Sagenhaft

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Last

Beitragvon Last » 19.05.2006, 13:20

Der kleine Mann ist tot.
Er war lange in Sagenhaft
bevor man ihn im Ohr erhängte.






Urspr.:

Der kleine Mann ist tot.
Er war lange in Sagenhaft
bevor man ihn im Ohr erhängte.

Seine wahnsinnigen Schreie
hallen nach.
Zuletzt geändert von Last am 27.05.2006, 15:00, insgesamt 1-mal geändert.

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 19.05.2006, 19:44

Lieber Last,
ich habe diesen kleinen harmlos daherkommenden Text nun ziemlich oft gelesen. So lange hat es gebraucht, bis ich für michgerklärt hatte, warum er denn im Ohr erhängt wurde. ich habe für mich eine Begründung gefunden.

jemanden in sagenhaft zu stecken ist ein großartiges Wortspiel (fast ein zu harmloses Wort für den Vorfall).


Und selbst in den kurzen Worten erkennt man dich last...beeindruckend!

Liebe grüße,
Lisa, die endlich einmal KEINE Inversions- oder Wortänderungen anmerkt!

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leonie
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Beitragvon leonie » 19.05.2006, 21:27

Hallo last,
das ist ein starker Text!!!! Ich habe überlegt, ob man die letzten zwei Zeilen nicht noch weglassen könnte, ich fände das fast noch kraftvoller und es bliebe der Phantasie des Lesers überlassen, wie es weitergeht. So oder so: es gefällt mir richtig gut!

Liebe Grüße

leonie

Last

Beitragvon Last » 19.05.2006, 23:29

Hallo Lisa, hallo Leonie,

da fällt mir aber ein Stein vom Herzen, dass es euch gefällt :smile:

An den Schlusszeilen habe ich auch lange überlegt, ob ich sie nicht einfach weglassen soll. Prinzipiel ist es mir eigentlich lieber Dinge nicht zu sagen, den Leser selbst erschließen zu lassen, ich bin dabei immer noch auf der Suche nach der Verständnisgrenze. Die Zeilen habe ich schließlich drin gelassen um dem "kleinen Mann" damit noch ein wenig Hinterlassenschaft zuzugestehen. Die Frage ist einfach: "Denkt der Leser in diese ichtung noch weiter, wenn man ihm keinen Wink gibt?" Ich befürchtete der Leser würde dann auch am Ohr hängen bleiben.

@Lisa: Deine Begründung würde mich sehr interessieren, falls du sie nennen möchtest.

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 20.05.2006, 10:28

Hallo Last,
als leonie schrieb: ich ließe die letzten beiden Zeilen weg, sendeten meine Synapsen, dass auch ich das kurz gedacht habe...ich finde es einen guten Vorschlag!

Die Begründung wird wahrscheinlich wieder eine von mir "erdachte sein", aber ich habe es so verstanden, dass Sagen ja ein wenig wie Volksmärchen sind und daher von der mündlichen Überlieferung leben. daher kann er nur im Ohr erhängt werden, wenn die Sagen vergessen werden(wollen)..wie das Töten eines Paradiesvogels durch den goldenen Käfig oder das Sterben der Elfen, wenn man sagt, dass man nicht an sie glaubt. Erhängen gefällt mir dabei (es hat was von anprangern, wenn man auf einmal Zorn gegen das bekommt, an das man vorher glaubte, außerdem ist Erhängen sehr karg, damit rational besetzt und klingt lautlich an "erdenken" an)...

Mythos vs. Logos...Zeit der Aufklärung...

jetzt ist nur noch die Frage, ob es irgendein Mann ist oder "der" mann (das der mann an sich entmysthifiziert wurde). Aber ich denke, du meintest keinen bestimmten mann, oder?

Das waren meinen Assoziationen...

Gast

Beitragvon Gast » 20.05.2006, 11:32

Hallo Last,

ich tanze mal wieder aus der Reihe,
kein Lob!

Ich habe dein Gedicht schon gestern mehrmals gelesen und fand es zu dünn.
Daran hat sich bis heute nichts geändert.
Das Wort "Sagenhaft" mit dem du versuchst ein Wortspiel zu treiben eignet sich dazu in diesem Fall m. E. überhaupt nicht.
Es handelt sich um ein zusammengestztes Adjektiv.
Etwas kann sagenhaft sein, aber niemand kann sich darin befinden.
es hinkt als zu sehr...

Verstanden habe ich was du meinst, aber das transportiert der Text in Wahrheit nicht.

wenn du mit
sagen
haft


etwas konstruieren willst, dann probiere es z. B. mit Zeilensprung zwischen den beiden Teilen oder einen Trennstrich, aber es muss auch logisch sein um wirklich gut zu sein.
Wenn du möchtest sende ich dir per pn mal ein Besipiel dafür.

Liebe Grüße und nicht traurig sein...
Gerda
Zuletzt geändert von Gast am 21.05.2006, 11:11, insgesamt 1-mal geändert.

Last

Beitragvon Last » 20.05.2006, 12:12

Hallo Lisa, hallo Gerda,

vielen Dank für eure Kommentare :smile:

@Lisa: Deine Interpretation gefällt mir: "Mythos vs. Logos", schön :smile:
Ich meine übrigens schon einen bestimmten kleinen Mann, wobei der Leser dabei verschiedene Möglichkeiten hat diesen zu bestimmen. Ich persönlich habe da vier Möglichkeiten im Kopf.
An den Schlusszeilen überlege ich immernoch, kommt denn ohne sie noch der Tinitus in die Gedanken, oder kommt er das vielleicht auch mit ihnen nicht?

@Gerda: Schade, dass es dir nicht gefällt. Das Beispiel hätte ich natürlich gerne.
Aber ich verstehe dich auch noch nihct ganz, wenn das Wortspiel nicht passt, wie könnte dann ein Bindestrich oder ein Zeilensprung daran etwas ändern? (Ich dachte ja, dass es durch die Grammatik schon zwanghaft in den Kopf des Leser eindringt...)

An "dünn" habe ich jetzt natürlich zu schlucken, ich will ganz und gar nicht dünne Gedichte schreiben. Vielleicht kannst du das in der PN dann auch noch ein bisschen weiter erklären, woran es liegt, dass dir das gedicht nicht viel gibt (denn viele Gedanken stecken schon drin).

Gast

Beitragvon Gast » 20.05.2006, 12:42

Also hier ganz kurz, ich meinte natürlich auch in einem anderen Kontext... alles weitere per pn

LGG

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Beitragvon Lisa » 22.05.2006, 12:34

Ich persönlich habe da vier Möglichkeiten im Kopf.


Welche denn?

Den Tinitus habe ich mit dem Schreien nicht assoziiert...ich habe es ehere rein bildlich gesehen und nicht konkret übertragen..ich weiß nicht, wie es da den anders geht.

Vielleicht ließen sich die Zeilen einem Tinitus ähnlicher gestalten 8das permanente, das helle)?

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Beitragvon Lisa » 22.05.2006, 12:47

PS: Um Gerdas Einwand zu begegnen:

Mir kam gestern die Idee, man könnte auch mit


In Sagen verhaftet arbeiten...

ich allerdings finde dein Arrangement nach wie vor gelungen. Allein schon, weil ich dieses Spiel mit den Wirklichkeiten liebe.

Louisa

Beitragvon Louisa » 25.05.2006, 21:36

Hallo Last,
mich fasziniert das auch sehr! Wirklich fabelhaft!

Ich stelle mir auch oft vor, dass gewisse Gefühle Personen in meinem Kopf sind (...) und mag Dein Gedicht vor allem deshalb sehr gern.

Vielleicht hat es etwas mit sagenhaften Träumen und Hoffnungen zutun, die man aufgeben musste und jetzt hört man nur noch sein Geschrei.

Beeindruckte grüße, louisa

Trixie

Beitragvon Trixie » 26.05.2006, 00:14

Servus Last!

Also, ich finde das Gedicht, auch wenn ich es nicht so ganz verstehe, von der Wortwahl her äußerst gelungen. Um Himmels Willen, ändere bloß das "Sagenhaft" nicht. Eine Sagenhaft ist doch so etwas wie "Untersuchungshaft" nur anders. Sagen-Haft eben. Der Rest wird sich mir hoffentlich auch noch bald erschließen und so dünn kann es nicht sein, sonst müssten wir nicht so viel darüber nachdenken, was es denn bedeuten könnte oder?

lg Trixie

PS: Das soll jetzt keine Kritik an Gerdas Kritik sein!! Ich bin nur anderer Meinung, schätze deine Kritik jedoch immer sehr, weil da eigentlich immer was dahinter steckt!!

Gast

Beitragvon Gast » 27.05.2006, 10:39

Lieber Last,

das was Lisa schreibt hinsichtlich meiner Einwände, trifft es nicht, jedenfalls nicht, wenn ich deine Erläuterungen, die du mir per pn zugesandt hast hinzunehme, und deinem Gedanken über den Hintergrund folge.

Der politische Hintergrund, von dem du sprachst, erschließt sich mir inzwischen. Ich bekenne, meine Kurzsichtigkeit.
Man kann das sagenhaft auch dahingehend interpretieren, dass er - der kl. Mann im Ohr am Sagen gehindert war durch Haft.
Ehrlich gesagt ich weiß keine bessere Lösung...
Dein Gedicht verlangt viel vom Leser.
Ich glaube immer noch, dass es eine Möglichkeit gibt, es klarer auszudrücken, aber bis jetzt habe ich keine Idee.
Ich werde deinen Text weiterhin in meine Gerdanken einbeziehen.

Liebe Grüße und ein schönes WE.Gerda

Last

Beitragvon Last » 27.05.2006, 15:16

Hallo zusammen,

allgemein freut es mich, dass es euch gefällt, die beiden letzten Zeilen habe ich jetzt herausgenommen.

@Lisa: Meine vier Gedankengänge dazu sind:
-Tinitus (der kleine Mann im Ohr), was sich mit anderen Deutungen verträgt.
-Das innere Kind
-Ein Proletarier (Der kleine Mann von der Straße)
-Eine Symbolisch gemeinte Figur, die für Louisas "Träume und Hoffnungen" steht. :razz:
(Ich denke da kann man noch mehr finden, es handelt sich bei dem Gedicht ja eher um ein Prinzip, einen Prozess)

@Trixie: Theoretisch könnte es auch sein, dass es wirr aneinaner gereihte Worte ohne Sinn sind, dann wäre es dünn und ihr grübelt trotzdem :mrgreen:

@Gerda: Deine Kritik habe ich nicht vergessen, ich denke daran noch herum. Sollte ich aber wirklich etwas in diese Richtung ändern (was mir momentan noch zu bestimmend vorkommt), dann dauert das eine Weile, denn es braucht einen neuen Ansatz.


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