ist etwas "typisches" von dieser Stadt.
Liebe Grüße,

Carlos

Gerda

Beitragvon Gerda » 30.05.2013, 11:49

Hallo Carlos,

ja, ich verstehe dich schon. Nur in dieser Form wird bei mir nicht wirklich etwas ausgelöst. In deinem Text wird mein Augenmerk eher auf das "Gedrängtsein" der Familie gelenkt ... die reine Beoachtung ergibt m. E. kein Gedicht. Warum ist es wesentlich, dass der Vater zur Hälfte in der Telefonzelle ist? Was hat es mit dem, was du aussagen möchtest zu tun?

Ich las mal in einem Buch, "Das Amerikanische Hospital" von Michael Kleeberg, dass man die alten Frauen, die auf Pierre Lachaise die Katzen füttern, an den fehleden Zähnen als "arm" erkennt ...
Ich finde die Verbindung Kleebergs, zwischen dem fehlenden Zahnersatz und Altersarmut sehr fein beobachtet.
Armut gibt es überall ... sie äußert sich unterschiedlich ...

Deinem Vers fehlt eine Wendung ... ein kleiner Hinweis darauf, dass sie gezwungen sind in einer Telefonzelle zu telefonieren (letzten cents zusammengekratzt, Telefon zu Hause gesperrt o. ä.).

Liebe Grüße
Gerda

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 30.05.2013, 11:57

Liebe Gerda,

du wirst lachen: eben wollte ich dir nochmal schreiben, das sah ich, du hast nochmal geschrieben ...

Ich dachte nämlich, ich muss doch einen Hinweis auf die Situation geben, denn der Leser hat ja sie nicht selber erlebt, und jeder sieht sowieso anders.

Gleich werde ich etwas ändern, sag mir bitte Bescheid, ob du es so besser findest.

LG

Carlos

Gerda

Beitragvon Gerda » 30.05.2013, 12:27

Lieber Carlos,

der Vergleich mit der Hl. Familie, der sich mir nun in den Vordergrund schiebt, ist mir etwas dicke ... ;-) lenkt ja irgendwie auch wieder von der Gegenwartsarmut ab ...
Dein Gedicht erhält nun eine völlig andere Wendung ... so in etwa: Auch Maria und Josef zogen umher.

(Im nahen Hochtaunus hat ein Paar, sie "schwanger", im Auftrag für eine Zeitung, um Weihnachten 2011 herum in verschieden Orten getestet, ob ihm eine Unterkunft gewährt wird, auch bei einem Pfarrer. Sie wurden mit Geld und Nahrungsmitteln abgespeist ...)

Ich würde überlegen: Gibt es eine andere Möglichkeit auszudrücken, dass, das Baby (Kleinkind oder Säugling) in Lumpen gehüllt ist ... (fadenscheiniges, abgetragenes, Jäckchen, Strampler etc.)

Die Familie könnte zum Beispiel auf den ärztlichen Sozialdienst warten, das ist dann realistisch und nicht romantisch.
In deiner Überlegung, sie als die drei Könige erscheinen zu lassen, spielt der Erlösergedanke hinein. Aber für die meisten Menschen, die auf der Straße leben gibt es daraus keine Erlösung oder Befreiung ...

Vielleicht kannst du damit etwas anfangen

Liebe Grüße
Gerda

eve
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Beitragvon eve » 30.05.2013, 13:19

die zweite version gefällt mir schlechter als die erste - zu deutlich ausgemalt. die erste hingegen ist zu knapp als dass sich viel kopfkino und assoziationen einstellen könnte.
es geht darum, wenn ich es richtig verstehe, dass die familie sich diese enge zelle als bleibe für die nacht ausgesucht hat, oder? also nicht ums telefonieren nehme ich einmal an. vielleicht solltest du das irgendwie andeuten. z.b. durch den titel. denn dass das paris ist, ist eigentlich völlig egal, finde ich .

lg
eve

Mucki
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Beitragvon Mucki » 30.05.2013, 13:42

Hola Carlos,

eine Anregung meinerseits, vielleicht kannst du damit etwas anfangen:

Titel: eine Bleibe in Paris (oder so ähnlich halt)

Eine Familie
in der Telefonzelle
die Mutter mit ihrem Kind
auf dem Bauch
der Vater zur Hälfte drin
sie warten auf den Einbruch
der Nacht


Auf Interpunktion würde ich ganz verzichten.


Saludos
Gabriella

pjesma

Beitragvon pjesma » 30.05.2013, 17:34

ich könnte mit der erste version schon was anfangen...ich möchte jetzt echt nicht in trommel des ausländersein trommeln, aber mir fiel sofort ein bild einer familie, frischgezogen, noch unbeheimatet, außenseiter und leicht verloren...in schwieriger situation dass der ersehnte paradies sich nicht als solches erweißt und eine telefonzelle wie ein ankereißen vorkommt die einem mit vertrautem, verlassenem heimat verbindet (weil wer geht schon in die telefonzelle heutzutage)...außerdem, der man nur zu hälfte drinne: der hat wohl etwas leichter fuß zu fassen in "paris"...der ist "halb angekommen", er ist mit arbeit, bewegungsfreiheit- da nicht durch kind gehindert- auf dem weg den weg zurück möglichst nicht anschlagen zu wollen. aber,sie, die frau,ganz drinne mit dem kind, die ginge am liebsten durch den hörer mit dem kind sofort zurück....(nur kleine impro, mein erleben dieser zeilen erhebt kein anspruch auf allgemeingültigkeit...)...ihr, der frau, kann der hochgelobter paris auch vergoldet sein, ist ihr wurscht, glück ist on the line ;-)...
lg

Gerda

Beitragvon Gerda » 30.05.2013, 17:39

Hm ... Pjesma, sie haben doch gar nicht telefoniert ... ;-)

pjesma

Beitragvon pjesma » 30.05.2013, 17:42

naja,ich sagte ja auch das ist der bild der MIR sofort kommt ;-) (wohl in erinnerung an manche trännenbegossenen telefonzellen in ffm seinerzeit)

Gerda

Beitragvon Gerda » 30.05.2013, 22:34

Ja, verstehe ich doch ... nur, es hilft Carlos nicht, wenn wir etwas in seinen Text hineingeben wollen, was er nicht beobachtet hat. ;-)

Gerda

Beitragvon Gerda » 30.05.2013, 22:38

Guten Abend Carlos ...

neue Ideen hast du verarbeitet.
Vielleicht erst einmal sacken lassen? .. in ein zwei Tagen noch mal schauen und überlegen ...
Ich mir ein Lesezeichen.

Einen guten Start in die neue Woche,
herzlich Gerda

Gerda

Beitragvon Gerda » 02.06.2013, 08:54

Ich denke, mit den Rückmeldungen von eve, Gaby und Pjesma kannst du etwas anfangen und sie in deine Intention einfließen lassen.

Einen schönen Sonntag
Gerda


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