Mein Ur-ur-Großvater

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Kurt
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Beitragvon Kurt » 25.06.2018, 15:44

Mein Ur-ur-Großvater

ist ein störrischer Mann;
er schreibt mir das Wort LEBEN
auf die Rückseite seines
Pflegeplanes, zeichnet Kreise
umzu mit Clusterverbindungen
zu Tier- und Pflanzennamen;
auch seine längst verstorbenen
Wellensittiche trägt er ein.
Man hat ihm eine Frau zugeteilt.
Sie bekocht und bewirtet ihn, ist
freundlich, erfüllt ihm seine Wünsche.
Wenn sie ihn übers schüttere Haar
streichelt, schwärmt er von ihrer
glatten Haut, der angezüchteten.
Dennoch will er seine ehemalige
Pflegerin zurück, eine aus 100 % Fleisch
und Blut, obwohl sie ihm gegenüber
gleichgültig erschien, ohne Bindung.
Er sträubt sich auch gegen das Dasein
seiner Wellensittiche, die mit Technik
ausgestopften neues Leben simulieren,
verdammt ebenso die Pflanzen in seinem
Zimmer, die erblühten Künstlichen.
Sie passen nicht in sein Cluster.
"Wir befinden uns stets mitten im Weltgeschehen, tun aber gerne
so, als hätten wir alles im Blick." (Kurt)

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Hetti
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Beitragvon Hetti » 26.06.2018, 15:41

Eine bedrückende Dystopie.
Ich wusste gar nicht, dass du Wellensittche hast.
Viele Grüße
Hetti


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