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Der arme Poet ( nicht der von Spitzweg! )

Verfasst: 04.03.2006, 18:46
von Herby
Der arme Poet

Und wieder einmal sitz ich hier,
Vor einem leeren Blatt Papier.
Kein Wort aus meiner Feder fließt,
Kein Vers, der wie ein Vers sich liest.
Manch’ Reim mir durch den Kopf wohl geht,
Manch’ Bild vor meinem Auge steht.
Doch wie sie nur in Worte fassen?
Die Musen sich nicht zwingen lassen.

Was braucht man denn nun so zum Dichten,
Will man die Sprache lyrisch richten?

Ein Mindestmaß Talent muss sein,
Sonst bleibt der Dichter Schreiberlein!
Er muss mit Vers und Reim jonglieren,
Soll sich der Leser delektieren!
Sodann ist hilfreich Phantasie
Für eine Lyrik – Symphonie,
Um sie auch recht zu komponieren
Und Worte wohl zu formulieren.

Dann – ohne rechten Seelenfrieden
Ist dem Poet’ kein Glück beschieden,
Denn Streit und Ärger und Verdruss
Erschweren den Gedankenfluss!
Humor, eine von Gottes schönsten Gaben,
Kann förderliche Wirkung haben!
Er hilft, will reimend man verzagen,
Die eigne Stümperei ertragen.

Ganz wichtig, um ihn nicht zu stören:
Er darf nicht mal ein Röcheln hören!
Des Dichters Geist ist höchst sensibel,
Geräusche sind für ihn von Übel!
Doch kann der Klang von Mozarttönen
Sehr wohl das Reimen ihm verschönen!

Es können zudem hilfreich sein
Der Tabak und ein Fläschchen Wein!
Auch köstlich’ Speis’, in Maß verzehrt,
Ist bei Poeten sehr begehrt!
Denn alle diese Leibsgenüsse
Beschleun’gen feuchte Musenküsse!

Ein weitres Muss für den, der dichtet,
Weil man Geschriebnes oft vernichtet,
Ist viel Papier, ums zu zerreißen!
Wenn müde Dichterköpfe kreißen,
Und doch nur eine Maus gebären,
Hilft es gar sehr beim Werk, dem schweren!

Zum Schluss des Dichters Königstugend,
Besonders hart zur Zeit der Jugend.
Man ist verloren ohne sie,
Denn Dichten macht dann doppelt Müh!
Hoch sei drob die Geduld gepriesen,
Wohl dem, der tapfer sie bewiesen!

Drum werter Leser, hab wohl Acht,
Welch’ Mühe oft das Reimen macht!
Das Fertige, es liest sich fein,
Doch will’s erstmal ersonnen sein!
So sei für die Kritik verflucht,
Wer nie sich hat am Reim versucht!
Wer kennt denn schon des Dichters Not?
Die Lyrik ist ein hartes Brot!


P.S. Dieses Poem schließt in herzlicher Solidarität natürlich auch all jene Dichter ein, die sich beim Dichten des Reimes nicht bedienen! ;-)

Verfasst: 04.03.2006, 18:58
von Franktireur
:grin:

Witzig und tiefsinnig gleichermaßen.

Ein einziges Mal holperts: bei Gottes Gaben, streich "schönste" und es holpert nicht mehr.


Du schriebst als PS:

Dieses Poem schließt in herzlicher Solidarität natürlich auch all jene Dichter ein, die sich beim Dichten des Reimes nicht bedienen!

Danke für die Solidarität :mrgreen:

Gruß

Verfasst: 04.03.2006, 19:04
von Uwe Beuer
Hallo Herby!
Ich bin sehr beeindruckt: Schön + gut!
Es ist auch eine gute Hilfe, dass wir unsere Versmaße noch mal gegenseitig durchgehen. Ich habe hier in 2 Zeilen Schwierigkeiten:
1) die Zeile mit "Humor", guck's dir noch mal an: Da sind zu viele Silben. MIR fiele alternativ ein: "Humor, von schönsten Gottesgaben" - und ich möchte lieber nicht daran denken, ob das denn ganz korrekt ist; klingt aber hübsch und fließend!
2) "Zudem können sehr hilfreich sein" - Es fällt mir (natürliche Wortbetonung) einigermaßen schwer, bei "können" die zweite Silbe zu betonen.
Andererseits ist vielleicht gerade das auch mal ganz lustig? - Du musst's selber wissen.
MEINE Alternative: Passt "Es können zudem hilfreich sein" ... -?
Sonst finde ich jedoch nicht Fehl noch Tadel; du hast auch einen sehr eigenen Stil und man merkt, wenn du einmal "im Reimfluss" bist! Vor allem merkt man auch, dass es dir SPASS macht, und das ist immer noch das Wichtigste!
Tschüs, Uwe

Verfasst: 04.03.2006, 19:30
von Herby
Hallo Uwe ... Es ist schon seltsam... Dies ist ein alter Text von mir, den ich bisher ich weiß nicht wie oft gelesen habe, und zwar laut und leise, zuletzt noch, bevor ich ihn vorhin hier aufs reimgeplagte Auditorium losließ. Und die zweite von dir angesprochene Stelle ist mir nie aufgefallen! Du hast völlig Recht und ich werde den Text gleich deinem Vorschlag entsprechend abändern.
Was die rhythmische "Taktlosigkeit" der ersten Stelle anbetrifft, so war mir diese bewusst und ich fand nie eine Lösung dafür. Mit deinem diesbezüglichen Vorschlag tue ich mich ehrlich gesagt noch schwer. Mal sehen, was aus der Stelle wird ...
Jedenfalls danke ich dir herzlich für dein Lesen und dein Mitdenken! O:)
LG Herby

Verfasst: 04.03.2006, 19:40
von Uwe Beuer
Oder "eine", gleich nach "Humor", weglassen?! Ist wieder elegant, aber wohl nicht ganz das Logische, das du suchst. Hm ...

-(Kurz später) Wie wär's denn mit:
"Humor, als schönste aller Gaben ..."?!

Verfasst: 04.03.2006, 19:56
von Herby
@Franktireur, @Uwe ...

Dank für euer Lesen und eure hilfreichen Kommentare!! Ich werde eure Vorschläge die "Humor" - Zeile betreffend überdenken, ohne dabei hoffentlich denselben zu verlieren! O:)
LG Herby

Hallo Herby,

Verfasst: 06.03.2006, 13:15
von Gast
ich weiß nicht wieso, aber dein Gedicht habe ich jetzt gerade erst gelesen.
Danke für die Solidarität. :smile:
Ich habe mich im Reimen geübt und probiere es ja hin und wieder, damit ich nicht aus der Übung komme - siehe z. B. Sonett.
Jetzt ist schon so viel gesagt worden... aber unreine Reime hat noch niemand gesichtet - oder?
Ich hofe, lieber Herby, du nimmst mir das nicht übel, aber wenn schon, denn schon ;-)
komponieren und formulieren geht eigentlich nicht,
ie auf ü kann man ja gelten lassen, schwierig ist aber "Übel" und "sensibel"
und dann noch "kreisen" (schreibt sich nämlich nicht mit ß) und "zerreissen".

Ich habe es gern gelesen , danke.

Liebe Grüße
Gerda
PS Mal sehen zu diesem Thema habe ich auch schon verschiedentlich geschrieben... Vielleicht poste ich davon mal eins

Verfasst: 06.03.2006, 13:32
von Herby
Liebe Gerda,
ganz auf die Schnelle ... Dank fürs Lesen und Kommentieren!
Du schreibst:

und dann noch "kreisen" (schreibt sich nämlich nicht mit ß) und "zerreissen".

Ich dachte auch nicht an "kreisen", was mit -s- geschrieben im Kontext ja auch keinen Sinn ergeben würde, sondern tatsächlich an "kreißen" ... siehe DUDEN, 22. Ausgabe: "Kreißen -- (veraltet für in Geburtswehen liegen )" Denk mal an das heute noch gebräuchliche Wort "Kreißsaal" ... es stammt daher.
Ich wählte ganz bewusst dieses veraltete Wort, denn "Pate" für diese Verse war "Der Berg kreißte und gebar eine Maus", von wem oder woher auch immer diese Spruchweisheit stammen mag. Nie gehört?

"Übel - sensibel" ... ist höchst unrein, ich weiß, aber ich habe zumindest bei humorigen Texten in dieser Beziehung wenig Berührungsängste und nehme mir gewisse Freiheiten, was übrigens auch die Verwendung obsoleter Begriffe einschließen kann (s.o.). Ansonsten aber versuche ich unreine Reime zu vermeiden.

LG Herby

Hallo Herby,

Verfasst: 06.03.2006, 14:22
von Gast
so habe ich nun eine Wissenslücke schließen können und kann dir sogleich auch ne Quellenangebe machen:
Aus: Duden 12 – Zitate und Aussprüche . Mannheim 2002

Der Berg kreißte und gebar eine Maus

Diese Redensart stammt aus der Ars poetica des römischen Dichters Horaz (65 bis 8 v. Chr.), wo es in Vers 139 heißt: »Es kreißen die Berge, zur Welt kommt nur ein lächerliches Mäuschen« (lateinisch: Parturient montes, nascetur ridiculus mus). Mit diesen Worten wollte Horaz die Dichter kritisieren, die nur wenig von dem halten, was sie versprechen. Wenn jemand große Vorbereitungen trifft, große Versprechungen macht und kaum etwas dabei herauskommt, dann zitiert man heute: »Der Berg kreißte und gebar eine Maus« oder auch nur: »Der Berg gebar eine Maus.«


.

Ja... wenn's das Netz nicht gäbe ;-)
Vielen Dank für den Anreiz.
Was die sog. unreinen Reime angeht... ist doch in Ordnung, wenn du es nicht so bierernst nimmst sondern Freude daran hast.

Liebe Grüße
Gerda

Verfasst: 06.03.2006, 14:30
von Herby
... und ich danke dir herzlich für die umgehende Info! Super! O:)
Die Bedeutung war mir klar, nicht hingegen die Quelle!

Verfasst: 07.03.2006, 19:09
von scarlett
Hallo Herby!

Einfach toll! Köstlich! Mit großem Genuß und augenzwinkernd gelesen.

Leider scheint mir noch eine Stelle zu holpern - vielleicht betone ich sie aber auch falsch. Habe es nun wieder und wieder versucht, es nützt nix- was meinst du denn?

"Hoch sei drob die Geduld gepriesen...."

Ich kann nicht anders, ich muß immer "hoch" betonen und dann klingts irgendwie nimmer flüssig....

Eine etwas sprechtechnisch verwirrte :smile:
scarlett

Verfasst: 07.03.2006, 22:01
von Herby
Liebe Scarlett,

freut mich, dass dir mein Text gefällt! O:)

Wenn du es auf HOCH betonst, geht's auch nicht und klingt gruselig.
Leg die Betonung auf die jeweils zweite Silbe, dann wird's flüssiger.

Lieben Dank fürs Lesen und die Rückmeldung!
Herby