"Faust", Teil I

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Klimperer

Beitragvon Klimperer » 08.05.2014, 12:35

Seit einigen Wochen mache ich mir Gedanken darüber, wie ich ein paar Gramm zu den Tonnen Sekundärliteratur über den „Faust“ von Goethe hinzufügen könnte. „Fauste“, im Vokativ, nennt ihn Mephistopheles.
Am Anfang will er sich umbringen, wird aber von den Osterglocken gerettet, die ihn an seine Kindheit, an die Auferstehung des Fleisches erinnern ... Dann kommt Wagner, sein Famulus, zusammen gehen sie vor den Toren der Stadt, aufs Land, mischen sich unter das Volk. Auf dem Weg zurück werden sie von einem schwarzen Pudel verfolgt...
Dieser entpuppt sich später als der Teufel, „des Pudels Kern“, aber schon vorher treten Geister in Erscheinung, und durch das Ganze Buch praktisch, es sind Geister immer da, die scheinen zu Goethes Zeit allgegenwärtig gewesen zu sein. Und sie stehen nicht in direkter Verbindung zu Mephistopheles, zu dem Teufel also. Anders als die Hexen, die eine sehr wichtige Rolle in Goethes Werk spielen. Er scheint fasziniert von ihnen gewesen zu sein. Frankfurt war damals noch eine mittelalterliche, dunkel, finstere Stadt. Goethe, dieser große germanische Geist beladen mit den dunklen Bergen des Christentums.
Nicht das Kreuz, sondern ein germanisches Amulett, der Drudenfuss hält die Teufel fern, und, da er schon drin ist, hindert ihn daran, Fausts Wohnung zu verlassen.
"Doch warum gehst du nicht durchs Fenster?", sagt zu ihm Faust. Und jener erwidert:"Es ist ein Gesetzt der Teufel und Gespenster: wo sie hereingeschlüpft, da müssen sie hinaus."
Dünn ist die Grenze zwischen Allmacht und Zauberei.
Ich glaube, die Hauptpersonen des Dramas sind eine Personifizierung von Goethe selbst, ich meine, er selbst empfand in sich selbst all jene Widersprüche, er ist gleichzeitig Faust und Mephistopheles und Wagner und alle anderen Nebendarstellern dazu. Wobei ich glaube, dass Faust und Mephistopheles sich die Waage halten. Ich persönlich finde den zweiten sympathischer. Er erinnert mich an Oscar Wilde, ein sensibler Weltmann.
Auch technisch ist er seiner Zeit voraus. Als Faust ihn fragt
"Wie kommen wir denn aus dem Haus?
Wo hast du Pferde, Knecht und Wagen?" erwidert Mephistopheles:

"Wir breiten nur den Mantel aus,
der soll uns durch die Lüfte tragen.
Du nimmst bei diesem kühnen Schritt
nur keinen großen Bündel mit.
Ein bisschen Feuerluft, die ich bereiten werde
hebt uns behend von dieser Erde..."

Als Erstes bringt er Faust zu einer Kneipe, wo ältere Studenten am Feiern sind. Ebendort vollbringt der Teufel seinen ersten Wunder, nämlich Wein aus Feuer zu zaubern ...

Danach geht es ab in eine Hexenküche, was dem Faust gar nicht so schmeckt und fragt, ob es nicht ein anderes Mittel gibt um verjüngt zu werden, worauf Mephisto:

"Gut! Ein Mittel, ohne Geld
und Arzt und Zauberei zu haben:
begib dich gleich hinaus aufs Feld,
fang an zu hacken und zu graben,
erhalte dich und deinen Sinn
in einem ganz beschränkten Kreise,
ernähre dich mit ungemischter Speise,
leb mit dem Vieh als Vieh und acht es nicht für Raub
den Acker, den du erntest, selbst zu düngen!
Das ist das beste Mittel, glaub,
auf achtzig Jahr dich zu verjüngen!"

Faust: Das bin ich nicht gewöhnt, ich kann mich nicht bequemen
den Spaten in die Hand zu nehmen;
das enge Leben steht mir gar nicht an.

Mephist.: So muss denn doch die Hexe dran.

Faust: Warum denn just das alte Weib?
kannst du den Trank nicht selber brauen?

Hier wird also, von Mensch zu Mensch gesprochen.

Während sie auf die Hexe warten, schaut Faust in einen Spiegel und sieht, nicht sich selbst, sondern eine Frau ...
Nachdem Faust das Aphrodisiakum getrunken hat sagt er zum Teufel:
„Lass mich nur schnell noch in den Spiegel schauen!
Das Frauenbild war gar zu schön!“ Worauf Mephistopheles:
„Nein! Nein! Du sollst das Muster aller Frauen
nun bald leibhaftig vor dir sehen.
(leise)
Du siehst mit diesem Trank im Leibe
Bald Helenen in jedem Weibe.“

Gleich bei der nächsten Szene trifft Faust Margarete auf der Strasse. Margarete ... Später wird Faust sie „Gretchen“ nennen. „Margretlein“, nennt sie einmal der Teufel. Er meint es gut mit ihr, wundert sich über ihre Naivität.
Ein Schmuckkästchen kommt ins Spiel, ein zweites ... Und Marthe, Margaretes Nachbarin, eine Schlüsselfigur. Ihr Mann ist im Krieg verschollen. Mephistopheles sagt von ihr:
„Das ist ein Weib wie auserlesen
zum Kuppler- und Zigeunerwesen!“

Die Verführung selbst wird nicht geschildert, nicht mal angedeutet, erst im Nachhinein, aus den Lippen von Margaretes Bruder, kurz bevor er stirbt, erfährt man es.

Diese Geschichte lässt mich an „Das Bildnis des Dorian Gray“ denken. Auch dort wird eine junge Frau ins Unglück gestürzt. Und an „Alexis Zorbas“. Dieser drängt einen noch jungen, weltfremden Intellektuellen zu einer Affäre mit einer jungen Witwe, was für diese mit dem Tod endet.

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