Hallo Amanita,
Skeptisch sein/ werden ist ja der Sinn dieses kurzen Textes.
Ja, aber war deine Intention, dass man skeptisch gegenüber dem Text ist?
Das wir stimmt in diesem Fall (daher werde ich es auch nicht mehr ändern), denn wir (!) - alle - dichten uns doch was zurecht bei unseren Streifzügen durchs Internet, sobald wir es mit lebendigen Menschen zu tun kriegen, von denen wir aber immer nur Segmente wahrnehmen (wollen/ sollen).
Ich höre dich ... sogar das Ausrufezeichen. :o) Für mich stimmt das "wir" nicht, wie es in deinem Gedicht gezeigt wird. Das Zurechtdichten ist für mich kein spezieller Netzaspekt, sondern genauso Bestandteil von persönlichen Begegnungen, nur dass wir dort mehr Anhaltspunkte für unsere Dichtung haben und daher unsere Einschätzung für "realer", wahrer, vertrauenswürdiger halten. Auch dort gibt es ein Wahrnehmen-wollen und ein Wahrnehmen-sollen und Segmente, die wir nur mit bestimmten Leuten teilen (möchten).
Das Behagliche an der Sache ist, dass wir uns das raussuchen können, was uns passt, was uns gefällt.
Im Kontakt mit einem bestimmten Menschen, kann man sich im Netz genauso viel oder wenig raussuchen wie sonst auch. Die Kommunikation ist auf Worte beschränkt, aber die können auch sehr unbehaglich werden und uns nicht immer gefallen, oder in unser Bild passen. Was einem nicht passt zu verdrängen, auszublenden und nicht als ein Aspekt des anderen wahrzunehmen, ist für mich auch eine Typfrage, die sich nicht nur aufs Netz beschränkt.
Die Wahrheit sieht eben doch so aus, dass wir den anderen (im allgemeinen - bei "normalen" Netz-Kontakten) nicht sehen ("blind") und nicht hören ("taub").
Blind und taub bedeutet für mich zu erst einmal, dass man etwas nicht sehen/hören kann, das für andere zu diesem Zeitpunkt und in dieser Situation wahrnehmbar wäre. Das ist hier aber nicht der Fall, wenn man es auf Optik und Akustik bezieht und von reinem Schriftverkehr ausgeht, und trifft denke ich auch nicht deine Intention (?), da es den Blick auf das Fehlen dieser Fähigkeit beim Einzelnen lenkt. Insofern ist diese Wortwahl für mich schon mal schief. Im übertragenen Sinn, dem "Verständnis" des anderen, kann die "Mehrinformation" in der persönlichen Begegnung natürlich eine Hilfestellung sein, aber selbst das halte ich nicht für "allgemeingültig". Ich weiß zwar nicht, was für dich "normal" ist, aber wenn ich vom Salon ausgehe, hat man die Möglichkeit, wie auch außerhalb des Netzes, im "Gespräch" zu "sehen" und zu "hören", den anderen wahrzunehmen mit dem, was er zu sagen hat, sich mitzuteilen, samt der Möglichkeiten der Täuschung (auf beiden Seiten), der Missverständnisse, der Verletzung, Freude, Zweifel, Oberflächlichkeit ... die ganze Palette. Ich bezweifle, dass das immer und für alle Menschen schmerzlos ist.
Das Spinnennetz sehe ich hier nicht.
Wenn du diese Assoziation vermeiden möchtest, würde ich versuchen das Fliegen mit einem Ausdruck zu ersetzen, der aus der Techniksprache kommt. Oder das Netz durch das Internet zu ersetzen.
Ein wesentlicher Unterschied: Ich kann mich da beispielsweise nicht so einfach ausloggen, ich muss zumindest sagen, dass ich "jetzt keine Zeit mehr" habe - und unterstreiche das mit Stimmlage, Mimik und Gestik, die in diesem "Paket", das sich ungleich intensiver an die Sinnesorgane des Gegenüber wendet, sehr viel beredter sind.
Auch das ist denke ich eine Typfrage, ob es dann wirklich "einfach" ist, sich aus einem Gespräch auszuklinken (ohne darauf wieder zurückzukommen) und wie man das macht und ob es dann auch ausgeloggt "mit einem umgeht", wie man mit dem Gegenüber im Netz umgehen möchte.
Liebe Grüße
Flora