Die Munro
Verfasst: 24.10.2013, 02:06
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Vor Jahren saß ich in einem Auto, war in ihm unterwegs durch die Stadt, die Musik, die im Autoradio lief, nervte, also gab ich ihr den Laufpass und zappte durch die Sender. Ein paar Touchscreens später landete ich mitten in einem Hörbuch, hörte der Geschichte einen Satz lang zu, und noch einem, und schon klebte ich meine Aufmerksamkeit am Text, wie ne Fliege an der Fliegenrolle, eingefangen vom Klang seiner Worte, tiefenpsychologisch, wer weiss, vielleicht von den Membrams der Stimmen, die ihn vortrugen, ich staunte über seine Sprache, die mich die Geschichte geradezu plastisch, wie in 3-D, vor meinem inneren Auge auferstehen lies,
deren Worte hielten sich sich nicht immer kongruent beim Thema auf, sondern variierten mitten im Satz, so heftig, dass mein Bewusst- sein für die Fahrbahn vor mir versank wie die Sonne abends am Äquator und mein Unterbewusstsein auf Autopilot umschaltete, meine Fantasie folgte ihrem Schwung und stob mit ihr zusammen um die Ecken ihrer Geschichte, um ständig neue Bilder zu entdecken,
deren Sprache trug nicht Barock, sondern ein einfaches T-Shirt, war gekleidet in einfache Worte, hinter denen reiche Fantasie und viel Lebenskenntnis verborgen war.
Unvermittelt war die Sendung aus, das Ende der Geschichte blieb völlig offen, der Moderatoren-Kermit aus dem Off faselte etwas von bloßem Ausschnitt, und der Spuk war vorbei. "Wer hat die geschrieben?", fragte ich mich hinterher.
Ich fand später heraus, dass es sich um eine vertonte Kurzgeschichte einer kanadischen Alice im Wunderland, verehelichte Munro handelte. Zu meiner Überraschung war sie von ihrem Alter her bereits eine Oma.
Vor kurzem wurde ihr Name gezogen. Aus der nordischen Lostrommel. Sie hat ihn erhalten.
Die Munro. Man sieht. Altwerden lohnt sich. Zumindest für SchriftstellerInnen.
Das Kochrezept für den Preis zum Selberbacken:
Schreib 5 kg facettenreiche Kurzgeschichten, in denen viele Gewürze stecken,
schütte sie in eine Schüssel, auf der ein guter Verlag draufsteht, er holt dir nen Mixer,
rührt fest die Werbetrommel, und lass vierzig Jahre ins Land ziehen...
Alice Munro
edit: Ich bin davon überzeugt, Kurzgeschichten wie diese könnten auch einige von uns schreiben.
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Vor Jahren saß ich in einem Auto, war in ihm unterwegs durch die Stadt, die Musik, die im Autoradio lief, nervte, also gab ich ihr den Laufpass und zappte durch die Sender. Ein paar Touchscreens später landete ich mitten in einem Hörbuch, hörte der Geschichte einen Satz lang zu, und noch einem, und schon klebte ich meine Aufmerksamkeit am Text, wie ne Fliege an der Fliegenrolle, eingefangen vom Klang seiner Worte, tiefenpsychologisch, wer weiss, vielleicht von den Membrams der Stimmen, die ihn vortrugen, ich staunte über seine Sprache, die mich die Geschichte geradezu plastisch, wie in 3-D, vor meinem inneren Auge auferstehen lies,
deren Worte hielten sich sich nicht immer kongruent beim Thema auf, sondern variierten mitten im Satz, so heftig, dass mein Bewusst- sein für die Fahrbahn vor mir versank wie die Sonne abends am Äquator und mein Unterbewusstsein auf Autopilot umschaltete, meine Fantasie folgte ihrem Schwung und stob mit ihr zusammen um die Ecken ihrer Geschichte, um ständig neue Bilder zu entdecken,
deren Sprache trug nicht Barock, sondern ein einfaches T-Shirt, war gekleidet in einfache Worte, hinter denen reiche Fantasie und viel Lebenskenntnis verborgen war.
Unvermittelt war die Sendung aus, das Ende der Geschichte blieb völlig offen, der Moderatoren-Kermit aus dem Off faselte etwas von bloßem Ausschnitt, und der Spuk war vorbei. "Wer hat die geschrieben?", fragte ich mich hinterher.
Ich fand später heraus, dass es sich um eine vertonte Kurzgeschichte einer kanadischen Alice im Wunderland, verehelichte Munro handelte. Zu meiner Überraschung war sie von ihrem Alter her bereits eine Oma.
Vor kurzem wurde ihr Name gezogen. Aus der nordischen Lostrommel. Sie hat ihn erhalten.
Die Munro. Man sieht. Altwerden lohnt sich. Zumindest für SchriftstellerInnen.
Das Kochrezept für den Preis zum Selberbacken:
Schreib 5 kg facettenreiche Kurzgeschichten, in denen viele Gewürze stecken,
schütte sie in eine Schüssel, auf der ein guter Verlag draufsteht, er holt dir nen Mixer,
rührt fest die Werbetrommel, und lass vierzig Jahre ins Land ziehen...
Alice Munro
edit: Ich bin davon überzeugt, Kurzgeschichten wie diese könnten auch einige von uns schreiben.
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