Von der Würde

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Last

Beitragvon Last » 15.10.2006, 17:03

Was ich tun würde und
was ich nicht tun würde,
das alles soll meine Würde heißen
und soll mir eine Bürde sein.
Sonst müsste ich auch auf Steine beißen
und mitten in mein Herz hinein.

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 15.10.2006, 19:17

Lieber Last,

Da formulierst Du also Deine eigene Version des kategorischen Imperativs. Beeindruckend.

Gerade fällt mir kein Verbesserungsvorschlag ein. Wahrscheinlich, weil mir der Text schon so gefällt.

:richtig:

Grüße

Paul Ost

Louisa

Beitragvon Louisa » 15.10.2006, 19:53

Guten Abend!

Ich finde sowohl Lasts Text, als auch pauls Vergleich sehr gut!

Der Text ist wirklich großartig, Last! Ich bin davon sehr beeindruckt...Das ist einfach ein tolles Wortgeflecht!

Liebe Grüße,
l.

aram
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Registriert: 06.06.2006

Beitragvon aram » 16.10.2006, 02:41

schöne gute nacht allseits , hallo last! - :tiere0025: das bin ich beim versuch zu verstehen, worauf sich "sonst" bezieht - auf die bürde? solle es ihm nicht bürde sein, müßte das lyr.ich auf steine beißen ... hilfe, ich verstehe das überhaupt nicht, im gegensatz zu den wissenden und zustimmend nickenden kommentatorINNen über mir...

liebe grüße, aram
there is a crack in everything, that's how the light gets in
l. cohen

Gast

Beitragvon Gast » 16.10.2006, 03:13

Ach bin ich froh, dass ich nicht allein nicht verstehe...
Ich habe mir schon ein Lesezeichen gesetzt gehabt um dem Text auf den Grund zu gehen,

lieber last,
aber ich verstehe etwas anderes nicht, nämlich:
warum die Würde eine Bürde sein soll
Würde, wie ich sie verstehe, ist etwas, was nie Bürde sein kann, Würde hat man sie erleichtert manches im Leben.
Oder meinst du die falsche Würde, diese antrainierte unechte, diese Schauspielerei, letztlich die Show, die dann echt einen Bürde ist, weil es der Konzentration auf das Rollenspiel bedarf.?

Liebe Grüße
Gerda

Louisa

Beitragvon Louisa » 16.10.2006, 07:17

Guten Morgen!

(Schlaft ihr auch einmal?)

Also ich "würde" ja mal unwissentlich behaupten, dass er meint: Das, was man tun soll und nicht tun soll ist seine Bürde. Denn wenn er keine Würde hätte, könnte er tun und lassen was er will und müsste sich nichts verbieten.

Da er sich aber etwas verbietet ist es eine Bürde.

So habe ich das verstanden! (Bestimmt falsch...)

Liebe Grüße,
l.

Gast

Beitragvon Gast » 16.10.2006, 12:59

Hallo ihr alle hier,

ich denke, dass man gerade mit Würde im Grunde alles tun und lassen kann, ohne dass es eine Bürde ist...

Würde ist eine Bürde, weil von ihr TUN und LASSEN bestimmt werden

Zwei kontoverse Gedanken über den Begriff der Würde.
Die Definiton des Wortes muss wohl erst einmal festgeschrieben werden, damit wir über denselben Begriffsinhalt sprechen können.

http://de.wikipedia.org/wiki/Würde
und hinzuziehen würde ich persönlich auch noch
http://de.wikipedia.org/wiki/Würde_des_Menschen

Vom Begriff der Würde als Wesenmerkmal ausgehend, kann sie m. E. keine Bürde darstellen.
Menschen mit Würde, in dem von mir verstandenen Sinn stehen über den Dingen, aber lieben sie. (Hat nichts mit Überheblichkeit zu tun).
Ich bin sehr gespannt, iwweil ich glaube, dass hier noch sehr heiß diskutiert werden wird.

Letzlich aber,

lieber Last ,

wirst du uns deine Internion näher bringen müssen, damit wir verstehen warum du es gerade so siehst.

Lieber Paul,

vielleicht kannst du erläutern warum du in Last's Text, Last's persönlichen kateg. Imperativ entdeckt hat. Mir erschließt sich dies nicht.
Aber möglicherweise muss ich die Lehre Kants dazu verinnerlicht haben und nicht nur ein wenig darüber gelesen.


Liebe Grüße
Gerda

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 16.10.2006, 15:36

Lieber aram, liebe Gerda,

Last definiert den Begriff Würde für sich so, dass er bedeutet: Ich will die Dinge tun, die ich für richtig halte, nicht aber die Dinge, die ich für falsch halte.

Die Umsetzung fällt schwer. Man müsste konsequent das Richtige tun. Das ist dann eine Bürde. In den meisten Fällen ist es wesentlich einfacher, gegen die selbstgesetzten Gebote zu verstoßen.

So zumindest verstehe ich Last.

Grüße

Paul Ost

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 17.10.2006, 10:46

Lieber last,
doch -- ich möchte mich Pauls Verständnis anschließen.

aram: Das "Sonst" verstehe ich als "täte ich es nicht"...allerdings finde ich, ist das "auch" zu streichen:

Sonst müsste ich auf Steine beißen
und mitten in mein Herz hinein.


Für mich ist das emotional sofort klar, natürlich ist Würde eine Bürde...seltsam wie verschieden die Empfindungen sein können! Bürde ist ja etwas anderes als Last (<-------------- nicht der user :mrgreen: ).

Ich mag den Text sehr, vorallem, weil du an dieser Stelle eher den Schmerz subblimierst als das Moralische, um eine menschliche Aussage zu tätigen.

Liebe nickende Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Gast

Beitragvon Gast » 17.10.2006, 10:55

Wenn ich das also richtig lese,
liebe Lisa, lieber Paul,
dann seht ihr den Begriff, des kategorischen Imperativs individuell in Worte gefasst.
Was aber wenn ich diesen Begriff gar nicht kenne und nur den Begriff der "Würde" an sich?
Wäre nicht der Begriff der Würde frei davon zu interpretieren?
Mir hört sich das nach "Lehrbuchlösung" an und nicht nach freier Interpretation - bitte verzeiht - aber ich kann dem nicht folgen.
Sicher werdet ihr Recht haben und Last wird es so verstanden wissen wollen , aber ich bin ziemlich ratlos, hätte vielleicht lieber gar nichts dazu meinen sollen.

Wieso, liebe Lisa machst du einen unterschied zwischen Bürde und Last?
Nach dem heutigen Sprachgebrauch kann eine Bürde durchaus eine Last sein.


Liebe Grüße
Gerda

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 17.10.2006, 11:16

Liebe Gerda,

also ich sehe in Lasts Worten nicht den kategorischen Imperativ, sondern Lasts Version davon, die eine andere Variation hat (Schmerz vs. Pflicht) und darum eben so gelungen für mich ist. Paul glaube ich, sieht das in diesem Punkt etwas anders - ich aber halte nicht viel von Kants Lösung*, daher ist sie für mich hier zwar wichtig für die Wirkung des Gedichts auf mich, es schmälert aber die Wirkung des Gedichts nicht, wenn man es ohne Bezug auf den kat. Imperativ sieht, der ja sowieso viel zu schnell klischeehaft abgetan wird mit dem Vergleich auf das Sprichwort: "Was du nicht willst, was man dir tu, das tu auch keinem anderen an"...das ist sicher nicht Kant.

Wieso, liebe Lisa machst du einen unterschied zwischen Bürde und Last?
Nach dem heutigen Sprachgebrauch kann eine Bürde durchaus eine Last sein.


Weil für mich Bürde durchaus eine Last ist, aber nicht nur eine Last. Es ist die schmerzliche Form von Ehre.

Liebe Grüße,
Lisa

* das ist ein polemisches urteil, ich habe das nicht genügend untersucht, um mir das urteil erlauben zu können, aber mein Gefühl steht quer, bei dem, was ich "weiß".
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Herby

Beitragvon Herby » 17.10.2006, 13:47

Hallo Last,

Dein Text gefällt mir sehr gut und beschäftigt mich, weil ich mir nämlich nicht sicher bin, ob ich ihn verstanden habe.
Ebenso bin ich mir noch unsicher, ob ich die von Paul gesehene Nähe zu Kants Kategorischem Imperativ nachvollziehen kann. Habe eben mal in der Wiki nachgeblättert und möchte zur Erinnerung und Orientierung die Kernpassage zitieren:

Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“

Was die Diskussion um die Begriffe „Bürde“ und Last“ betrifft, so hat Lisa eine wie ich finde sehr treffende und kluge Unterscheidung formuliert, wenn sie schreibt:

Weil für mich Bürde durchaus eine Last ist, aber nicht nur eine Last. Es ist die schmerzliche Form von Ehre.

Spannend, diese Diskussion hier.

Danke, Last, für diese Gedankenanstöße und liebe Grüße!
Herby

Gast

Beitragvon Gast » 17.10.2006, 14:39

Hallo Lisa,

deiner Begriffsdefinition von Bürde/ Würde kann ich (immer noch nicht ) folgen.

Nimm mal Herbys Geschichte: Der Alte.
Der Protagonist hat in meinen Augen Würde, obwohl er dasteht und bettelt.
Hier ist nicht die Würde= Bürde, sondern die Lebensumstände sind Last/Bürde.

Die Würde ist das Einzige, was ihn nicht endgültig verzweifeln lässt.
Wo ist hier die Ehre?
Meinst du, dass einem Menschen in einer solchen Situation, die Würde weh tut, als Bürde scheint?

Liebe Grüße
Gerda

… ich weiß ich bewege mich auf einer völlig anderen Ebene, aber ich meine diese Sicht zu überdenken kann nicht schaden…

lichelzauch

Beitragvon lichelzauch » 18.10.2006, 13:00

Spannend!

Frage hat geschrieben:- :tiere0025: das bin ich beim versuch zu verstehen, worauf sich "sonst" bezieht - auf die bürde? solle es ihm nicht bürde sein, müßte das lyr.ich auf steine beißen ... hilfe, ich verstehe das überhaupt nicht


Hat mich auch rausfallen lassen...

Antwort? hat geschrieben:aram: Das "Sonst" verstehe ich als "täte ich es nicht"


Als "täte ich" was nicht? Das lyr. Ich tut ja nichts, außer sich eben seine W/Bürde zu definieren... ich kann das auch nur wie aram verstehen, aber mir ist das hier zu undeutlich, obs sich nun nur auf die Bürde oder insgesamt auf die Würde/Bürde bezieht (würde aber eher dazu tendieren, dass es sich auf beide mittleren Zeilen bezieht, wahrscheinlich wegen der Reime).

Paul hat geschrieben:Last definiert den Begriff Würde für sich so, dass er bedeutet: Ich will die Dinge tun, die ich für richtig halte, nicht aber die Dinge, die ich für falsch halte.


Ich sehe das genauso und andersherum. Für mich entwirft er sein Richtig/Falsch über seine Taten, über seine Entscheidungen (ich müsste mich ganz schwer irren, aber du, Last, hast ja selbst mal von einer gewissen Bewunderung für Sartre gesprochen, oder?)

Die von Lisa dargestellte Nähe zur "Ehre" sehe ich auch... es ist eben die Ehre, Achtung vor sich selbst... Verantwortung... Bürde. (Meinst du das so mit dem kat. Imperativ, Paul? Dieser ist ja, meinem beschränkten Erinnerungsvermögen zu folge, sowohl Moralkonzept als auch die Begründung des menschlichen Wesens (für Kant) bzw. - laut Kant erhält der Mensch seine Würde (benutzt K. diesen Begriff?) durch Vernunft und aufgrund dieser unterwirft er sich dem Imperativ. Ich sehe dann da schon Parallelen zu Lasts Version... nur dass es eben die individuelle Variante ist und andersherum - das eigene moralische Wesen wird selbstgesetzt durch die Taten, während bei Kant die Vernunft die Taten bestimmt.)

Gerda, genau da steckt das Problem auch... eine Würde ist in der aufklärerischen Tradition auch eine Verpflichtung. Jedem Menschen wird eine Würde zugesprochen, aber im gleichen Atemzug doch auch eine Verantwortung?

(In deinem letzten Beitrag scheinst du von der moralischen eher zur umgangssprachlichen Definition von "Würde" überzugehen... im Sinne von ehrfurchtgebietendem Verhalten... "er handelte voller Würde" usw.
Die Würde ist das Einzige, was ihn nicht endgültig verzweifeln lässt.
Kannst du beschreiben, was du mit dieser Art würde genau meinst? Ist sie das Ansehen, das man hat ("eine würdevolle Handlung")? Ein innerer Stolz? Wo kommt sie her? Ich habe ehrlich gesagt an die "umgangssprachliche" Würde überhaupt nicht denken müssen, finde den Begriff auch ziemlich leer... (ich gebe zu, den aufklärerischen auch, aber Last hat ihn gut benutzt hier). Welche Bedeutung meinst du denn überhaupt?)


Das Steine-Beißen kann ich mir dann auch gut als Ablehnung der tradierten Würde-Vorstellungen denken... und das Herz eben als den inneren Zwang/Schmerz, sich diesem Entwurf zu stellen (also... "würde ich mich nicht so entwerfen, müsste ich (z.B.) mit Kant (=Steine) vorlieb nehmen und meinem eigenen Ruf (=Herz) nicht folgen.") Das hängt aber auch vom "Sonst" ab... könnte also ganz falsch sein.

Liebe Grüße,
lichelzauch


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