ungeduld

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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allerleirauh
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Beitragvon allerleirauh » 21.04.2017, 20:46

im april muss der einzelne falter genügen:

ich trockne ein zitronenmeer,

denke an erfrorenen atem,

die warmen blätter der magnolie,

trinke aus blinden tassen,

trau gräserner magie,

den schatten des hauses.

öffnet sich eine tulpe und gibt mir heim für die nacht?

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birke
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Beitragvon birke » 21.04.2017, 23:53

wunderbare poesie, sehr, sehr schön!
ich würde lediglich auf das "duftend" vor magnolie verzichten, weil sich der duft automatisch aus den warmen blättern erhebt.
lg
birke
tu etwas mond an das, was du schreibst. (jules renard)

https://versspruenge.wordpress.com/

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Werner
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Beitragvon Werner » 22.04.2017, 10:54

ich kann mich nur voll und ganz meiner vorkommentatorin Diana anschließen

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allerleirauh
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Beitragvon allerleirauh » 22.04.2017, 12:04

hallo birke und werner,

danke!

@diana: du hast recht. "duftend" nehme ich raus.

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 22.04.2017, 12:36

Wie schön - sehr, sehr gerne gelesen!
Nur vermittelt das Gedicht selbst gar kein Bild von Ungeduld - für mich eher eines von Geduld.
Grüße von Zefira
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
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Lisa
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Beitragvon Lisa » 25.04.2017, 17:44

Liebe Annett,

das gefällt auch mir sehr. Und ich mag, dass der Text Ungeduld heißt, auch wenn das lyr. Ich Geduld ausströmt. So ist das eben.

Ich bin bei "blinde Tassen" gestolpert, für mich ist nur Glas blind und Tassen nicht aus Glas (obwohl es sie gibt, aber die vorgestellte Tasse, die im Geiste erscheint, wenn man Tasse sagt, die ist bei mir nicht aus Glas).

Liebe Grüße
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 25.04.2017, 23:22

Auch Porzellan kann seinen Glanz verlieren, ich habe das bei einigen meiner Tassen. Wenn sie ein paar hundert Mal durch die Maschine gelaufen sind, werden sie irgendwie stumpf, fühlen sich auch so an.
Ich deute das Beiwort "blind" als Mangel an Glanz, es kommen aber auch andere Assoziationen ins Spiel, Stichwort "blindes Ende", also ein Mangel an Durchgängigkeit, eine Art Verstopfung. (Natürlich muss eine Tasse ein blindes Ende haben, sonst ist es keine Tasse, sondern ein Rohr, aber Assoziationen sind nicht immer logisch ...)
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allerleirauh
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Beitragvon allerleirauh » 27.04.2017, 16:06

hallo zefi,

ich finde das lyrICH sehr ungeduldig. es will schmetterlingswolken und muss mit einzelnen exemplaren vorlieb nehmen, seine gedanken springen umher zwischen frühling und winter und es flüchtet ins märchenhafte/in eine ausgedachte welt.

hallo lisa,

was die tassen angeht, so denke ich in richtung zefira. plus: ich habe irgendwann in meinem leben bei irgendjemandem aus tassen getrunken, die hatten eine schillernde oberfläche. so wie mit benzin übergossen. wenn diese "beschichtung" (oberfläche?) abgewaschen wird, erinnert sie (mich) an blinde spiegel.

a.

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 27.04.2017, 18:50

Hallo ihr zwei,

na klar, an blinde Spiegel habe ich auch gedacht und Tassen können stumpf sein, trotzdem kenne ich den Wortgebrauch von blind nur in Zusammenhang mit Glas oder anders gesagt: er hört sich zusammen mit Tassen falsch an. Natürlich funktioniert das Bild aber trotzdem :-)

Liebe Grüße
Lisa
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Klara
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Beitragvon Klara » 25.05.2017, 15:58

... ja, das ist schön :)
(so schön, dass mein Kommentar ganz langweilig ist)


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