Der kleine Mann

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Kurt
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Beitragvon Kurt » 03.12.2016, 18:29

Der kleine Mann

rechtfertigte sich vor Gericht:
„Frauen lieben es, wenn
man ihnen die Sterne
hoch vom Himmel pflückt!“

Da hatte er seinem Nebenbuhler
Lulatsch die zum Zenit reichenden
Beine bereits abgehackt und

die Angebetete gestand, dass
es ihr lieber sei, man holte
ihr Diamanten tief aus der Erde.
Zuletzt geändert von Kurt am 11.12.2016, 11:29, insgesamt 1-mal geändert.
"Wir befinden uns stets mitten im Weltgeschehen, tun aber gerne
so, als hätten wir alles im Blick." (Kurt)

OscarTheFish
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Beitragvon OscarTheFish » 11.12.2016, 10:36

Zusammenfassung: sozialallegorische Parabel über die Frau mit angedeuteter juristischer Aufarbeitung der Folgen eines Konfliktes zweier Alpha-Kandidaten.
Egal was man macht, irgendwie geht es im Zusammenhang mit Frauen doch immer schief (auch bei gut gemeinten Aktionen).
Die Rolle des Badboys (der Badboy als Garant für besonderen Nachwuchs aus dem Blickwinkel der genetisch anspruchsvollen Frau) benötigt ein spezielles Talent (aber auch das Darwin'sche Glück), sonst geht die Ausübung dieser Berufung schief.
Drastisch die Bilder, bitter-süß die Essenz. Könnte durchaus als Einführungsgedicht für Knäbleins beim erfolgreichen Eintritt in die Pubertät dienen zur Abwehr nachhaltig schwerwiegender Folgen sowie als Entscheidungsgrundlage möglicher noch zu ergreifender Rollenmodelle als Mann.
Dem braven, angepassten Mann-Modell (ManMod) / Betamännchen bietet sich allerdings die Entfaltung als Opportunist (weniger Risiko bei weniger Chancen). Dieses befindet sich in Bezug auf das Gedicht in der Rolle des unbeteiligten Zuschauers.
Ein paar ausgewählte Werke zur Stillung weiterer Neugier:
AKUTES ABDOMEN, OBWOHL WIR BLIND SIND, SCHMUSEREI, MUCH ADO ABOUT FUJI.
Gedichte von: Der beste Dichter der Welt und XRayFusion.

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Eule
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Beitragvon Eule » 11.12.2016, 12:49

Hallo Kurt, ja, dieser Text wirkt stark allegorisch. Anders als im Vorpost scheint mir eine gewisse Selbsttäuschung im Textkern thematisiert.
Ein Klang zum Sprachspiel.

Kurt
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Beitragvon Kurt » 11.12.2016, 19:28

Ja, OTF, das ist mal wieder eine knackige Interpretation, mit schlüssigen Begründungen, denen man gerne folgt. Besten Dank!

Im Gegensatz dazu nun Eule, der von einer „gewissen Selbsttäuschung“ spricht, ohne dies klar zu erläutern. Dennoch danke ich auch ihm für den Post.

LG Kurt
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Amanita
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Beitragvon Amanita » 13.12.2016, 09:23

Ich finde den Text sehr gekonnt - witzig und vielschichtig. Eine "gewisse Selbsttäuschung" kann ich da nicht entdecken, zumal es doch um DEN Irrtum schlechthin geht. Mit fatalen Folgen für alle.

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 13.12.2016, 10:02

Ja.

Seltsam, erst jetzt, durch Amanita, lese ich den Text richtig, verstehe die Pointe.

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Eule
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Beitragvon Eule » 13.12.2016, 13:49

Welchen Irrtum meint ihr denn konkret ?
Ein Klang zum Sprachspiel.

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 13.12.2016, 14:49

Vielleicht den Irrtum, Frauen würden es lieben, wenn man ihnen die Sterne vom Himmel pflückt ...?
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.

(Ikkyu Sojun)

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 13.12.2016, 16:06

genau den. Zumindest stimmts nicht, dass es alle so wollen.

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Eule
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Beitragvon Eule » 14.12.2016, 16:48

Mich stört ein wenig der Titel. Der "kleine Mann" liest sich für mich ein wenig wie "Felix Mustermann".
Ein Klang zum Sprachspiel.

Kurt
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Beitragvon Kurt » 14.12.2016, 17:10

Nun Eule, die Überschrift steht hier ja nicht für sich alleine, so dass man von dem allgemein als kleinen Mann bezeichneten ausgehen würde, sondern er wird hier im speziellen sofort eingebunden. Das ist ein wesentlicher Unterschied. Insofern greift deine Kritik nicht.

LG Kurt
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Amanita
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Beitragvon Amanita » 14.12.2016, 17:23

Ich finde die Überschrift gerade gut! Man assoziiert was Falsches und landet dann doch wieder fast richtig. Toll!

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 15.12.2016, 18:55

Hm, ich verstehe die Pointe nicht. Wenn es darum geht, dass Frauen das Himmelssternepflücken nicht mögen, warum muss der Zwerg dem Riesen dann die Beine abhacken?

Oder gesteht die Frau nur gerade durch diesen Gewaltakt, dass sie lieber Schätze in Bodennähe hat? Wird es erst wahr, wenn sich der Zwerg durchsetzt?

Viele Grüße
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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ZaunköniG
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Beitragvon ZaunköniG » 15.12.2016, 19:46

Lisa hat geschrieben:Hm, ich verstehe die Pointe nicht. Wenn es darum geht, dass Frauen das Himmelssternepflücken nicht mögen, warum muss der Zwerg dem Riesen dann die Beine abhacken?

Oder gesteht die Frau nur gerade durch diesen Gewaltakt, dass sie lieber Schätze in Bodennähe hat? Wird es erst wahr, wenn sich der Zwerg durchsetzt?

Viele Grüße
Lisa



es ist offensichtlich, dass der kleine Mann bei der Frau nicht landen kann, anscheinend dem Lulatsch den Vorzug gab, - aber was die Gründe anging hat der kleine Mann zu kurz gedacht. Es ist eben nicht immer das Offensichtliche. Die wahren Gründe werden uns aber wohl verborgen bleiben wie dem kleinen Mann.

Weiß man überhaupt warum man sich in jemanden verliebt? Dieses Ungewisse ist doch Teil des Zaubers.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck


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