fremdwörter führen uns nach hause

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Werner
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Beitragvon Werner » 25.01.2018, 14:11

fremdwörter führen uns nach hause
den wind lassen wir liegen
er taugt nicht für gedichte
für märchen vielleicht
der wind der wind das himmlische
silbe für silbe nähern wir uns
dem fluss den feldern
dann dem dorf
und am ende weist uns der asphalt
den weg in die stadt
wo die raben schon auf uns warten

Niko

Beitragvon Niko » 25.01.2018, 23:56

Hallo Werner,
dein Text lässt mich unentschlossen zurück. Ich finde für mich gute Bilder im Text, dann aber auch wieder Wendungen, die mich etwas befremden, da sie mir nichts sagen.
Schon der Titel, der sich unglücklicherweise in der ersten Zeile wiederholt: "Fremdwörter führen uns nach Hause"
Das Bild kann ich nicht entschlűsseln. Fremdwörter beinhalten "fremd" und was kann denn fremdes nach Hause führen?
Wenn du einen Text liest mit so einem krummen opener, dann blockiert mich das zumindest im weiteren eintauchen. Ich muss mir einen deutlichen ruck geben.
Die zweite Zeile ist gut greifbar als Bild. In der dritten fängst du an zu parlieren. Dann wiederum sagst du, das wind was für Märchen taugt und zitierst eine Stelle aus einem Märchen. Aber es gibt tausend andere Zusammenhänge, wo der wind drin vorkommt! Nun streifst du durch Flüsse Felder über Asphaltweve in das Dorf hin zur Stadt, wo schon die Raben warten.
Die letzte Zeile könnte ein Bild beinhalten. Aber bei dem felderwegdorfstadt - gewusel traut man sich nicht mehr, Bilder zuzulassen..

Der Text ist mir zu beliebig und aufgesetzt. Es fehlt ihm an einer Linie, an Seele. Ein totes Kunst - Kunstwerk..... Für mich. Nur für mich!

Herzlichst - Niko

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Hetti
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Beitragvon Hetti » 26.01.2018, 07:46

Hallo Werner,

"Wort" sehe ich immer als Metapher für Kommunikationsprozesse zwischen Menschen. Wenn also Wort vorkommt im Text, entsteht vor meinem inneren Auge das Bild eines Austauschprozess. In Form von Sprache. Ich hoffe, dass ist auch so von den Autoren gemeint.

Du startest den Text mit "Fremdwort". Habe ich bisher noch gar nicht in Lyrik gelesen. Sondern immer nur als Bezeichnung für ein Ding wahrgenommen wie z. B. "Automobil" oder "Referenz". Dann läuft natürlich auch ein Bilderprozess bei mir statt.

Du verwendest "Fremdwort" aber anders. Es bezeichnet nicht ein ein Ding oder Vorgang in nichtdeutscher Sprache. Sondern, so verstehe ich es, es geht um einen Austauschprozess der aber fremd ist. Wofür steht jetzt fremd? Böse Fremde in der Heimatstadt? Oder die eigene Fremdheit, weil man sich von der Herkunft weg entwickelt hat? Die ehemaligen Nachbarn sind fremd geworden? Ich weiß es nicht genau. Vielleicht kann ich mir einen Reim darauf machen, wenn ich mir deine Biografie vergegenwärtige.

Jedenfalls kann ich für mich feststellen, dass mir "Fremdwort" im Zusammenhang mit Heimat nicht wirklich sympathisch ist. (Heimat schreibst du nicht, sondern ..Hause... Aber es ist doch Heimat gemeint?)* Evtl. auf eine andere Weise nicht sympathisch, als du beabsichtigst. Der Rabe in der Schlusszeile macht es mir nicht leichter.

Es kann gut sein, dass wir die Welt aus völlig unterschiedlichen Perspektiven betrachten, weil wir aus unterschiedlichen Welten / Kulturen kommen, ganz unterschiedliche soziokulturelle Erfahrungen gemacht haben.

Wir sollen ja die Perspektive des anderen einnehmen und so die Kommunikation befördern. Da sind wir dann wieder beim "Fremd - Wort". :):

Liebe Grüße
Hetti

* nachträglich eingefügt

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 26.01.2018, 17:35

Hallo Hetti,

Deinen Kommentar finde ich sehr interessant. Ich denke, der Autor meint weniger das Wort im Sinn von Sprache, sondern die Wörter (Plural) im Sinn der Literaturarbeit. Letztendlich ist beides Kommunikation, ja. Ich erinnere mich, dass der Autor in seinen Textüberschriften oftmals Fremdwörter benutzt, geologische oder griechische, beispielsweise, manchmal sogar griechische Buchstaben. Und dass er über Reisen schreibt. Daher denke ich, dass der Wind eher aus der touristischen als aus der terroristischen Richtung weht. Also eher auf das innere Haus zielt als auf die nationalistische Heimat. Aber vielleicht irre ich mich.


Ahoy

Pjotr

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 26.01.2018, 21:16

Gefällt mir gut. Asphalt, Stadt, das harte "weist" und die wartenden Raben lassen das "nach hause" für mich nicht positiv, heimatlich, heimelig wirken. Die Fremdwörter lassen Silbe für Silbe andere Landschaften sehen, vielleicht das, was Heim sein könnte, wir nähern uns, doch am Ende wohnen wir dort nicht. Gedichte sind keine Märchen. Scheint das Gedicht zu sagen. Und das Leben auch nicht.
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

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Werner
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Beitragvon Werner » 31.01.2018, 21:21

@Niko: Also der sich wiederholende Titel ist nur dem Titelfeld des Forums geschuldet. Denk Dir also den Titel im Titelfeld weg und den ersten Vers als Titel fettgedruckt.

@Hetti: Heimat ist ein sehr vorbelasteter und überladener Begriff. Was soll das sein? Wo jemand geboren wurde, womöglich schon seine Vorfahren, wo er aufgewachsen ist, lebt, zur Schule ging, Freunde hat, arbeites usw.? Oder nur eine Sehnsucht in einem drinnen, ein vages, unbestimmtes Gefühl, dem man den Begriff Heimat gibt? Fremdwort ist jedes Wort in einer anderen Sprache, egal in welcher, ein deutsches Wort im Polnischen, ein lateinisches im Englischen usw. Von Böse ist ja hier keine Rede, auch nicht von bösen Fremden. Ausländer oder "Fremder" ist man überall, wenn man nicht gerade im "eigenen" Land ist, z.B. ein Niederländer im Urlaub in Italien usw. Schon ein Begriff wie "im eigenen Land" stimmt ja nicht! Gehört einem dieses Land? Wir sollten viel bewusster mit Sprache umgehen, mit den Wörtern und Begriffen, die wir benutzen. Manchmal kommen die deutschen Wörter, die ich oft und viel oder auch selten benutze, sehr fremd vor. Ich sitze am Arbeitsplatz mit einem syrischen Bauingenieur (aus Aleppo) in einem Zimmer. Er ist zwar auch Deutscher und schon lange in Deutschland, hat hier vor knapp 30 Jahren promoviert und ist verheiratet (also kein Flüchtling), und ab und zu fragt er mich nach der genauen Bedeutung eines deutschen Wortes, das ihm nicht geläufig ist, und dann stehe ich manchmal wie der Ochs vorm Berg, es ihm zu erklären, den Sinn, die Bedeutung, die Herkunft, den Zusammenhang des Gebrauchs usw (manche Wörter werden in bestimmten Zusammenhängen unterschiedlich gebraucht oder haben unterschiedliche Bedeutungen, z.B. schon ein einfaches Wort wie Schloss / Schloß usw.). Die deutsche Sprache ist voll von seltsamen Wörtern, manchmal kamen sie aus anderen Sprachen und wir halten sie für urdeutsche Wörter (z.B. Guten Rutsch, lernte ich kürzlich, das aus dem Hebräiuschen kommt, das hebräische Original kriege ich jetzt nicht mehr hin). Insofern hast Du mit Austausch und Kommunikation recht, sie ist ein Problem und bedarf genauer Betrachtung. Die vermeintlichen "Fremdwörter" können uns auch zum Kern der "eigenen" Sprache (nach Hause, an den Sitz unserer sprachlichen Begrifflichkeit) führen.

Was sollten wir für verschiedene soziokulturelle Erfahrungen haben. Ich wuchs in Karlsruhe auf und lebe fast mein ganzes Leben lang in Baden.

@Pjotr: Ja, wir sind alle immer irgendwie unterwegs. Das können auch innere Reisen sein. Wir müssen uns ja nicht immer in einen Flieger setzen und für zwei Wochen zum Schwimmen auf die Seychellen hüpfen.

@Ylvi: ein gutes Herantasten, danke sehr.

Es geht hier um Literatur, um ihr Material die Sprache, deren Bausteine die Wörter, und deren Beziehung zu uns zur Umwelt um uns, zu den Dingen, um Begrifflichkeit, das wir (nur) über Sprache, Wörter, Literatur erfahren?!

Danke an alle für die zum Nachdenken anregenden Kommentare.


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