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Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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allerleirauh
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Beitragvon allerleirauh » 18.03.2017, 20:12

dunkelheit

lichter über den wassern

und sturm

als hätte das jahr sich schon satt

und wolle früher vollenden

carl
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Beitragvon carl » 19.03.2017, 07:18

Liebe Allerlierauh, ich beschreibe jetzt nur, was mir aufgefallen ist:

Redundanz Dunkelheit: "sturm/ lichter über den wassern"
Metaphysische Aufladung: die wasser (der urflut/ des todes)
Conjunctivus irrealis: beginnt hier der Vergleich? Dann sollte/ könnte vorher die nüchterne Betrachtung stehen ("lichter überm wasser") und nach dem "als" erst die Deutung. Oder ist schon das ganze Gedicht die Deutung? Dann ist der Vergleich überflüssig: "das jahr hat sich schon satt/ und vollendet."
Aufladung II: vollendet. Ist was anderes als "macht schluss"

Jetzt nochmal im Zusammenhang als Negativ-Folie:

sturm -
lichter überm wasser
das Jahr hat sich schon satt
und macht schluss.

Viele Grüße, Carl

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 19.03.2017, 20:39

Hallo Carl,

ich mag die Aufteilung des Gedichts so, wie sie ist. Die ersten drei Zeilen beschreiben, was zu sehen ist. Dann folgt eine Beschreibung, die den Anblick vergleicht und darin ebenfalls etwas sieht. Und so ist es doch mit Landschaften und Wetter häufig, dass man in/an ihnen etwas Inneres als im Großen und Ganzen erlebt.

Liebe allerleirauh,

wenn man den Text im Oktober oder Dezember liest, funktioniert er vermutlich nicht so, wie er gemeint ist, daher braucht er vielleicht noch einen Kontext, der klar macht, dass der drohende Untergang des Jahres auch "dramatisch" bzw. unerwartet ist? Damit meine ich jetzt nicht so einen Titel wie "Märzwehen" .-).

Das vollenden hast du vermutlich gewählt, weil es mit seiner Bedeutung den Bogen zurück zum Anfang schlägt? Dass nicht von Tod die Rede ist, sondern von einem zwar ebenso konsequenten, fatalen aber eben neutralerem, weniger individuellem Ereignis? Es klingt etwas sehr stark, etwas hölzern, das Wort an der Stelle, finde ich.

Liebe Grüße
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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birke
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Beitragvon birke » 19.03.2017, 23:10

liebe a.
ja, ich denke wie lisa, dass ein winziger hinweis gut wäre, dass der zeitpunkt im gedicht noch eher früh im jahr ist?
ansonsten finde ich das sehr gelungen, vor allem das "vollenden", da es ja so viel mehr heißt als "enden". wenig worte, fein bildhaft, mit starker wirkung!
lg
birke
tu etwas mond an das, was du schreibst. (jules renard)

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