Mal wieder die Zeit

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Max

Beitragvon Max » 02.02.2006, 11:47

Ich erinner mich gerade, dass ich vor einiger Zeit mal wieder eines meiner Zeitgedichte versprochen habe --- und dann kam nix.Hier also ist es (keine Ahnung, ob sich außer mir noch eine(r) an mein Versprechen erinnert :???: )

Wohin die Zeit geht

Wohin fliegt die Zeit
wenn sie dir entströmt
um Platz zu machen
für das Alter
Wohin entschwindet sie
wenn dir ihr Bild
verblasst

Sie ist nicht fort

Sie ging dir
unter die Haut
und wirft dort kleine Falten

Sie zog in deine Jahresringe ein
und macht deine Geschichten
reif und schwer
sie beugen dich
wie die volle* Frucht
den Ast

Geh
riech einen Apfel
und der Name
längst vergessener Spiele
kehrt zu dir zurück

--------------------------------

* vorher: reife, aber dann wäre reife doppelt, worauf mich Leonie hinwies
Zuletzt geändert von Max am 22.07.2006, 13:17, insgesamt 1-mal geändert.

g.

Beitragvon g. » 02.02.2006, 12:35

Sie ging dir
unter die Haut
und wirft dort kleine Falten


Das find ich superschön.

Perry

Beitragvon Perry » 02.02.2006, 16:16

Hallo Max,
mir gefallen deine Bilder von der Zeit ebenfalls sehr gut
"Wohin fliegt die Zeit
wenn sie dir entströmt
um Platz zu machen
für das Alter".
Gestolpert bin ich allerdings über die Formulierung
"Wohin entschwindet sie
wenn dir ihr Bild
verblasst"
klingt für mich unnötig verschraubt (lächel).
Für das "riech" am schluss würde mir außerdem ein "beiß" besser gefallen.
Vorschlag:
Wohin die Zeit geht

Wohin flog sie
als sie dir entströmte
um Platz zu machen
für das Alter

Sie ist nicht fort
kroch dir nur
unter die Haut
warf dort kleine Falten

Sie zog Ringe
unter deine Augen
machte die Früchte
reif und schwer

Beiß noch einmal
in den Apfel der Jugend
und längst vergessene Spiele
fallen dir wieder ein

Vielleicht ist ja die eine oder andere Anregung für dich dabei, mir hat es jedenfalls Spaß gemacht mit deinen Bildern zu spielen.
LG
Manfred

Maija

Beitragvon Maija » 02.02.2006, 17:31

Hallo Max,

Im Großen und Ganzen ist dir das Gedicht gelungen. Nur hier und da wackelt der Klang und der Zusammenhang.
Allerdings ist es auch schwierig über das Thema Zeit zu schreiben ;-)
Gern gelesen!

Gruß Maija

Louisa

Beitragvon Louisa » 02.02.2006, 20:08

Hallo,
Also ich muss sagen: Mir gefällt Max´ version etwas besser als Manfreds...Ich kann gar nicht genau sagen weshalb. Manfred hat immer so eine Art die Dinge direkt auf den Punkt zu bringen. Klar und verständlich. Hauptsätzlich.
Das ist oftmals wirklich richtig gut, aber ich finde es hört sich so an als ob man es mir ins Gesicht schreit...ein bisschen wie eine Büttenrede (Das meine ich nicht so, ich fand den Vergleich einfach nur zu lustig.)-

Ich finde auch nicht, dass der Zusammenhang fehlt...ich sehe ihn.

Das hat so ein bisschen den Zaunpfahlwink nach einer jungen Liebe, der sündigen Frucht...oder?

Ich finde es ein sehr schönes Bild, dass die Zeit unter die Haut wandert und dort Falten wirft.

LG, Louisa

Franktireur

Beitragvon Franktireur » 03.02.2006, 00:24

Nun gebe ich auch noch meinen Senf hinzu:

Das Gedicht ist sehr schön.

Ich kann keinem der Verbesserungsvorschläge folgen.

Irgendetwas sagt mir beim Lesen, hier und da holperts minimal,
aber nicht da, wo es für die anderen zu holpern scheint.

Die paar "und" stören. Und für das Wort "Geschichten" sollte dir noch ein geeigneteres einfallen. Mehr fällt mir erstmal nicht auf.

Gruß

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 06.02.2006, 11:13

Hallo Max,
ich kann Franktireur nur zustimmen...ich finde das Gedicht sehr stark und stolpere nicht über es...gerade den Apfel nicht zu beißen, sondern zu riechen ist das echte Bild...ich rieche genau den Geruch...und Gerüche sind auch genau das, was einen unglaublich erinnern lässt

Max

Beitragvon Max » 06.02.2006, 19:05

Danke für die vielen Kritiken und Vorschläge - so ein wenig Lob tut schon gut *wachs* :grin:

Über das "Verschraubte" des verlabssenden Bildes will ich gerne nochmal nachdenken. Dafür hängt mein Herz aber am Geruch des Apfels, in den ich nicht gleich beißen mag (irgendwie riecht ja man meist erst, bevor man beißt, gell ;-) ).

Danke, danke ...
Max

Louisa

Beitragvon Louisa » 07.02.2006, 15:04

Wollen wir hoffen, dass es kein saurer Apfel ist...

Ein wahrer Genießer, der Max.

Schmunzel, schmunzel...

Louisa

Max

Beitragvon Max » 08.02.2006, 10:45

Zu dem genießer mag ich nix sagen ;-), wohl aber dazu, dass mir eingefallen ist, dass das Riechen wohl der Sinn der am meisten mit Erinnern verwandt ist, oder?

Ein philosophischer

Max

heute morgen ...

steyk

Beitragvon steyk » 09.02.2006, 07:08

Hi Max,
dein Text gefällt mir, zumal die Zeit - wie schon hier erwähnt - wirklich schwer zu beschreiben ist. Eine winzige Änderung möcht ich trotzdem vorschlagen:

Wohin entschwindet sie
wenn in dir ihr Bild
verblasst

Gruss stefan - steyk

Max

Beitragvon Max » 09.02.2006, 10:55

Hi Stefan,

danke, da werd ich mal drüber nachdenken - vielelicht hilft es gegen das Stelzen ;-)

Lieber Gruß
max

Anna

Beitragvon Anna » 09.02.2006, 13:20

Lieber Max,

obwohl du über das "Verfließen" der Zeit schreibst, hebst du gleichzeitig die Grenzen zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auf und läßt das nicht greifbare Wesen von Zeit mit seinen unterschiedlichen Gesichtern "zusammenfließen". Dadurch begründet sich für mich das Besondere an diesem Gedicht.

Anna

Max

Beitragvon Max » 10.02.2006, 15:12

Liebe Anna,

ich bedanke mich für so eine schöne Kritik. Man hofft ja immer, dass einem gelegentlich eine gute Zeile entfeleucht :-)

Liebe Grüße
Max


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