landschaft, bin ich

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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birke
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Beitragvon birke » 22.12.2017, 23:09

.

landschaft bin ich
ein scherenschnitt
hügelig, nicht karg
und gestreckt
auf mir weiden schafe
und du
erwanderst schritt
für schritt
meine topologie
ist dir vertraut
doch in winkeln
und ecken
bin ich wundersam
unwegsam, dort
wo sich der milan in die lüfte schwingt
und dort, wo das meer beginnt
vielleicht dass dir eine blüte
den weg weist oder
der leuchtturm

.
tu etwas mond an das, was du schreibst. (jules renard)

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Werner
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Beitragvon Werner » 22.12.2017, 23:19

das ist sehr schön und gut, liebe Diana, das gefällt mir. eine warme stimmung mit starkem einstieg. ein guter eigener ton.

Niko

Beitragvon Niko » 22.12.2017, 23:31

Liebe Diana

Das ist ein besonderer Text. Weil er gleich schwingt, fliegt und trägt. Weil er sanft ist und mich Leser durchpflűgt. Und weil er "du" ist.
Man spürt es einfach: in diesen Worten schwimmst du.
Ach ich weiß auch nicht..... Es gibt so Texte, die packen mich von Kopf bis Fuß und ziehen mich in wunderschöne Gegenden, in denen ich mich völlig staunend umsehe. Nicht fassend.....

Danke
(wobei ich eigentlich deine zeilenbrűche bemängeln wollte)

Herzlichst - Niko

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 23.12.2017, 01:02

Oh ja, das ist ein wunderbares Gedicht.

Hier spricht die Landschaft.
Die, die sonst nur passiv die bewundernden Blicke über sich ergehen lässt.
Vers neun ist ein herrliches Apokoinu.
Und das, was nur in der Lyrik möglich ist, das eine Blüte so groß, so wichtig wie ein Leuchtturm sein kann.
So geheimnisvoll.

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 23.12.2017, 10:09

Liebe birke, eine schöne Idee mit schöner Umsetzung.

An einer Stelle hakelts bei mir: beim Scherenschnitt. Der ist bei mir so konträr zum "Hügeligen", dass er mich stört.

Nifl
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Beitragvon Nifl » 23.12.2017, 11:12

Hallo Birke,

gefällt mir auch sehr gut. Prickelt. So eine Landschaft/Körper- Analogie ist prinzipiell schon etwas *schnarch, weil jeder, der schon mal ein paar Zeilen umgebrochen hat, dies schon versucht hat.

Ja, der Scherenschnitt passt durch seine Zweidimensionalität gar nicht.

auf mir weiden schafe

Besonders klasse wäre der Text natürlich, wenn die Bilder durchgängig LyI sowie eine Landschaft beschrieben.
Aber weidende Schafe auf dem LyI bekomme ich mir nicht recht vorgestellt.

topologie

Topographie schmeckte nicht ganz so mathematisch?

wo sich der milan in die lüfte schwingt

das ist jetzt vom Werner abgeschrieben (Witz)

Und nicht das Wort Wort!

Grüße
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

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birke
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Beitragvon birke » 27.12.2017, 12:16

danke sehr für eure feinen rückmeldungen!

nur soviel: eine landschaft ist ja vielfältig, auch uneben, steinig, selten glatt, überraschend vielleicht hinter der nächsten wegbiegung?  und manchmal wirkt sie, in einem augenblick, in bestimmtem licht, auch zweidimensional, gar schwarz-weiß.. und die schafe.. sie gehören (für mich) unbedingt dorthin. :)

lg
birke

ps- und klar, neu ist diese analogie nicht... aber immer wieder reizvoll, finde ich!
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Mucki
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Beitragvon Mucki » 27.12.2017, 19:14

Hi Diana,

ich mag dieses Gedicht sehr. Und die Schafe müssen unbedingt bleiben. Hach, für mich könnte dieses Gedicht noch tausend weitere Zeilen haben und die Landschaft noch ganz viel mehr von sich erzählen. :verliebt:

Saludos
Mucki

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 28.12.2017, 09:07

Hallo Birke,

Nifl hat geschrieben:Besonders klasse wäre der Text natürlich, wenn die Bilder durchgängig LyI sowie eine Landschaft beschrieben.
Aber weidende Schafe auf dem LyI bekomme ich mir nicht recht vorgestellt.
Geht mir auch so. Das Gedicht spielt ja schon mit einer Körperlichkeit, oder war das nicht deine Intention? Und wenn es da nicht zum parasitären Gemümmelbild werden soll ... Schafsläuse :)) dann muss ich den Umweg über Tatoos nehmen, damit mir nicht alles zur leeren "Das ist doch nur eine Metapher" wird. Das macht dann aber auch das Ende, die Blüte, den Leuchtturm zweidimensional und damit auch etwas "platt" als "Wegweiser", was wieder zum Scherenschnitt passt ... aber eigentlich schade ist, weil die Landschaft damit verloren geht und auch dieses Geheimnisvolle darin, wie Klimperer schreibt?

Liebe Grüße
Ylvi
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

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birke
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Beitragvon birke » 30.12.2017, 15:50

tja, was soll ich dazu sagen, für mich sind die weidenden schafe hier absolut stimmig - und so manchem leser scheinen sie auch ein (durchaus angenehmes, aussagekräftiges?!) bild zu eröffnen. von daher bleiben sie auf jeden fall.
danke für die rückmeldung, ylvi!
guten rutsch und lg
birke
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Kurt
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Beitragvon Kurt » 31.12.2017, 10:59

Liebe Birke,
ja, ein schönes Gedicht, auch die weidenden Schafe, weil sie m. E. ja hier keinen kitschigen Inhalt ergeben.
Ein Scherenschnittbild vermittelt natürlich eine besondere Atmosphäre, aber hier am Anfang wirkt es etwas „merkwürdig“, :((: und so mein Vorschlag, den
imaginären Scherenschnitt in 3-D:

landschaft bin ich
ein Puzzle in 3-D,
ein Scherenschnitt,
hügelig und steinig;
nicht karg oder gestreckt

auf mir weiden schafe
und du …

LG Kurt
"Wir befinden uns stets mitten im Weltgeschehen, tun aber gerne
so, als hätten wir alles im Blick." (Kurt)

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birke
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Beitragvon birke » 01.01.2018, 23:45

oh, mucki, dir natürlich auch ganz lieben dank! solch eine rückmeldung bestärkt mich darin, es genauso zu lassen, wie es ist..

und danke, kurt,
ein scherenschnitt in 3-d, schmunzel, ja...
aber das so auch ins gedicht zu schreiben, wohl eher nicht. ich glaube, das ist auch nicht nötig

lg birke
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