Zwillingsparadoxon

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Kurt
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Beitragvon Kurt » 26.04.2019, 11:17

Zwillingsparadoxon

Blick in den Spiegel
gegenüber das Elend
bin nicht ich oder doch
"Wir befinden uns stets mitten im Weltgeschehen, tun aber gerne
so, als hätten wir alles im Blick." (Kurt)

Klara
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Beitragvon Klara » 26.04.2019, 14:01

Ein Haiku - schön :-)

Den Titel braucht es m. E. gar nicht (zumal ich nichts Paradoxes in den Zeilen erkennen kann und Zwillinge mit ihnen nichts zu tun zu haben scheinen). Oder wenn unbedingt ein Titel sein muss, dann vielleicht eher "Reflexion". Darin wäre auch das (leidvoll) Gebeugte, oder? Wenn man will...

Herzlich
Klara

Kurt
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Beitragvon Kurt » 26.04.2019, 14:53

Ja, ich müsste wohl einen kleinen Text draus machen. So ist es nur für mich geschrieben, mein alltägliches Zwillingsphänomen. Kommt ja aus der Physik, ranken sich viele Fantasien rum. Könnte im Prinzip so gewesen sein, als der Mensch sich erstmals vielleicht im Wasser gespiegelt erkannt hat, und es sich nicht erklären konnte, gleichzeitig zu sein, einmal im Wasser und am Ufer. Von Reflexionen wusste der noch nichts.

LG Kurt
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Klara
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Beitragvon Klara » 26.04.2019, 14:58

... ich schätze mal, von Reflexion wusste welcher mythologische Mensch, z. B. Narziss, auch immer mindestens so viel wie vom Paradoxon.

https://de.wikipedia.org/wiki/Reflexion_(Physik)

:-)

Kurt
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Beitragvon Kurt » 26.04.2019, 15:31

Ha, ha, ha, nun ja und noch eins: Die Physiker melden ja, dass die Beobachtung selber Einfluss hat. Ist nicht anders, als wenn ich vorm
Spiegel stehe; schaue ich hinein bin ich doppelt. ;):

LG Kurt
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Kurt
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Beitragvon Kurt » 21.05.2019, 15:36

Na ja, Klara, die Wissenschaftler sind Beobachter. Was aber nun, wenn einer sein Bein verliert; sagen wir mal zu viel geraucht oder so, egal. Dieses appe Bein steht nun in der Charite herum, während der Wissenschaftler sich in New York aufhält und sich dort gegen die Schmerzen in dem besagten Bein behandeln lässt. Ist es eine Fernbehandlung. Natürlich nicht; das weiß auch unser Herr und das sein Gehirn ihn einen Streich spielt. Und spielen einen die eigenen Spiegelneuronen nicht auch einen Streich, wenn man den Schmerz des Anderen mitfühlt bzw. nachempfindet. Und kann eine Beobachtung nicht ebenfalls zur Täuschung führen, wenn sich Nanowelt und Makrowelt überlichten?

LG Kurt
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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 21.05.2019, 17:19

Meiner Ansicht nach besteht das Wort Mitgefühl aus zwei Teilen: "Mit" + "Gefühlsqualität".

Der zweite Teil, die Qualität an sich, also zum Beispiel die Schmerzqualität an sich, ist, wenn sie da ist, tatsächlich da. Diese Qualität an sich, ihr Dasein, kann nicht unwahr sein, sondern nur wahr, weil sie kein Symbol für etwas anderes ist, sondern umgekehrt: Sie ist der Anlass, Symbole für sie zu erzeugen, sofern man das überhaupt tun will. Diese Symbole (beispielsweise eine Aussage über jene Qualität) kann unwahr sein, also eine Lüge oder Irrtum sein, nicht so aber die Qualität an sich, weil sie das Objekt der Aussage ist. Der Schmerz ist da, wenn er da ist. Zweifellos. Egal ob er im "Traum", im "Kino", im "Hospital", oder sonstwo stattfindet. Der Schmerz an sich ist noch keine Aussage, und wo keine Aussage ist, stellt sich auch nicht die Frage der Wahrheit oder der Täuschung. Wahrheit ist, wenn die Aussage über ein Etwas übereinstimmt mit dem tatsächlichen Etwas. Wenn ein Jammerton einen Schmerz symbolisieren will, aber dieser Schmerz an sich tatsächlich nicht stattfindet, dann ist dieses Symbol unwahr; es ist nicht authentisch, es ist eine Täuschung. Wenn aber dieser Schmerz tatsächlich stattfindet, dann, wie gesagt, dann ist er da. Man kann dann währendessen ein Symbol erzeugen, ein Text, Bild, oder Laut, und nur dieses Symbol -- nur das -- kann dann eventuell unwahr sein.

Und der erste Teil, die Vorsilbe "Mit", will aussagen, dass die Schmerzqualität, die der Aussagende tatsächlich fühlt, identisch sei mit der einer anderen Person, die der Aussagende gerade beobachtet. Diese Aussage kann wahr oder unwahr sein. Sie ist unwahr wenn die Schmerzqualität des Aussagenden anders ist als die Schmerzqualität der beobachteten Person. All diese unterschiedlichen Schmerzqualitäten an sich, jenseits aller Symbolik, können aber nur Tatsache sein. Man kann so eine Qualität ja nicht einmal mit Worten beschreiben. Man kann sie immer nur um-schreiben, anhand von Metaphern. Ein "stechender Schmerz" -- dieses "Stechen" ist eine Metapher einer ins Fleisch gestoßenen Nadel; dadurch kann der Zuschauer die dargestellte Schmerzqualität nur erahnen. Die Schmerzqualität an sich ist dadurch nicht be-schrieben, sie ist nur durch einen Verweis auf ein anderes Beispiel angedeutet. Ebenso verhält es sich mit anderen Qualitäten wie Farben oder Gerüchen etc. Nichts davon ist beschreibbar. Jeder Versuch einer Beschreibung endet in einem metapherösen Beispiel. Kein Beispiel gibt exakt die Qualität von "Blau" oder "Salzig" oder "Trauer" wieder. Diese Qualitäten können nur sich selbst sein. Und dazu ist auch kein Selbstbewusstsein nötig. Denn Selbstbewusstsein ist nur eine weitere, unbeschreibliche Qualität, die neben den anderen Qualitäten stattfinden kann. Wenn Schmerz stattfindet, oder Blau, oder Salzig stattfindet, -- kann auch -- Selbstbewusstsein stattfinden. Muss aber nicht. Meiner Ansicht nach.


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