Der Ruf des Condors - deutsch-spanische Version

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Mucki
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Beitragvon Mucki » 26.10.2006, 22:11



Deutsche Version


Der Ruf des Condors

Condor, fliegender Bote, gleitest hinab
zum südlichsten Staub der Erde,
meine Indioseele mir zu bringen.
Schatten belagern mein erstes Licht.
Doch ich durchbreche das Dunkel,
atme dein Geschenk,
dessen wahre Bedeutung
ich noch nicht erahne.

Dorfshyänen lachen mich schrill ins Abseits.
Geschnürt verweigere ich meine Lippen.
Herzlose Tropfen weißen Saftes.
Brennender Sand nur angehaucht.

Dem jungen Boden entrissen,
keine Spuren eingegraben.
Condor, warum lässt du mich ziehen?
Begleite mich, wohin auch immer ich geh.

In die Weite der Wellen gezerrt,
drohen die Schatten erneut
auf unendlich langer Reise
zu fremden, so fremden Ufern.

Rauer Nordwind meine Lider niederfegt.
Verschränkte Arme, kalte Augen, so kalt.
Argwohngespießt fließen Tränen aus Eis.
Condor, hast du mich verlassen?

Brennend durchbohren mich eure Blicke.
Hass findet jede Nische
für tötende Pfeile, eure Worte treffen,
gebären mein Straucheln, Hadern geschürt.

Condor, Kind der Wüste kann ich hier nicht sein.
Steine hageln, Mauern zu hoch, in die Ecke gedrängt.
So geh ich in die Knie, verleugne mich selbst.
Hoher Preis, doch ich will leben, leben, leben!

Kampf durch den Dschungel falscher Zungen,
suche nach Schultern, offenen Händen und Ohren.
Jahre vergehen, langsam Knospen wachsen.
Behutsam erkunde ich den Norden.

Als schwarzes Schaf mit weißen Flecken
wähne Berührung, doch Schicksal schlägt erneut.
Condor, rufst du mich wirklich zurück?
Ich folge dir auf stählernen Schwingen.

Von Hoffnung verführt
versinke im Boden des Wahren.
Gestrandet in der Wüste ohne Glühen.
Sehe durch Augen, nicht meine, nein, nicht meine.

Condor, wo bist du? Ich fühle dich nicht.
Die Erde so kalt, vom Norden vereist?
Irre blind umher, die alten Spuren verloren.
Fortuna, du spielst mit mir.

Stehe am Ufer ersten Lichtes,
spüre nur Schatten, umzingeln mich.
Eine Fremde unter Fremden.
Zweifel beißen, ziehen mich nach unten.

Condor, komm zurück, möchte dich atmen.
Höre den Ruf meiner Indioseele.
Will ihm folgen, doch ich weiß nicht, wie.
Flieg mir den Weg, flieg mir den Weg.


Spanische Version

La llamada del condor

Condor, mensajero volando, deslizas hacia
al polvo más surano de la tierra,
trayendo mi alma india.
Sombras asedian mi primera luz,
pero quebro el oscuro.
Respiro tu regalo,
cuyo valor verífico
aún no sospechando.

Hienas del pueblo reíndome estridente aparte.
Ahogada denego mis labios
del jugo blanco sin corazón.
Arena ardiente - solamente alientado.

Arrancada del suelo joven,
ni siquiera huellas cavadas.
Condor, por qué me dejas ir?
Acompañame igual adónde voy.

Tirada en lo lejo de las olas,
las sombras de nuevo amenazen
en el viaje infinitamente largo
a orillas ajenas - tan ajenas.

El rudo viento nortico - mis párpados apretando.
Brazos cruzados - ojos fríos tan fríos,
asada en recelo - corren lágrimas de hielo.
Condor, me has abandonado?

Ardientemente me penetran vuestras miradas.
Odio encuentra cada nicho
para flechas mortandos vuestras palabras acertan,
nacen mi tardar - dudas atizadas.

Condor, hija del desierto aquí no puedo ser.
Piedras granizen - muros demasiado altos,
empujada en la esquina.
En rodillas me niego an mi misma.
Precio alto pero quiero vivir vivir vivir!

Lucha en la jungla de lenguas falsas,
busco hombros - manos y orejas abiertas.
Años pasan - lentamente botónes crecen,
cauteloso exploro el norte.

Como oveja negra con manchas blancas
creo en el contacto pero el destino pega de nuevo.
Condor, realmente me llamas devuelta?
Te suigo por alas de acero.

Seducida de esperanza,
me hundo en el suelo de lo veraz.
Encallada en el desierto sin arder,
miro por ojos no mios no - no son mios!

Condor, donde estás? No te siento.
La tierra tan fría - helada del norte?
Ciega ando desorientada - perdidas las huellas viejas.
Fortuna - tu juegas conmigo.

Parada a orillas de mi primera luz,
siento sólo sombras agarrandome.
Una ajena entre ajenas,
dudas mordiendos me tiren abajo.

Condor, regresa te quiero respirar.
Escucho la llamada de mi alma india.
La quisiera seguir pero no sé cómo lograrlo.
Enseñame volando enseñame volando.



(c) Gabriella Marten Cortes

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ZaunköniG
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Beitragvon ZaunköniG » 29.10.2006, 18:22

Hallo Magic,

Ein sehr stimmungsvolles, schwermutiges Gedicht, so wie ich es lese. Es ist für meinen Geschmack etwas zu lang, aber Vorschläge zu Kürzungen mache ich mal nicht, du weiß sich besser welche Punkte dir wesentlich sind.

In der ersten Strophe

Doch ich durchbreche das Dunkel,


empfinde ich "durchbreche" vom Klang etwas gewalttätig.
Wie wäre "zerschneide" oder "zerteile"?

"Dorfhyänen" würde ich ohne "s" schreiben, auch wenn ich dafür keine Regel benennen kann.
Und in manchen Versen vermisse ich das Pronomen.

Brennend durchbohren mich eure Blicke.


ist eine sehr abgegriffene Formulierung für ein so starkes Gefühl.

"Gebären mein Straucheln"

z. B. ist dagegen einfach grandios!


Allgemeinplätze wechseln mit wirklich großer Poesie.
Ich tippe mal, die spanische Version ist zuerst entstanden?


LG: ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck

Mucki
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Beitragvon Mucki » 29.10.2006, 22:35

Hallo ZaunköniG,

ja, es ist ein schwermütiges Stimmungsgedicht, in dem immer wieder kurz die Hoffnung aufflackert, aber jäh zunichte gemacht wird und am Schluss die Ratlosigkeit bleibt. Zur Länge: ich habe schon gekürzt, wo ich konnte und nur die wichtigsten, sozusagen die einschneidensten Erlebnisse beschrieben. Es hätte 30 Mal so lang sein können ;-) Es war für mich sehr schwierig, den Fokus auf das Wesentliche zu richten.

Doch ich durchbreche das Dunkel,


empfinde ich "durchbreche" vom Klang etwas gewalttätig.
Wie wäre "zerschneide" oder "zerteile"?


Ich schrieb in diesem Fall ganz bewusst "durchbreche", weil es tatsächlich so war.

Dorfhyänen? Hm, kommt mir merkwürdig vor. Es sind doch die "Hyänen" des Dorfes, also Genitiv. Ich meine, da gehört ein "s" hin. Ich wollte halt nicht "Die Hyänen des Dorfes" schreiben, das wäre ein bisschen umständlich, außerdem sind sie ja metaphorisch gemeint.

Brennend durchbohren mich eure Blicke.


ist eine sehr abgegriffene Formulierung für ein so starkes Gefühl.


Ja, stimmt schon. Ich wollte aber kein anderes Wort nehmen, weil es dann ein recht Heftiges geworden wäre. Da musste ich mich ziemlich zurückhalten.


Allgemeinplätze wechseln mit wirklich großer Poesie.
Ich tippe mal, die spanische Version ist zuerst entstanden?


Hi,hi, ist witzig, dass du das schreibst. Also, ich hatte zuerst die deutsche Version geschrieben, dann das Ganze ins Spanische übersetzt, und dann den deutschen Text total verändert ;-) Du siehst, es stimmt irgendwie.
Saludos
Gabriella

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ZaunköniG
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Beitragvon ZaunköniG » 30.10.2006, 01:12

Dorfhyänen? Hm, kommt mir merkwürdig vor. Es sind doch die "Hyänen" des Dorfes, also Genitiv.


Ja, man sagt auch Schafspelz, weil es der Pelz des Schafes ist,
aber auch Tischplatte, nicht Tischsplatte.
Wie gesagt, ich kann jetzt keine Regel zitieren und Dorf(s)hyäne mag ein Grenzfall sein, ist eventuell auch regional unterschiedlich. Vielleicht gibt es noch andere Stimmen dazu?


Zitat:Brennend durchbohren mich eure Blicke.


ist eine sehr abgegriffene Formulierung für ein so starkes Gefühl.


Ja, stimmt schon. Ich wollte aber kein anderes Wort nehmen, weil es dann ein recht Heftiges geworden wäre. Da musste ich mich ziemlich zurückhalten.


Es ist ja ein heftiges Bild, wenn man es denn wörtlich nimmt, aber häufig gebrauchte Metaphern schleifen sich ab. Manchmal helfen schon kleine Umstellungen.

Eure Glutpupillen bohren sich mir ein
oder
Eure Flammenblicke brennen sich mir ein
oder
Euer Blick der flammend sticht
oder
...


Hi,hi, ist witzig, dass du das schreibst. Also, ich hatte zuerst die deutsche Version geschrieben, dann das Ganze ins Spanische übersetzt, und dann den deutschen Text total verändert

Also hast du die Urfassung deiner spanischen Version angepaßt, damit sie beide einander als Übersetzuing entsprechen? Das kann man so machen, wirkt natürlich sehr elegant, wenn man Form und Inhalt so getreu in beiden Sprachen wiederfindet. Schwer zu machen wenn eine Variante schon feststeht, wie es üblicherweise bei Fremdübersetzungen der Fall ist.

Zur Länge: ich habe schon gekürzt, wo ich konnte und nur die wichtigsten, sozusagen die einschneidensten Erlebnisse beschrieben. Es hätte 30 Mal so lang sein können Es war für mich sehr schwierig, den Fokus auf das Wesentliche zu richten.


In der zweiten Hälfte finde ich es auch etwas befremdlich, daß ein schwarz/weißes Schaf plötzlich stählerne Schwingen bekommt. Deine Bildersprache ist hier nicht mehr so konsequent wie am Anfang. Ich denke das hat auch mit der Länge zu tun. Du wolltest einfach zu viel hineinpressen. Wenn du nichts streichen magst, wäre es eine Überlegung, den Text aufzuteilen? also die vielen Erlebnisse einzeln zu schildern?


Inzwischen habe ich auch die Hörversion entdeckt. Gefällt mir gut!, aber hören und lesen sind zwei sehr verschienene Dinge.

Viligrandi
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aram
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Beitragvon aram » 30.10.2006, 01:43

man sagt auch Schafspelz, weil es der Pelz des Schafes ist,
aber auch Tischplatte, nicht Tischsplatte.
Wie gesagt, ich kann jetzt keine Regel zitieren und Dorf(s)hyäne mag ein Grenzfall sein, ist eventuell auch regional unterschiedlich. Vielleicht gibt es noch andere Stimmen dazu?


kenne auch keine regel - vom gefühl her geht es um einen bindekonsonanten für das "f", der bei "dorf" mit dem "r" schon davor steht. (hat m.e. also kaum was mit dem genetiv-s zu tun.)

alle mir bekannten zusammensetzungen mit "dorf" - z.b. dorfstraße, dorftrottel, dorfkirche, insbes. auch dorfhelfer - kommen ohne binde-s aus.

siehe auch: http://www.spiegel.de/kultur/zwiebelfis ... 95,00.html

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Mucki
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Beitragvon Mucki » 30.10.2006, 10:41

Hallo ZaunkönigG und aram,

also, hier jetzt über das "s" in Dorfshyänen zu diskutieren, halte ich für überflüssig und "in Korinthen suchen".

@aram: Mehr fällt dir zu meinem Gedicht nicht ein, als über dieses "s" auch noch zu recherchieren :12: :rolleyes:


@Zaunkönig:
Zum Satz:

Brennend durchbohren mich eure Blicke


Eure Glutpupillen bohren sich mir ein
oder
Eure Flammenblicke brennen sich mir ein
oder
Euer Blick der flammend sticht
oder


erstens haben die Norddeutschen keine Glutpupillen und auch keine Flammenblicke, dass haben wohl eher die Chilenen und außerdem lesen sich deine drei Vorschläge holprig, nicht so flüssig. Und das "sticht" passt imho nicht. Zudem verwende ich im Text das Wort "argwohngespießt", wäre also fast eine Wiederholung. Es geht hier auch nicht darum, welche Blicke die Norddeutschen hatten, sondern, was sie damals bei mir auslösten.

Also hast du die Urfassung deiner spanischen Version angepaßt, damit sie beide einander als Übersetzuing entsprechen? Das kann man so machen, wirkt natürlich sehr elegant, wenn man Form und Inhalt so getreu in beiden Sprachen wiederfindet. Schwer zu machen wenn eine Variante schon feststeht, wie es üblicherweise bei Fremdübersetzungen der Fall ist.



Elegant ist das falsche Wort. Als ich es ins Spanische übersetzte, fiel mir erst auf, dass die ursprüngliche deutsche Version nicht "stimmig" war, nicht richtig traf, was ich ausdrücken wollte.

In der zweiten Hälfte finde ich es auch etwas befremdlich, daß ein schwarz/weißes Schaf plötzlich stählerne Schwingen bekommt. Deine Bildersprache ist hier nicht mehr so konsequent wie am Anfang. Ich denke das hat auch mit der Länge zu tun. Du wolltest einfach zu viel hineinpressen.


Aus diesem Satz entnehme ich, dass du meinem Text nicht folgen konntest, dabei habe ich eigentlich recht deutlich geschrieben, hier kaum etwas verschlüsselt oder so, wie ich es sonst oft tue.

Der Condor ist das "Wahrzeichen", Wappentier der Andenstaaten, auch Chiles.
Das Gedicht zeigt eine chronologische Reihenfolge. Erst die Geburt in Chile (südlichster Staub der Erde), dann, recht schnell nach der Geburt (dem jungen Boden entrissen) nach Deutschland. Dort dann der "kalte Empfang", die Diskriminierung, aus der die Selbstverleugnung entsteht und dann "Anpassung" (schwarzes Schaf "nun" mit weißen Flecken, wähne Berührung, als es erneut, kaum Kontakt zu den Norddeutschen bekommen, wieder nach Chile geht. Wo steht, dass das schwarz-weiße Schaf stählerne Schwingen bekommt?

Ich schrieb:

Ich folge dir auf stählernen Schwingen.

"stählerne Schwingen" = Flugzeug.

Und dann, wieder in Chile: das Erkennen, dass ich dort meine "Heimat" nicht wiederfinde.

Wenn du nichts streichen magst, wäre es eine Überlegung, den Text aufzuteilen? also die vielen Erlebnisse einzeln zu schildern?

Dann wird es ja noch länger! :eek: bzw. es ergäben sich zig einzelne Gedichte, die dann aber keinen Kontext zueinander haben. Nein, das ist keine gute Lösung. Vielleicht kommt es dir auch so lang vor, weil die spanische Version noch drunter steht?
Nachdenkliche Gabriella

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ZaunköniG
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Beitragvon ZaunköniG » 30.10.2006, 11:04

Hallo Magic

Aus diesem Satz entnehme ich, dass du meinem Text nicht folgen konntest, dabei habe ich eigentlich recht deutlich geschrieben, hier kaum etwas verschlüsselt oder so, wie ich es sonst oft tue.


In der Tat. Ohne deine Biografie, fällt es mir schwer in dem Text den Vergleich zwischen Chile und Norddeutschland zu entdecken. Ein Nordwind kann auch in den Anden wehen, zumindest sind meine meteorologischen Kenntnisse nicht so ausgeprägt um das ausschlißen zu können. Einen Zyklus mehrerer Gedichte würdest du ja auch gwemeinsam präsentieren, also bleibt auch der Zusammenhang. Der Text müßte nicht zwangsläufig länger werden; Vielleicht genügen richtig plaziert auch Zwischenüberschriften. Nun, es scheint dir Unbehagen zu bereiten, und es bleibt natürlich dein Text, ich kann nur sagen wie er auf mich wirkt, was subjektiv ist, wie jede Kritik.

erstens haben die Norddeutschen keine Glutpupillen und auch keine Flammenblicke, dass haben wohl eher die Chilenen


Da hast du sicherlich recht, allerdings löst "brennend" bei mir die gleiche Assoziation aus. Etwas holprig sind meine Vorschläge, aber es ging mir zunächst darum das Bild zu variieren.


LG: ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck

aram
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Beitragvon aram » 30.10.2006, 23:36

@aram: Mehr fällt dir zu meinem Gedicht nicht ein, als über dieses "s" auch noch zu recherchieren


hallo gabriella,

zaunkönig hatte um weitere stimmen zu diesem punkt gebeten, darauf habe ich geantwortet.

bleibt mir nur, um verzeihung zu bitten, dass sich dieser durch deinen text ausgelöste und als mosaiksteinchen (oder fugenkitt *g) dazu verstandene kurze austausch in deinem thread abspielte. wird nicht wieder vorkommen .-)

aram
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l. cohen


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