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Mensch und Dichtung

Verfasst: 29.12.2025, 21:53
von Mnemosyne
Mensch und Dichtung

Es ist nicht ohne Ironie,
dass das wohl einz'ge Wesen, welches dichten kann,
ausgerechnet für sich selbst ein Wort ersann,
auf das, so sagt man, sich nichts reimt
endet die Zeile drauf, ist man geleimt,
wer solches tut, schießt dichtend sich ins Knie.

Nun, mit Verlaub, ich lege Einspruch ein
denn gar so hoffnungslos scheint mir die Lage nicht
und ist man geradezu darauf erpicht
die Klippe anzusegeln, statt sie zu umschiffen,
so mag, mit einer handvoll Kniffen
die nächste Zeile wohl gefunden sein.

Zum ersten: Wenn man leicht verwaschen spricht:
Landet einem doch einmal ein Mensch
am Zeilenende, spricht man rasch: "Den kenn'sch
doch sehr gut, denn mit dem penn'sch!"
Doch Schluss mit dem Genuschel – denn sonst flenn'sch.
Auf diesen Kunstgriff üb' ich gern Verzicht.

Zum zweiten helfen halbe Worte mehr als ganze
gerätst Du also in die Enge, Mensch
dann zieh' doch einfach einen Trens-
trich, nimm den nächsten Zug nach Ensch-
ede, schau bisweilen aus dem Fensch-
der, freue dich deines Erfolgs und tanze!

Zum dritten gibt es mehr als eine Sprache
und steht – trotz aller Vorsicht – mal ein Mensch
wo er nicht hingehört, führt man ihn auf die Ranch
bedeckt ihn fürsorglich mit einem Trench-
coat, (und wenn Englisch noch nicht reicht, versuch es French)!
-- So nimmst du an dem Widerborst'gen Rache.

Drei Wege hab ich dir gezeigt,
wie doch am Ende der Mensch sich füglich an das Ende fügt
wenn man stilistisch nur ein klein wenig betrügt
Nur zu – nur Mut! Es wird schon keiner merken
fehlt dir der Mut, magst du mit Wein ihn stärken.
Gebrochen ist der Bann, oh Mensch, nun setze
dich nieder, wo du willst – auch auf die hint'ren Plätze!
Und sei zufrieden -- bis der Leser streikt.