deine augen hingegen

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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birke
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Beitragvon birke » 12.03.2019, 11:41

.

und dann rinnt mir alles unaufhaltsam durch die finger,
wie kann es sein, dass eine liebe einfach eine andere
liebe kompensiert, erklär es mir, doch du hast angst
vor den gefühlen, siehst du, sie sind nicht einfach weg, sie rinnen dir am körper herab,
du stehst stumm da, in deinen augen diese unaussprechlich schmerzliche
sehnsucht, siehst du, ich kann ja auch nichts dafür, aber ich weiß, dass die liebe in jedem augenblick
um deine hand anhält und sie spricht mir zu, da kannst du gar nichts machen, dich herauswinden
würde nichts bringen, denn dein inneres weiß längst
um die sanfte gefahr, deine worte
strafen dich lügen, deine augen hingegen
mein offenes buch
und die tinte rinnt

.
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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 12.03.2019, 13:06

Das "Rinnen" klingt originell, finde ich, ist nachfühlbar durch mehrere Sinne; Tasten, Sehen, Hören. Aber ich verstehe nicht das Kompensieren einer Liebe mittels einer anderen Liebe. Es ist ja beides positiv. Muss eine Kompensation nicht ein Gegenteil aufheben, also in diesem Fall einen Liebesentzug? Oder Liebesentzug kompensiert zuviel Liebe. Oder Liebe kompensiert zuviel Liebesentzug. Aber: Liebe kompensiert Liebe? Wohin geht die Kompensation? Zu noch mehr Liebe? Dann ist es eher eine Addition als eine Kompensation, oder? Oder ist "Ersatz" gemeint? Die eine Liebe ersetzt die andere?

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birke
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Beitragvon birke » 12.03.2019, 17:00

gute fragen, pjotr, danke.
ja, in richtung ersatz oder ausgleich geht es schon… und da es ja ganz verschiedene „liebe“ oder liebesbeziehungen bzw. qualitäten von liebe(sbeziehungen) gibt, (es gibt solche, die beiden partnern gut tun, die auf augenhöhe sind, im gleichgewicht, aber auch solche, die zerstörerisch sind für einen von beiden zb) denke ich schon, dass man hier von einer kompensation sprechen kann… in welcher weise auch immer.
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Beitragvon Pjotr » 12.03.2019, 17:50

Wenn es um den Ausgleich unterschiedlich hoher Liebesqualitäten geht, macht der Text das mit dem Wort "Liebe" allein nicht ersichtlich, finde ich. Der Liebesbegriff für sich ist schon hochwertig, wenn er nicht mit zusätzlichen Adjektiven unterschiedlich gestuft wird. Das ist jetzt aber nur mein erster Leseeindruck. Wenn man mal weiß, wie es gemeint ist, dann weiß man, wie es gemeint ist.

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Beitragvon birke » 12.03.2019, 18:08

hm, nein, es muss nicht (nur) darum gehen, ich sehe es durchaus auch weiter gefasst, deshalb würde ich es gern möglichst offen/ vieldeutig lassen... immerhin hat die formulierung in dir ganz feine gedankengänge ausgelöst. ;)
oder ist es zu verquer...?
danke nochmals!
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Beitragvon Pjotr » 12.03.2019, 18:31

Verquer finde ich es nicht, inhaltlich. Beim ersten Lesen war es in meinen Augen eher ein schreibhandwerkliches Problem.

So ähnlich wie in: "Wie kann es sein, dass das eine Feuer das andere Feuer abkühlt?"
-- Hitzeausgleich geschieht ja durch Kälte. Aber Feuer ist nicht kalt. Also passen die Begriffe handwerklich nicht.

Oder: "Wie kann es sein, dass das eine Eis das andere Eis erhitzt?"
-- Kälteausgleich geschieht durch Hitze. Aber Eis ist kein Feuer. Also passen die Begriffe handwerklich nicht.

Ich denke, der Text ist nicht genau genug, um gleich beim ersten Lesen verstanden zu werden. Aber jetzt weiß ich, wie es gemeint ist. Andererseits weiß ich nicht, ob ich ohne Deine Erklärung von selbst darauf gekommen wäre :-)

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Beitragvon birke » 12.03.2019, 18:40

ja, verstehe :)
andererseits wird ja auch genau das in frage gestellt: ist das überhaupt möglich? "wie kann es sein, dass...?"
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Beitragvon Pjotr » 12.03.2019, 18:59

Dann stammt der Inhalt dieser Frage also nicht von der fragenden Person, sondern von der Aussage einer anderen Person? Die fragende Person wiederholt also nur die Aussage und hängt ein Fragezeichen dran?

Person A sagt: "Diese Liebe kompensiert mir die andere Liebe."
Person B fragt: "Wie kann es sein, dass diese die andere kompensiert?"

In dem Fall kann ich die Frage von B natürlich vollkommen nachvollziehen, da ich mir dieselbe Frage stelle :-)

Aber ich kann sie dann auch beantworten. Person A will folgendes sagen:
"Diese starke Liebe kompensiert mir die andere, schwache Liebe."

Oder: "Diese zusätzliche Liebe kompensiert mir meinen Liebeshunger, den die andere Liebe nicht allein befriedigen kann."

Also: "Wie kann es sein ...?" -- Durch diese Adjektive kann es sein. Durch sie macht der Kompensationsbegriff erst Sinn -- schreibhandwerklich.

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Beitragvon birke » 12.03.2019, 22:10

ja :)
also kann es sein, unter bestimmten voraussetzungen. die der leser mit adjektiven füllen kann... oder so... ;) also, du, pjotr, auf jeden fall. spannend.
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