sprawozdanie roczne | jahresbericht
Verfasst: 25.10.2016, 22:02
von Werner
zima | winter
in der wetternachhersage
war von unruhen die rede
aufständische hatten die regierungsgebäude besetzt
wir gehen über den roten platz
deine hände graben nach glück
jesień | herbst
aus den wäldern drängen leoparden gegen die städte
sieben mal sieben meilen entfernt
bauen kinder flakstellungen
unten am fluss
versprachen wir uns liebe
lato | sommer
du bist tagverkünderin
deine stimme schenkt frieden
wo wir uns zum ersten mal küssten
grasen silberreiher im niemandsland
fallen schüsse in den schlaf der eulen
wiosna | frühling
tauben große zukunft
vor der küste seezeichen
für die flugzeugträger
wir glaubten an die rückkehr der seeschwalben
und die harmlosigkeit von landminen
Verfasst: 28.10.2016, 13:26
von Last
Lieber Werner,
das empfinde ich als zu kompliziert gestrickt, um einen emotional-wirksamen und authentischen Bezug aufzubauen. Vielleicht weil zu viele Ansätze darin sind, die nicht konsequent genug zu Ende geführt werden. Vielleicht suche ich aber auch Zusammenhänge, die das Gedicht gar nicht preisgeben möchte.
Die polnisch-deutschen Überschriften kriege ich für mich nicht mit dem roten Platz zusammen, den ich in Russland verorten möchte. Eine Begründung dafür kann ich im Gedicht nicht finden. Dort lese ich von deutschen Panzern sieben mal sieben Meilen vor Moskau. Vielleicht stehe ich auf dem Schlauch?
Das Wort "wetternachhersage" finde ich zumindest im ersten Vers ungünstig positioniert, weil es in meinen Ohren so überspitzt klingt, das ich tendentiell einen satirischen Text erwarte. Außerdem wird das Wettermotiv nicht durch alle Strophen verfolgt und büßt daher an emotionaler Wirksamkeit ein.
Den Jahresrückblick lese ich als das Graben nach Glück in der Erinnerung. Ich scheitere leider daran das Bild der grabenden Hände dazu zu evozieren. Am roten Platz, der doch asphaltiert ist, könnte ich nicht mit bloßen Händen graben, bzw. das wäre ein schmerzhaftes und zum Scheitern verurteiltes Unterfangen. Eigentlich funktioniert dieses Bild in Analogie zum Aufsuchen von glücklichen Momenten in einer vom Krieg überschatteten Zeit deshalb sehr gut, aber rein bildlich geschieht es hier eher flüchtig aus dem Gehen heraus und wird dann weder hinsichtlich der verursachten Schmerzen noch der Unmöglichkeit weiter auserzählt.
Vielleicht wäre "deine hände graben im asphalt" eine Alternative? Das Glück muss mir an der Stelle nicht genannt werden, dazu reicht mir die Liebesgeschichte.
Die verschiedenen Gefechtssituationen bauen nicht wie hinreichende Bedingungen aufeinander auf und sie enthalten für mich auch keine Steigerung untereinander. Deshalb kann ich darin keine fortschreitende Entwicklung nachvollziehen. Den Rückblick als Graben nach Glück, der an einen Zeitpunkt vor Beginn eines Krieges aber auch vor den Beginn der Liebesbeziehung führt, halte ich für eine geniale Idee. Aber dazu fehlt den Strophen ein klarerer roter Faden.