hallo louisa,
ich hoffe, du hast dies gedicht noch nicht ganz weggelegt. es gefällt mir in seiner ganz eigenen erzählweise.
sicher, man kann argumentieren, daß gedichte "verdichtet", also komprimiert sein müssen. aber ich bin in letzter zeit auch wieder davon abgekommen, alles immer noch mehr zu verkürzen. auch ein gedicht darf erzählen, meine ich, und dabei auch aus dem vollen der worte schöpfen.
mir gefällt, daß du das hier (zumindest in der ersten strophe) tust.
woran ich etwas arbeiten würde wäre die form.
ich würde die vielen leerzeilen wegnehmen - das erzählerische durch längere strophen unterstützen, anstatt es immer wieder zu unterbrechen.
hier z.b.
Wir hingen an unseren Tagen
am selben blassgrünen Strang.
Wir hörten die Hoffnung zwischen uns
im Verzweigten rascheln und rauschen.
Und wenn ein lauer Herbstwind kam
und meine dünne Haut an Deine glitt,
bebte die Berührung nächtelang in mir nach.
diese strophe ist mir persönlich die stärkste in deinem text. sehr schön finde ich "im verzweigten" - das ist so viel mehr als "die zweige" und würde ich unbedingt belassen. überhaupt erzählst du hier ganz wunderbar. an dieser strophe würde ich gar nichts geändert haben wollen, sie hat rhythmus und melodie und einen schönen, gefühlstiefen inhalt.
Wir hingen an unserem Augenblick
umgeben von verblühendem Land.
Selbst die hungrigen Raaben und Krähen
fanden uns nicht im Dickicht der Stunden.
auch das ist noch schön, geht ein wenig schwächer, aber dennoch ähnlich weiter wie du in der ersten strophe begonnen hast. (ich habe es formal auch wieder zusammengerückt.)
doch dann ist ein bruch - für mich.
Doch einmal kam ein kalter Orkan
und die Blätter fingen zu flattern,
mit unserer Hoffnung zu fallen an
und der Sturm, es war nur ein Wind -
Der zerschnitt unseren blassgrünen Strang…
zum einen viele worte ohne wirklich viel zu sagen (verzeih!), dazu ein "kalter orkan", "der sturm" wird aber eigentlich "nur ein wind" war - das paßt irgendwie nicht.
ich denke, einen bruch willst du beschreiben - hinaus aus der beschaulichen nähe, auseinander gerissen zu werden - das ist ein bruch im leben.
aber die bilder, die worte sind mir zu schwach für das starke ereignis.
hier ist die stelle, die für mich noch arbeit vertragen kann, ja, bearbeitung braucht.
das ende
Ich schaue hinab, aber finde Dich nicht am Grund
ich schaue hinauf, aber sehe nur die Erinnerung –
Die Äste sind kahl, die Lüfte sind kühl
jeder Tag schmeckt gealtert und schal
ohne Dich.
wird wieder stärker, es fehlt aber die sprachmelodie, die ich am anfang fand. das mag nun wieder zur trostlosen situation passen, die beschrieben wird. immerhin ist es nicht mehr leicht und fließend, das leben, sondern abrupt beendet, einsam. insofern hat auch der veränderte rhythmus seine berechtigung.
ich würde auch hier die leerzeilen weglassen, auch die letzte, weil sonst das "ohne dich" noch mehr/zuviel gewicht bekommt. es wirkt schon stark genug dadurch, daß es allein in einer zeile steht und weil alles im letzten teil soweiso darauf hinaus läuft.
ein klitzekleines bißchen störe ich mich noch an dem reim "kahl - schal" und auch "
kahl -
kühl /l
üfte - k
ühl" ragt sprachlich/klanglich aus dem rest des gedichtes heraus. die worte an sich passen zwar alle. doch finde ich sonst an keiner stelle derartige reimfiguren, so daß ich beim lesen daran hängen bleibe.
edit: ich muß mich korrigieren - du hast des öfteren alliterationen verwendet
"rascheln und rauschen" "zu flattern - zu fallen".
allerdings wirken diese anderen stellen auf mich nicht so stark. vielleicht weil nicht so viel auf einmal dort ist?vielleicht kannst du mit meinen eindrücken etwas anfangen.
auf jeden fall würde ich den text nicht völlig verwerfen. dazu ist der anfang zu gut und steckt auch im rest genug potential, noch mehr daraus zu machen.
an einigen stellen habe ich übrigens noch satzzeichen (hauptsächlich kommata) eingefügt, da du sie teilweise, aber nicht durchgängig verwendet hast.
lieben gruß,
kathrin