Allein Deine Augen

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Last

Beitragvon Last » 14.09.2016, 17:15

Allein Deine Augen,
ein Erdreich unter alten Zedern,
die zärtlich ihre Äste wiegen –
kaum von einem Hauch getrieben.

Unter einen Blick von Dir
werfe ich mein leichtes Wesen:
Luftverwirbelungen
unter Königsadlerfedern.

Denn ich begehre Dich,
als hätte ich nie unter Augen gelebt.
Der dunkle Stoff, der Dich bekleidet,
ist wie in Traumarbeit gewebt.
Zuletzt geändert von Last am 16.09.2016, 09:37, insgesamt 1-mal geändert.

Niko

Beitragvon Niko » 14.09.2016, 22:43

Hey last!
Das finde ich höchst romantisch! Und doch unterbricht du diese wundervolle Stimmung hie und da.

Allein Deine Augen,
ein Erdreich unter alten Zedern,
die zärtlich ihre Äste wiegen -
kaum von einem Hauch getrieben.


Das großgeschriebene "Deine" deutet auf einen Brief oder einen Fehler in der Rechtschreibung hin. ;-) Den Bindestrich in der vorletzten zeile - kann der weg?

Unter einen Blick von Dir
werfe ich mein leichtes Wesen:
Luftverwirbelungen
unter Königsadlerfedern.


Ab dem Doppelpunkt finde ich es..... Wirklich schade. Das romantische Gefühl flüchtet nach dem Doppelpunkt! Das würde ich unbedingt umkomponieren!

Denn ich begehre Dich,
als hätte ich nie unter Augen gelebt.
Der dunkle Stoff, der Dich bekleidet,
ist wie in Traumarbeit gewebt.


Die ersten beiden Zeilen bringen mich in die urstimmung zurück. Sie sind wundervoll! Auch die für mich etwas staksigen beiden schlusszeilen können die Stimmung halten.

Ein wirklich berührendes gedicht. Wenn du in den Luftverwirbelungen mit den Königsadlerfedern nicht strauchelst, das Gedicht seine ansonsten ungemein intensive Stimmung durchhält, dann möchte ich mich mit meinem ganzen Gewicht in deine Worte legen und mich tragen lassen!

Wunderschön!

Liebe grüße - niko

Last

Beitragvon Last » 15.09.2016, 09:29

Hallo Niko,

danke für Deine Rückmeldung. Freut mich auch, dass Dich hier etwas eingefangen hat.

Diese großgeschriebenen Pronomen verwende ich auch, wenn ich E-Mails schreibe. Obwohl ich natürlich weiß, dass sie inzwischen nicht einmal in einem Brief gefordert sind und dass der Empfänger eine kleines "du" eher nicht als unhöflich empfinden würde. Es bereitet mir einfach Unbehagen, den Versuch nicht zu wagen, mithilfe einer überholten Höflichkeitsfloskel eine Wertschätzung auszudrücken, die über das Geforderte hinausgeht. Aus einem ähnlichen Gefühl heraus habe ich das im Gedicht so gesetzt. Ob das wirklich nötig ist?

Der Bindestrich ist eigentlich ein Gedankenstrich. Ich schreibe momentan gerne mit Notepad++, da gibt es keine zwei Strichlängen. Vielleicht sollte ich zumindest hier im Forum den längeren Strich verwenden?
Gesetzt habe ich den Gedankenstrich jedenfalls, um den Lesefluss etwas zu bremsen bevor die Spannung durch das Versmaß und den unreinen Reim im folgenden Vers etwas angezogen wird. Davon habe ich mir eine stärkere innere Abschottung des Selbstgenügsamen im dritten Vers versprochen.

"Luftverwirbelungen" und "Königsadlerfedern" sind natürlich Klopperworte. Ein Bruch der Stimmung ein Abprallen des lyrischen Ichs, das anschließend in sich rotiert, war durchaus gewollt. Das fällt vielleicht zu stark aus oder bezeugt zu wenig Kunstfertigkeit?

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Werner
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Beitragvon Werner » 15.09.2016, 21:07

sehr schönes gedicht, gefällt mir gut, poetisch, gute sprache

Niko

Beitragvon Niko » 16.09.2016, 01:05

Nö....Das mit den klopperworten. Du hast mir (dem Leser?) einfach an der Stelle die Stimmung versaut. SO! :blink2: :sad: :razz: :rolleyes:

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birke
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Beitragvon birke » 16.09.2016, 08:06

hallo last,

das ist zweifelsohne eine sprachlich schöne komposition, das gedicht hat rhythmus und melodie. besonders haben es mir genau jene zeilen angetan, die luftverwirbelungen unter königsadlerfedern, also, ich finde das ganz stark!

ansonsten habe ich überlegt, was es ist, das mich dieses gedicht als zu hmja, „süßlich“ empfinden lässt, und ich denke, es ist das explizite benennen einiger dinge, zb „zärtlich“ oder „denn ich begehre dich“ – so etwas möchte ich nicht ausgeschrieben, sondern lieber zwischen den zeilen lesen, so etwas möchte ich im gedicht spüren :)

lg
birke
tu etwas mond an das, was du schreibst. (jules renard)

https://versspruenge.wordpress.com/

Last

Beitragvon Last » 16.09.2016, 09:34

Hallo Birke,

danke für die Rückmeldung. Ich für meinen Teil habe den Eindruck, dafür an einer anderer Stelle vielleicht nicht explizit genug zu sein. :rolleyes:

Deinen Einwand des Expliziten kann ich aber verstehen. Über Alternativen zu "zärtlich" werde ich auf jeden Fall nachdenken. Das muss so nicht bleiben. Das Begehren hingegen möchte ich so belassen wie es ist.


Hallo Werner,

auch Dir danke für den Kommentar, freut mich, dass es Dir gefällt. :daumen:


Hallo Niko,

danke nochmal für die erneute Rückmeldung. Die Klopperworte bleiben nach Birkes Kommentar wie sie sind. Wenn einer es blöd und ein anderer es toll findet, handelt es sich um Stilfragen, die nie alle Leser zufrieden stellen können. Und rein vom Bild her ist es meine eigene Lieblingsstelle im Gedicht.

Den Gedankstrich mache ich aber zum echten, langen Gedankenstrich. Das kann man hier halt so setzen und sollte es dann auch machen.

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 16.09.2016, 14:28

Hallo Last,

ich sehe eine verschleierte Frau, nur die Augen "schauen" heraus. Orientalisch, oder biblisch sind mir als Assoziationen noch in den Sinn gekommen, wahrscheinlich neben Zeder und Königsadler auch durch die Nennung des Begehrens, der Unerschrockenheit vor dem "Süßen", dem Klang. (Hat mich auch an manche Texte von FawzZalum erinnert.) Das gibt dem Gedicht dann nochmal einen anderen Hintergrund, "verortet" es, bzw. versetzt in eine andere Landschaft, oder holt diese durch die Sprache zu uns, wirft ein anderes Licht.

Die zweite Strophe gefällt mir am besten, sowohl klanglich als auch bildlich, gerade die Luftverwirbelungen. .-)

Beim "zärtlich" bin ich zwiespältig, denn einerseits geht es mir wie Birke, andererseits scheint es mir hier eben sicher eingebunden und ein wichtiger Bestandteil.

Was für mich allerdings ein Klopperwort ist, .-) ist das "getrieben". Ich kann einfach keinen Grund dafür finden, oder welche, die mir zu konstruiert erscheinen, und bleibe jedes Mal daran hängen. Warum nicht schlicht "bewegt"?

Liebe Grüße
Ylvi
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

KarolineJasper

Beitragvon KarolineJasper » 19.09.2016, 19:59

Hey Last,

auch ich möchte noch ein paar Zeilen zu deinem wunderschön romantischen Gedicht schreiben. Zwar ist bereits eigentlich alles gesagt, so wollte ich dich aber wissen lassen, dass es auch mir sehr gut gefällt.

... Bis auf die Luftverwirbelungen, da gehe ich mit Niko konform, es zerstört die Stimmung, denke auch ich.

Herzliche Grüße
Karoline

Last

Beitragvon Last » 20.09.2016, 10:02

Hallo Ylvi,

danke für Deinen Beitrag, genau so habe ich es gemeint.

Ich bin durch die "Diskussion" um ein Niqab-Verbot auf die Idee für das Gedicht gekommen. Manche setzen dort die Niqab mit der Unterdrückung der Frau gleich. Ich habe mich gefragt, ob nicht auch das Gegenteil der Fall sein kann: Ließe sich ein Hohelied auf eine Frau in der Niqab singen?

Als erotisch gilt es, sich niemals völlig zu entblößen, sondern stets einen Teil zu verdecken, Neugier zu wecken, Fantasie anzuregen. In dem Sinne wäre die Niqab das Kleidungsstück, das einen Grundgedanken der Erotik am radikalsten umsetzt.

Mir schien dann die Frau, die nichts als ihre Augen zeigt, ein unfassbar lyrisches Bild abzugeben, das in einem kulturellen Spannungsfeld sogar noch intensiver wirkt (deswegen auch "getrieben").

Das "zärtlich" werde ich vielleicht noch umformulieren. In einer früheren Version stand da mal "zaghaft", was aber nicht passt. Bisher fehlt mir noch die zündende Idee.


Hallo Karoline,

auch Dir ein liebes Dankeschön. Freut mich, dass mein Gedicht Dir grundsätzlich gefällt.

Die "Luftverwirbelungen" werde ich so stehen lassen, auch wenn ich nachvollziehen kann, dass es hier zu einem Bruch der romantischen Stimmung kommt. Das scheint mir zumindest zum Teil auch eine Geschmacksfrage zu sein. Und mir gefallen die Verse selbst zu sehr, um hier nach einer Lösung zu suchen, die vielleicht zu allen Geschmäckern passt.

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 21.09.2016, 21:03

Lieber Last,

Ich bin durch die "Diskussion" um ein Niqab-Verbot auf die Idee für das Gedicht gekommen. Manche setzen dort die Niqab mit der Unterdrückung der Frau gleich. Ich habe mich gefragt, ob nicht auch das Gegenteil der Fall sein kann: Ließe sich ein Hohelied auf eine Frau in der Niqab singen?


Ja, bestimmt - alles, was man nicht ohne Widerstand sehen, nehmen, fühlen kann, erzeugt ja allein dadurch Wünsche. Und natürlich ist das Spiel damit auch etwas, was seinen Reiz hat.

Auch finde ich deinen Text sprachlich ansprechend und voller schöner, kraftvoller Bilder.

Trotzdem stelle ich mir die Frage, ob es als eher Außenstehender (als den ich dich einschätze) es der richtige Weg ist, zu solchen Themen derartige Texte zu schreiben.

In mir würde sich etwas sperren, da so heranzugehen. Zugespitzt formuliert: Was genau hast du denn an Erfahrung und Gefühl zu bieten, die Erotik einer verschleierten Frau dir zu vergegenwärtigen? Was genau kann der Text wirklich von dem, was du richtig überlegt hast, heben? Was wäre anders, wenn du aus der Welt stammen würdest, in der diese Frauen tatsächlich leben? Wäre es, wenn du all das, was außer der Verlockung damit verbunden ist, nicht vermutlich ein anderer Text, der vermutlich mehr Anspruch erheben dürfte?

Letzlich spielt er doch nur mit dieser orientalen Verklärung der lockenden Augen und ist gegenüber dem Thema eher hilf- und einfallslos trotz seiner sprachlichen Stärke. Als würde ein Topos berührt, der mit dem Satz "na, du weißt schon" in die Runde geworfen wird und bloße Konsumierung hervorruft.

Natürlich ist es auch keine Lösung, dass man ohne den entsprechenden kulturellen Hintergrund keine Texte darüber schreibt. Jeder darf das natürlich und der Wille, es tun zu wollen, ist viel Wert. Nur so ist ja auch eine Annäherung möglich. Aber wenn man sich dafür entscheidet, dann erwarte ich, dass ein größerer Aufwand betrieben wird. Den kann ich hier nicht erkennen.

Natürlich ist mir das in erster Linie aufgefallen, weil du deinen Text erklärt hast und ich weiß ja auch gar nicht, wie viel Vorbeschäftigung und Arbeit dahinter steht - also ist mein Kommentar auch mehr oder weniger daneben - mir war es aber trotzdem ein Anliegen, diese Gedanken vorzubringen.

Vielleicht ergibt sich ja eine wertvolle Diskussion daraus .-)

Liebe Grüße
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 21.09.2016, 21:19

Mir geht es gerade umgekehrt: Ich kann der Sprache nicht immer ganz folgen (empfinde manches noch als "unrund", zum Beispiel das getrieben oder die Luftverwirbelungen - andere vor mir nannten das auch schon), finde das Thema aber wunderbar. Es ist so aktuell und ich kann es auch gut nachvollziehen, denn was für Schönheiten sind da manchmal - mehr oder weniger - versteckt. Und letztlich ist der Tenor der Sprache auch gut gewählt, es ist ja viel Malerisches, Farbenprächtiges darin. Also - für mich zumindest eine tolle Idee!

Last

Beitragvon Last » 22.09.2016, 16:33

Hallo Lisa,

danke für Deine Rückmeldung. Sich zu seinen eigenen Gedichte zu äußern ist ja ein zweischneidiges Schwert. Warum sollte man ein Gedicht schreiben, das man anschließend erklären muss? Andererseits bereitet es mir aber Vergnügen über Gedichte zu sprechen, weil sie sich dadurch verändern.

Deine Skepsis dem Konzept gegenüber teile ich. Durch die Frage, inwiefern ich dazu befähigt sei dieses Gedicht zu schreiben, schimmert ja eine Urangst aller Schreibenden (wie war das mit dem Zauberlehrling?).

Ich gleiche in dem Sinne wohl dem Geist, den ich begreife, bzw. habe ein Gedicht geschrieben, das ich schreiben kann, und eben nicht ein anderes, das ich nicht schreiben könnte. Ob das als ein Mangel an inhaltlicher Tiefe oder als aufrichtig, vielleicht als selbstreflektiv, aufgefasst wird, liegt nicht allein in meiner Hand. Schließlich ist es auch der Leser, der vielleicht etwas mehr vermisst, was nicht da ist, als er sich auf das einlassen kann, was da ist.

Deine Skepsis gegenüber dem Inhalt teile ich demnach nicht:
Lisa hat geschrieben:Letzlich spielt er doch nur mit dieser orientalen Verklärung der lockenden Augen und ist gegenüber dem Thema eher hilf- und einfallslos[.]

Vielleicht, wenn "er" das lyrische Ich wäre. Nein, weil "er" der Text ist. :razz:

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Hallo Amanita,

auch Dir ein liebes Dankeschön. Zu den sprachlichen Kritikpunkten habe ich mich ja schon geäußert. Insgesamt fand ich - und das gilt für alle - die Rückmeldungen sehr anregend. Auch wenn ich jetzt höchstens eine Stelle noch ändere, denke ich, dass ich gerade aus den Kontroversen über sprachliche Aspekte, etwas mitgenommen habe.
Zuletzt geändert von Last am 22.09.2016, 16:58, insgesamt 1-mal geändert.

Niko

Beitragvon Niko » 22.09.2016, 16:50

Natürlich ist es auch keine Lösung, dass man ohne den entsprechenden kulturellen Hintergrund keine Texte darüber schreibt. Jeder darf das natürlich und der Wille, es tun zu wollen, ist viel Wert. Nur so ist ja auch eine Annäherung möglich. Aber wenn man sich dafür entscheidet, dann erwarte ich, dass ein größerer Aufwand betrieben wird.

Das sehe ich nicht so. Darf ich einen Text über mata hart schreiben, vielleicht humorvoll sogar, aber nicht über den Holocaust oder Sitten des Islam? Wo hängt die aufwands-latte? Ich finde, dass jeder Text, mit aufrechten Gefühl geschrieben, seine Daseinsberechtigung hat. Ich muss und kann nicht zeitgeschichtlich ein Thema durchleuchten, um dann befreit aufseufzend zu sagen: ich darf jetzt!
Die Qualität obliegt der Betrachtung des Lesers. Aber ich würde durchaus ein gedicht über den Islam schreiben, ohne den kulturhistorischen Hintergrund bis 945 nach Allah zu kennen oder ohne mich sehr viel mit dem Islam beschäftigt zu haben.
Oder was, Lisa, verstehst du unter "Mehr Aufwand?"


Liebe grüße - niko


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