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Ent-icht
Verfasst: 10.03.2014, 15:25
von Kurt
Ich habe mich übergeben
draußen bei den Föhren
mitten im Quantenmeer
wollte nicht mehr mein
Körperschiff lenken
das mich narrte ein Kapitän
zu sein
habe mich übergeben
dem schwankenden Strom
der Neuronen
habe meine Schaumkrone
abgesetzt
verschwimme im Sog
der Gezeiten
Verfasst: 14.03.2014, 19:35
von Quoth
Hallo Kurt,
ein Kotzgedicht - bemerkenswert! Das Unästhetische wird ja von den Lyrikern meist gemieden. Vogelstimmen, Blümchen, Schneeflöckchen/Weißröckchen! Bemerkenswert auch der Titel, den ich Ent-icht schreiben würde, weil man sonst an ihm herumdröselt. Das lyrische Ich hat sein Ich gleichsam ausgekotzt und sich dadurch ent-icht. Erinnert an Seegurken, die ihre Eingeweide dem Verfolger hinspeien ... Paradox nun, dass das Ich sich ent-icht, um sich letztlich zu finden, indem es nämlich aus einer Rolle, der des Narrenschiffkapitäns, austritt, die sich als Trug erwiesen hat. Trotz dieser Selbstfindung dann aber ein Verschwimmen. Ist das Ich nicht trotzdem jetzt näher an sich?
Gruß
Quoth
Verfasst: 15.03.2014, 07:39
von Kurt
Ja, lieber Quoth,
darüber könnte man bestimmt stundenlang debattieren, könnte differenzieren zwischen Selbst
und Ich, könnte indische Lehren und Freud bemühen usw.
Für mich ist einzig in der Lyrik der Ort, sich zu Ent-ichen. Könnte mir auch vorstellen,
dass ein LyrIch den eigenen Tod imaginiert. „Reale“ Naturgedichte von Goethen & Co.
können mich nicht mehr reizen. Lisa hat hier mal ein tolles lyrisches Werk präsentiert,
ich glaube, es handelte über die Möglichkeit, nicht zu erscheinen. Das hat doch was.
Vielleicht wird das Ent-ichen irgendwann zum Volkssport, denn was man darunter
zu verstehen hat, ist natürlich Definitionssache - und kommt die nicht vom Ich?, auch
wenn dieses behauptet ent-icht zu sein. Wäre ja so, als würde man behaupten, kopflos
zu sein. Wie ginge das ohne denselben? In der Lyrik kann es funktionieren. Darin hat sie,
meiner Ansicht nach, ihre vornehmste Aufgabe.
LG Kurt
Verfasst: 15.03.2014, 11:07
von Quoth
Kurt hat geschrieben: Lisa hat hier mal ein tolles lyrisches Werk präsentiert,
ich glaube, es handelte über die Möglichkeit, nicht zu erscheinen. Das hat doch was.
Hallo Kurt, damit meinst Du wahrscheinlich dies:
viewtopic.php?f=2&t=13714Ich war zu der Zeit nicht da, bin Dir aber dankbar für den Hinweis. Interessanterweise taucht die "Schaumkrone" schon dort in Deinem Kommentar auf. Schön, wie Du das Wort übergeben=erbrechen beim zweiten Gebrauch dann in übergeben=überlassen milderst. Darin sehe ich ein Indiz für eine Ichfindung in der Ichentäußerung.
Gruß Quoth
Verfasst: 15.03.2014, 13:52
von Kurt
Ich sehe es anders. Das Ich, das ja übrigens ein illusionistisches sein soll, hält die Fäden in der Hand. Dass es keine feste Institution ist, wird uns ja klar, wenn wir von Identitätssuche oder –krise sprechen. Mein LyrIch verwirft sich, gibt sich nun aus der Hand.
LG Kurt
Verfasst: 15.03.2014, 20:21
von Niko
Für mich ist einzig in der Lyrik der Ort, sich zu Ent-ichen.
hallo kurt,
das sehe ich ganz anders. es gibt tausend möglichkeiten, sich zu entichen. für kurz oder auch für lang. lyrik ist nur eine kleine nische, die das auch hergibt. - meiner meinung nach...
aber davon ab:
ich mag das spielen mit dem wort übergeben. 2x narren gleich hintereinander ist mir zuviel. zumal es kein allerweltswort ist...
die gezeiten wirken auf mich ein wenig bemüht. und die neuronen unpassend. sie heben sich zu sehr heraus.
im ganzen ist der text - mir persönlich - einen tucken zu kopflastig. aber dennoch habe ich ihn sehr gern gelesen!
beste grüße: niko