Die Erinnerung, ein verwelktes Blatt

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Kurt
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Beitragvon Kurt » 02.09.2014, 19:47

Die Erinnerung,
ein verwelktes Blatt
,

das sich nicht
abschütteln lassen will
im Herbst, wenn ich an
Serafine zurückdenke,
an das Büschel ihrer Haare,
welches weggeweht war mit
dem Laub der Birke und
ich es geborgen hatte aus
dem Hohlraum unter
der Dachkante, wo
das Gewölle der
Trauma-Eule lag mit
den schemenhaften
Knöchelchen darin,
denen von Serafines Fötus,
der sich abgeschieden
hatte von ihr wie
die roten Haare, als
hätten sie vor dem
Krebstod fliehen können.
Zuletzt geändert von Kurt am 15.09.2014, 17:28, insgesamt 4-mal geändert.
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Amanita
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Beitragvon Amanita » 02.09.2014, 23:18

Hallo Kurt, ich finde manches gut - so beispielsweise die weggewehten Haare oder überhaupt die (für mich unvermutete) Wendung am Ende -, anderes nicht so gelungen.
Die Erinnerung als verwelktes Blatt gefällt mir auch (für mich wäre allerdings "welkes Blatt" etwas rhythmischer); Probleme habe ich mit Zeile 2 "das sich nicht abschütteln lassen will" - empfinde ich als zu viel, zu deutlich / entbehrlich.
Zeile 3: irgendwas ist nicht stimmig, denn es folgt doch später wohl eine Erläuterung dazu, warum das Ich vor allem im Herbst an S. denkt. Vermutlich stimmt das "wenn" in meinen Augen nicht so ganz.
"geborgen / hatte aus dem Hohlraum der Dachkante" finde ich richtig gut! - während ich mit der "Traumataeule" überhaupt nichts anfangen kann.
Letzte Zeile: Müsste es nicht heißen "dem Krebstod entfliehen" oder "vor dem Krebstod fliehen"?

Kurt
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Beitragvon Kurt » 03.09.2014, 00:28

Danke, Amanita, für deine Rückmeldung.
Das einzig Innovative ist doch die „Traumataeule“. In Hohlräumen unter Dachkanten halten sich oft Eulen auf, und es finden sich Gewölle. Als das LyrIch nun die Haare birgt, wird es von einer traumatischen (irrationalen) Angst befallen, ein solches Gewölle könne die Knöchelchen von Serafines Fötus enthalten. Überhaupt ist es ja keine schöne Erinnerung im Gesamt, deshalb auch am Anfang, das „Nichtabschüttelnkönnen“ der Erinnerung. Wenn ich es weglasse, fehlt es.

LG Kurt
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birke
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Beitragvon birke » 03.09.2014, 00:38

ein bewegender, mich berührender text, der traurig-schön fließt.
nur, lieber kurt, frag ich mich, warum "traumata", die mehrzahl, und nicht einfach "trauma-eule"?
und ja, entweder das "vor" streichen in der letzten zeile, oder aber das "ent" vor fliehen, sonst ist es "doppelt gemoppelt".
ansonsten finde ich das sehr gelungen.

lg,
birke
wer lyrik schreibt, ist verrückt (peter rühmkorf)

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Kurt
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Beitragvon Kurt » 03.09.2014, 05:37

Danke, birke,
habe die kleenen Korrekts gleich ma getätigt.
LG Kurt
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