Skulptur im Raum

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Cornelia

Beitragvon Cornelia » 02.06.2006, 20:20

Im Sträflingsanzug
mit schiefen Gliedern,
stellenweise kleinkariert
steht ein linkischer Mensch
mitten im Raum -
hält seine Farben versteckt
Zuletzt geändert von Cornelia am 03.06.2006, 15:14, insgesamt 1-mal geändert.

Louisa

Beitragvon Louisa » 03.06.2006, 01:52

Hallo Cornelia,
diese Skulptur, falls es sie denn gibt, würde ich gern einmal sehen. Ich grüble noch, was mir die Dichterin damit sagen will.

Ein Mensch (bzw. sein Abbild), der etwas verbrochen hat (Sträflingskleidung) ist kleinkariert, also sehr penibel und genau...oder vielleicht "spießig" ?

Er ist zudem auch noch linkisch, also ungebildet oder unreif und "hält seine Farben versteckt", also vielleicht seinen wahren Charakter?

-Die Wortspiele gefallen mir sehr gut, aber eine kleine Erklärung würde mir sehr weiterhelfen.

Vielleicht liegt mein mangelndes Verständnis aber auch an der späten Stunde...

Eine gute Nacht und schöne Träume, louisa

Jürgen

Beitragvon Jürgen » 03.06.2006, 08:22

Hallo Cornelia

Die Sträflingskleidung habe ich eher als Bild für derbes, schmuckloses Äußeres und innere Gefangenschaft zum Anderen gesehen. Die Farben, die versteckt werden, sind vermutlich Talente, Vorzüge, positive Wesensmerkmale, die der linkische Mensch nicht zeigt. Wenn gesellschaftliche Ängste das Motiv sind, passt das kleinkariert. Solche Leute sind manchmal sehr kleinkariert, auch gegen sich selbst.


Ich denke vor dem Sträflingsanzug müßte ein "Im" stehen, also:
Im Sträflingsanzug...
steht ein linkischer Mensch

Beim Titel geht es mir ähnlich wie Louisa. Kriege den Zusammenhang höchstens erahnend hin.

MfG

Jürgen

Gast

Beitragvon Gast » 03.06.2006, 11:03

Hallo Cornelia, du spielst mit Wortwendungen, ohne dass du dir darüber im Klaren zu sein scheinst, dass eine Skulptur, z. b. nicht kleinkariert denken kann...
Mir fehlt auch der Bezug zum Titel, oder aber zum Inhalt ein anderer -...

Denn auch linkisch und farbenversteckend kann eine Skulptur nicht sein...
Du hast der von dir beschriebenen Skulptur menschliche Wesenszüge zugedacht, nehme ich an.

Liebe Grüße
Gerda

Louisa

Beitragvon Louisa » 03.06.2006, 11:44

Hallo Gerda,
da muss ich ein bisschen verteidigen: Eine Skulptur mit Sträflingskleidung kann durchaus ein kleinkariertes Muster darauf tragen. Das dieses dann noch weiter gedeutet wird, nannte ich "Wortspiel".

Linkisch- Naja, vielleicht sieht man das seinem Gesichtsausdruck an.

Wahrscheinlich ist die Figur farblos (hat nicht alles ein Farbe?)....sagen wir bunt-los und auch das kann man wieder weiter interpretieren.

So ist es wohl gemeint, glaube ich. Also im Prinzip habe ich kein Problem mit diesen Atributen, aber insgesamt finde ich den Bezug zum titel auch nicht so richtig.

Liebe Grüße, louisa

Louisa

Beitragvon Louisa » 03.06.2006, 11:48

Mir kommt da gerade so eine Idee: Vielleicht ist das ein Mensch, der sich in seiner Umelt (oder in seinem Raum) gefangen fühlt und immer seinen alten Denkmustern treu bleibt.

Durch dieses Musterdenken wird er aber farblos ("Mann ohne Eigenschaften") und kommt sich vor wie ein Abbild seiner selbst, weil er sein wahres Ich nicht ausleben kann.

Ist es so gemeint ?

Gast

Beitragvon Gast » 03.06.2006, 11:49

Liebe Louisa und liebe Cornelia, :smile:

linkisch ist kein Gesichtsausdruck sondern eine Art sich zu bewegen, noch nicht mal die Haltung an sich, sondern das Verhalten oder das sich Anstellen beim Tun.

"Kleinkarierte Doppeldeutigkeit" ;-) ergibt sich ausschließlich, wenn das Wortspiel zutrifft.
Das kann es aber nur wenn es sich um einen Menschen handelt.

Das Gedicht hat keine Schwebe- oder Märchenebene nach meiner Meinung

Liebe Grüße
Gerda

Louisa

Beitragvon Louisa » 03.06.2006, 11:51

hast Du meine letzte Deutung schon gelesen? Demnach ist es ein Mensch, der sich von sich selbst entfremdet hat.

Grüßlein, louisa

Gast

Beitragvon Gast » 03.06.2006, 11:58

Jetzt ja, könnte sein,
bleibt dann der itrreführnden Titel, wie du angangs erwähnt hast, liebe Louisa. Danke
LGG

Louisa

Beitragvon Louisa » 03.06.2006, 12:03

Kein Bedanken nötig, ohne Dich wäre ich bei meiner alten Deutung geblieben.

Will die Diskussion ja nicht zu weit ausdehnen, aber dann wäre der Titel doch eigentlich klar.

Skulptur = Abbild seiner selbst bzw. selbst-entfremdeter Mensch

Raum = Umwelt, in der er gefangen lebt.

Grüßlein, louisa

Cornelia

Beitragvon Cornelia » 03.06.2006, 15:14

Hallo Gerda, Louisa und Gurke,

ich freue mich, zu lesen, wie die "Skulptur im Raum" die Phantsie anregt. Genau das soll sie auch - und, es gibt sie wirklich, die Skulptur, in der Johann-Adams-Mühle in Tholey (das ist ein Kurort )
Gurke, natürlich muss es "Im....heißen, im ersten Satz. Ich hab´s beim Tippen vergessen - hol ich aber sofort nach.

Mit lieben Grüßen
Cornelia

Iris

Beitragvon Iris » 04.06.2006, 07:52

Hallo ihr, will meine Gedanken auch noch schnell dazugeben, vielleicht ists einer, der gerade fürs Wachsfigurenkabinett Modell steht und schon selbst fast zur Skulptur geworden ist, das kommt bem Modellstehen vor, ;)
und dann gibt es seit Joseph Beuys auch lebendige Skulpturen und nicht nur das, es gibt in der modernen Familientherapie soziale Skulpturen und dann kann es nur ein "A"sozialer sein, denn er ist allein eingesperrt, oder ein Clown ...

Liebe Grüße
Iris

Gast

Beitragvon Gast » 04.06.2006, 11:57

Liebe Louisa, liebe Cornelia, Lieber Jürgen,

eine Skulptur ist in erster Linie nicht das Abbild eines Menschen sondern eine Bildhauerarbeit.
Diese kann einen Menschen darstellen, ja...
Aber auch "tausend" andere Dinge...
Aber sie ist "Kunst"werk?
Wenn ich also "Skulptur im Raum" als Titel lese, stelle alle mögliche vor, zunächst. werde dann aber vom Gedicht auf einen Menschen gelenkt

Für mich bleibt nach wie vor die Frage offen, wie das Wortspiel wirken kann, wenn es sich um eine Skulptur handelt.

Ein schönes WE
Liebe Grüße
Gerda

Cornelia

Beitragvon Cornelia » 04.06.2006, 18:09

Liebe Iris, liebe Gerda,


In einem zum Austellungraum umgebauten Teil einer alten Mühle steht tatsächlich ein Betrachter aus Beton mitten im Raum. Er ist schwarz-weiss bemalt mit Streifen und kleinen Karos. Diese Figur steht linkisch da und betrachtet skeptisch die ausgestellten Bilder. Ich denke, dass andere Besucher auch ähnliche Eindrücke wie ich von diesem Betrachter haben.
Der Künstler hatte eine geniale Idee mit dieser Figur.


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