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Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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allerleirauh
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Beitragvon allerleirauh » 31.01.2014, 17:38

überarbeitete variante:

im licht des morgendämmerns
kommt er grau wie der alltag aus der nacht
den kopf gesenkt
sein fell widerwillig hinter sich herschleifend
jeder schritt wankt im weisen erwarten
scheint mühe und überwindung

und irgendwann fällt er vom rand

er ahnt nicht
dass ich ihn beobachte
mein fell widerwillig hinter mir herschleife
meine schritte kosten kraft
mühe und überwindung

und irgendwann fall ich vom rand

da trennt uns der tag

erst der abend kann ihn verwandeln
erhobenen schweifes nimmt er den pfad zurück in sein leben
das haupt witternd geneigt
stolz sein schritt und rotbraun wie im märchen
als könne er alles erreichen

er ahnt, dass ich ihn beobachte
hält inne
und birgt seinen kopf
geh davon, sagt er, lass mich stolz sein und rotbraun wie im märchen
und alles erreichen

meine schritte kosten kraft
mühe und überwindung

und irgendwann fall ich vom rand

aber im licht des abenddämmerns
seh ich ihn grau wie den alltag aus der nacht kommen
den kopf gesenkt





im licht der morgendämmerung
sehe ich ihn grau wie den alltag aus der nacht kommen
den kopf gesenkt
sein fell widerwillig hinter sich herschleifend
jeder schritt wankt in eine weise erwartung
scheint mühe und überwindung

irgendwann
fällt er vom rand

er ahnt nicht
dass ich ihn beobachte
mein fell widerwillig hinter mir herschleife
meine schritte kosten kraft
mühe und überwindung

irgendwann
fall ich vom rand

da trennt uns der tag

erst der abend kann ihn verwandeln
erhobenen schweifes nimmt er den pfad zurück in sein leben
das haupt witternd geneigt
stolz sein schritt und rotbraun wie im märchen
als könne er alles erreichen

er ahnt, dass ich ihn beobachte
hält inne
und birgt seinen kopf
in einer anmutigen bewegung

geh davon, sagt er, lass mich stolz sein und rotbraun wie im märchen
und alles erreichen

meine schritte kosten kraft
mühe und überwindung

irgendwann
fall ich vom rand

aber im licht der morgendämmerung
seh ich ihn grau wie den alltag aus der nacht kommen
den kopf gesenkt

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nera
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Beitragvon nera » 31.01.2014, 23:07

sehr schön!
bis auf auf die 5. zeile in der ersten ersten strophe; da stolpere ich über " in eine weise erwartung" obwohl?
lg

ecb

Beitragvon ecb » 01.02.2014, 18:47

Die Mühle des Taglebens mahlt da in gutplazierten Wiederholungen und Variationen, die auch dazu dienen, das beobachtende Ich in ein intensives Verhältnis zu setzen mit der grauen Erscheinung aus der Morgendämmerung.
Erst die Nacht wird beide wieder erlösen, nach gefühlten hundert Jahren, wie im Märchen. Von dieser Gewißheit leben beide.

Ein Problem habe ich mit "und birgt seinen kopf", darunter kann ich mir in diesem Zusammenhang bildlich nichts vorstellen.
Sehr treffend wirkt auf mich das Bild, "sein Fell hinter sich herzuschleifen".

Dies ist für mich ein Gedicht, das durch seine Mittel - Wiederholung, Variation - stark zum Ausdruck seines Gehalts beiträgt, weswegen ich meine, daß ruhig einige der etwas ... gesuchteren Worte ( den Kopf bergen, die weise Erwartung) durch einfachere Diktion ersetzt werden könnten, von der der Text eigentlich lebt.

Gut, daß er noch im Januar erschienen ist, so kann ich ihn als meinen Favoriten für diesen Monat wählen. :daumen:

Liebe Grüße
Eva

Mucki
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Beitragvon Mucki » 01.02.2014, 19:21

Hallo Annett,

das spricht auch mich sehr an. Vor allem diese Bewegungen, wie beide sich voneinander entfernen, angleichen und wieder entfernen. Auch feine Bilder hast du gefunden.

Liebe Grüße
Gabi

Quoth
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Beitragvon Quoth » 03.02.2014, 13:27

Hallo, Allerleirauh, schön, dass Du Dich trotz Rechtschreibreform immer noch mit einem h am Ende schreibst! Die Idee, dass sich das lyrische Ich in einem schnürenden grauen Fuchs bespiegelt und gleichsam wiedererkennt, gefällt mir. Aber ich finde, der Text enthält für ein Gedicht, auch wenn es ein gedankenlyrisches ist, zu viele auf -ung endende Nomen. Ließe sich daran nicht was ändern? Vielleicht ist es ja altmodisch, von einem Text mit gebrochenen Zeilen, vulgo einem Gedicht, konkrete Bildhaftigkeit und einen gewissen Wohllaut zu erwarten. Und muss das Ich überhaupt schon zu Beginn eingeführt werden? Es ist ja im Gedicht sowieso immer als Sprecher und Beobachter präsent!

Im Dämmerlicht des Morgens
kommt er grau aus der Nacht,
den Kopf gesenkt,
schleift das Fell hinter sich her,
muss sich zu jedem Schritt
mühsam überwinden ...

Auch dass mit dem grauen Fuchs der Alltag gemeint ist, würde ich nicht aussprechen. Ich glaube, darauf kommt der Leser von sich aus!
Gruß Quoth
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.

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allerleirauh
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Beitragvon allerleirauh » 04.02.2014, 16:26

hallo alle,

und vielen herzlichen dank für die rückmeldungen.

@nera: ich kann verstehen, dass du stolperst. ich habe ewig herumprobiert an der stelle. ("ins weite weiße", "in weiße/weise weite"...)die "weise erwartung" wählte ich schließlich, weil sie für mich ein lebenserprobtes einverständnis mit den möglichkeiten beinhaltet. ich weiß nicht, ob man das als leser herauslesen kann.

@ecb: "birgt seinen kopf" ist eine schwachstelle. ich wünschte, ich könnte die beobachtung in bessere worte kleiden. ein fuchs, der sich entdeckt glaubt, wendet sich ab und senkt den kopf ein wenig, sodass die schnauze teilweise im fell verschwindet. ich muss mir das noch einmal auf der zunge zergehen lassen.

@quoth: voll erwischt. ich habe keine ahnung, wie mir die UNGEN durch die lappen gehen konnten. stilistisch ziemlich daneben. ich habe jetzt ein bisschen geändert, aber das sind eher halbherzige korrekturen, ich brauche noch ein bisschen bedenkzeit.

lga


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