Seite 1 von 1

verputzt

Verfasst: 11.09.2006, 03:13
von Niko


verputzt


gestern
hielt sie hausputz
kehrte seine stimmweben
aus allen winkeln
sammelte verbliebene wortfetzen ein
auch die
unter den teppich gekehrten
entsorgte sie
mit seinem bild
im glänzenden rahmen
spülte den schmutz
all ihrer (t)räume
weit vor der türe
den rinnstein hinunter
rieb dann mit bitterer lösung
ihre spiegel blank

gestern
hielt sie hausputz
und heute sieht es aus
als hätt´s ihn nie gegeben

Verfasst: 11.09.2006, 11:35
von leonie
Lieber Niko,

ganz spontan: ein gelungenes Gedicht. Besonders gefallen mir die "wortfetzten..., auch die unter den teppich gekehrten".
Für mich könnte die Schlussstrophe wegfallen. Das "Fazit" entsteht im Leser selbst.

Liebe Grüße
leonie

Verfasst: 11.09.2006, 11:57
von Mucki
Hallo Niko,

gekonnt hast du Worte doppeldeutig eingesetzt. Besonders gefällt mir:
"rieb dann mit bitterer lösung", so signalisierst du ihre Zwiespältigkeit.
Zur Schlussstrophe schließe ich mich leonie an, es ist im Text enthalten, kannst du deshalb weglassen.
Gelungen!
LG
Magic

Verfasst: 11.09.2006, 14:05
von Thomas Milser
...das wollte ich auch alles so sagen.

Schönes Ding, Niko. Gefällt mir sprachlich außerordentlich gut.
Tom.

Verfasst: 11.09.2006, 14:21
von Niko
hall allerseits
und erstmal danke für eure kommentare!
den schluss kann und will ich nicht ändern. denn darin liegt eine doppeldeutigkeit versteckt, die ich nicht so einfach aufgeben möchte. "ihn" kann man sowohl auf den hausputz als auch auf ihn, den ex-geliebten beziehen.
mal sehen, was an meinungen noch so kommt.......
lieben gruß: Niko

Verfasst: 11.09.2006, 15:52
von Mucki
gestern
hielt sie hausputz
und heute sieht es aus
als hätt´s ihn nie gegeben


Hallo Niko,

wenn du die Doppeldeutigkeit des Hausputzes drinlassen willst, fände ich das zu trivial. Dein Gedicht hat doch so viel Tiefe, da braucht es das nicht.

Übrigens: im diesem letzten Passus ist ein Widerspruch enthalten, wenn ich den Satz "rieb dann mit bitterer Lösung" dazudenke. Wenn es doch bitter für sie ist, kann es nicht sein, dass es
"heute so aussieht, als hätt's ihn nie gegeben" (wenn ich jetzt mal den Hausputz im wahrsten Sinne des Wortes wegdenke). Er "muss" zwangsläufig noch da sein (in ihrem Kopf), weil es für sie "bitter" ist.
LG
Magic

Verfasst: 11.09.2006, 15:57
von leonie
Lieber Niko,
das sehe ich anders als magic. Dein Argument leuchtet mir ein. Durch die Doppeldeuitgkeit wird die Ambivalenz des Hausputzes erst deutlich.

Man fragt sich doch immer wieder, warum viele Frauen z.B. ihre gewalttätigen Männer immer wieder aufnehmen und es nicht schaffen, sich wirklich zu trennen. Nur ein Beispiel, das mir dazu einfiel...

Liebe Grüße
leonie