gebet einer agnostikerin

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birke
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Beitragvon birke » 07.04.2021, 22:22

.

ich schicke fragen
gen himmel und zur erde
an jeden vogel
zur ameise im gras
zum fisch im wasser
und bitte um gefühl
für jedes geschöpf
um verstand
dinge (sein) zu lassen
und dinge zu ändern
ich tauche in die weite des waldes
und finde kraft
in jedem baum
in dir in mir
für mich für dich für
jedes geschöpf
bitte ich um
sanftmut


.
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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 10.04.2021, 12:30

birke hat geschrieben:ich lausche euch gern. :)

zum „nichts“ – da teile ich eure gedanken: was ist denn „nichts“? letztendlich glaube ich, dass es nicht „nichts“ gibt – nur unendlich (?!) vieles, was außerhalb unserer vorstellungskraft liegt.

zum heimat-gedanken, pjotr, bei mir ist es so, dass ich heimat mit keinem bestimmten ort verbinde, allenfalls mit dem gefühl zu einem bestimmten ort. deshalb habe ich viele "heimaten" - gibt es da überhaupt einen plural? vorgesehen ist das wohl eher nur im singular. ;) so nach dem motto, es kann nur eine heimat geben? sehe ich aber nicht so. auch so ein weites feld dieses thema!

noch etwas: habe gestern eine kleine dokumentation über hildegard von bingen gesehen, über sie und ihre orte, bingen etc – sehr schön, orte, die ich gern mal aufsuchen möchte. dort wurde in etwa folgendes gesagt, hildegard sah die menschen als eine art „mitarbeiter“ gottes – die menschen sollen die schöpfung, die erde pflegen und schützen. den gedanken finde ich an sich schön und auch nachvollziehbar. überhaupt eine interessante person, mit interessanten gedanken.

lieben gruß an euch!

Den Heimatbegriff sehe ich nicht als Ortsbegriff.

Verstehe übrigens nicht, warum manche behaupten, im Englischen gäbe es keinen Heimatbegriff.
"My home is my castle" lese ich zum Beispiel nicht als "My house is my castle".
Home = Heimat
House = Haus

"Daheim" im Sinn von "bin gerade daheim im Bad" lese ich als Metapher für "zuhause". Ebenso bei "at home".

Wenn jemand im Wohnzimmer sein Feierabendbier genießt und sagt: "Jetzt bin ich daheim", dann lese ich das "daheim" als "jetzt fühle ich mich geborgen". Heimat als Geborgenheitsort. Der Ort als Metapher.

Ich denke, man kann mehrere Geborgenheitsorte haben. Alle zusammen kann man, singular, als Heimat bezeichnen. Die Heimat ist für mich eine singuläre Gefühlswelt, keine physikalischen Orte.

Der Turnverein oder eine Religion können auch eine Heimat sein.

Das Wesentliche der Heimat ist, meiner Interpretation nach, ihr Unterschied zur Nichtheimat. Es geht also um Bindung und Entbindung. Wie viele das sind, ändert nichts an diesem Dualismus per se, oder?


Ahoy

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birke
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Beitragvon birke » 10.04.2021, 13:28

ja, stimmt. ich sehe das/ empfinde da ganz ähnlich - heimat ist für mich auch nicht per se ein ort, sondern kann alles mögliche sein. :)
und ja, das englische "home" bezeichnet für mich auch viel mehr als ein haus.
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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 10.04.2021, 13:57

Ich fühle mich mit allen Dimensionen des Universums verbunden. Ich liebe das, vertiefe mich darin, brauche keine Wände. Trotz meiner Liebe, nenne ich all das nicht "Heimat", weil dieser Begriff ein Wandbegriff ist. Sobald dieser Begriff auftaucht, bauen sich Wände auf. Ich kann mich nicht durch Wände vertiefen.

Quoth
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Beitragvon Quoth » 11.04.2021, 18:53

Hallo Birke, ein schöner Text - doch agnostisch ist er für mein Gefühl nicht, das beweist z.B. das Wort "Geschöpf". Für mich verweist er auf einen frommen Juden, der aus seiner Gemeinde ausgeschlossen wurde, weil er u.a. gesagt hatte "deus sive natura", Gott also mit der Natur gleichgesetzt hatte, den Vater des Pantheismus, Baruch Spinoza. Gruß Quoth
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.

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birke
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Beitragvon birke » 12.04.2021, 12:37

hallo quoth,
ja, wäre da nicht der titel, dann könnte das sogar zutreffen … und ein wenig pantheismus schwingt hier tatsächlich vielleicht mit. ich denke aber, es ist auch legitim für eine/n agnostiker/in, begriffe wie „geschöpf“ oder „gebet“ zu verwenden und sich der natur zuzuwenden. agnostizismus ist ohnehin aus meiner sicht eher weitgefasst, da eine art „nicht-wissen“ (um einen gott/ etwas göttliches) im vordergrund steht. danke dir,
mit liebem gruß, birke
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