Knoten

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Klara
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Beitragvon Klara » 12.08.2016, 17:18

Knoten

Die Jahre hängen unsichtbar
wie durchsichtige Fäden rückwärts
geknüpfte Knoten in der Luft

einen für die Erinnerung, an das, was nicht war
einen für die Erinnerung an das, was bleibt und
einen für die Erinnerung an das, was kommt

Das ist der dickste.
Wenn der aufgeht
stirbst du

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 15.08.2016, 21:39

Hallo Klara,

ich komme vor allem mit dem "unsichtbar" und "durchsichtig" nicht zurecht. Das ist mir zuviel (oder "doppelt gemoppelt") und passt m. E. auch nicht, wenn die Überschrift Knoten heißt. Das Bild des Knotens, das da entsteht, müsste im Laufe des Textes immer weniger - oder "anders" - sichtbar werden, wünschte ich mir.

Und dann finde ich das "rückwärts" nicht logisch.

Deine Idee finde ich schön, die Umsetzung aber - noch - nicht ganz stimmig.
Zuletzt geändert von Amanita am 15.08.2016, 22:38, insgesamt 1-mal geändert.

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nera
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Beitragvon nera » 15.08.2016, 22:34

ich finde den text spannend, gerade weil er diese (gar nicht mal) surrealistische wendung hat. knotenmachen, die einen erinnern sollen? können? etwas was verbindet, bindet? unsichtbar erinnerung binden? und wenn diese knoten geöffnet werden, müssen sie nicht mehr erinnern, nicht mehr binden. da gibt es den 1. knoten, der an verpasstes leben erinnert, zb. und dann den zweiten, der (auch) an gute und schlechte geschehnisse erinnert, die man manchmal vergisst, verdrängt. mit dem lösen des letzten knoten ist der tod verbunden und das ist eine tatsache, die wir alle wissen, aber die wir manchmal auch verdrängen, uns nicht daran erinnern wollen, die wir oft gar nicht ans leben gebunden wissen wollen. klimperer hat natürlich recht mit den drei schicksalgöttinen;)

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 16.08.2016, 01:19

Niko hat geschrieben:Ich werd dran denken, pjotr! (an den Dienstag....

Schon klar, mein gutster, aber das Wort "erinnern" ist (für mich!!!!) ein anderer bedeutungsstrang (nettes wort, oder?) als an etwas denken. Nur in meinem subjektiven sprachempfinden. All deine Argumente kann ich nicht nur nachvollziehen, sondern auch voll unterstreichen.

Beschte griiiieeße - nikla

Ich denke schon, dass ich weiß, was Du meinst; ich spreche nicht dagegen. Wollte nur sagen, dass die andere Richtung nicht falsch ist. Das Wort "Erinnerung" hat -- unter anderem -- wohl einen besonderen Bedeutungsbauch hinbäuchlich emotional aufgeladener Geschehnisse, einer gewissen Melancholie vielleicht, und hat weniger Bedeutungskraft in sachlichen Dingen. Das meinst Du doch, Niko, oder? Das meine ich auch (das schließt das andere aber nicht aus). Also, an erster Stelle verbildlichen sich da Grabsteine, Denkmäler, Widmungen, Orte, Gesichter, Gesichtsausdrücke, gefühlsbeladene Sachen eben, und an letzter Stelle TÜV-Plaketten, Stopschilder, Gelbsacktermine.

Klara
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Beitragvon Klara » 16.08.2016, 09:32

Darf ich Dich dran erinnern, dass morgen Dienstag ist?

So ähnlich. Wenn man sich nicht mehr er-innert (FÜHLT), dass da noch was kommt, Freude auf, Sorge um, Plan für etc., wenn da - nix mehr kommt - stirbt man.

Aber es ist glaub ich auch so ein Innen-Ding, so was Mystisches. Das kann ich nicht erklären. Ich glaube, dass wir uns erinnern können an die Zukunft, in einer bestimmten Weise sind die Zeiten ja Konstrukte, vom Weltall aus gesehen. Unsere Zeitvorstellung ist - virtuell. Zugleich Pragmatismus. Ein Hilfsmittel. Es gibt andere Möglichkeiten zu denkfühlen. Zu spüren. Es gibt Gott, oder eine Höhere Macht, wer das wie auch immer bezeichnen mag. Es gibt das Vorher, das Nachher und dsa IMmer. Dieses Immer liegt natürlich auch immer in der Zukunft (genauso wie in der Vergangenheit genauso wie jetzt genauso wie es, strenggenommen - NIRGENDS liegt). Da geh ich in Gedanken dann vielleicht hin, zum Immer, und wenn ichs nicht (mehr?) kann, sterbe ich. Das heißt aber nicht, dass alles stirbt, und schon gar nicht das Immer. Wenn ich sterbe - muss ich mich nicht mehr dran erinnern.

Oder so.
Nee, das hilft jetzt wohl gar nichts.

Macht aber nix, bin geschmeichelt vom "Gütesiegel" ;))

herzlich
klara

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ZaunköniG
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Beitragvon ZaunköniG » 16.08.2016, 18:25

Man kann sich auch an seine Pläne, Wünsche, Ängste erinnern, die sich ja meist auf die Zukunft beziehen und vergleichen, was draus geworden ist. Ob sie sich erfüllt haben oder sich schon vor Erreichen der Gegenwart verändert haben.
"Erinnern" wird in der Regel mit Vergangenheitsbezug verwendet, aber im Grunde ist es "Verinnerlichen" im Sinne von "Sich bewusst machen". Ich sehe an der Stelle keine Probleme.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck

pjesma

Beitragvon pjesma » 17.08.2016, 18:58

man kann auch selektive erinnerung haben. sich an das gute erinnern, schlechte überspringen oder ignorieren und nicht zu nah an sich ran lassen und versuchen aus allem das bestmögliche zu tun. nennt sich dann improvisation. erinnerungen sind etwas woruf man schönes schöpfen kann, und wem die zukunft interessiert muss wohl zu baba jaga und glaskugel. wo wohnt sie den?

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ZaunköniG
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Beitragvon ZaunköniG » 18.08.2016, 07:42

pjesma hat geschrieben:, und wem die zukunft interessiert muss wohl zu baba jaga und glaskugel. wo wohnt sie den?


Hast du einen Beruf erlernt? Bist du krankenversichert? Hast du einen Kühlschrank? Verabredest du dich hin und wieder mit Freunden?
Dann weißt du ja wo Baba Jagas Glaskugel liegt.
Soll mir niemand erzählen, dass er sich nicht um die Zukunft kümmert.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck


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