Einsamkeit

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Louisa

Beitragvon Louisa » 23.03.2006, 16:14

Ihre schweren Schritte
fliehen über Schattengrund
vor sich selbst
und außer sich
in engen Kreisen
stumme Wege auf und nieder
es flüstert jede Stunde:

Immer wieder, immer wieder...


Ihr zerrauftes Haar
im Zugwind leiser Worte
machtlos vor der Zeit
und in naher Grabeskälte
flüstert jede Stunde:

Einsamkeit.
Zuletzt geändert von Louisa am 26.03.2006, 14:53, insgesamt 3-mal geändert.

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 24.03.2006, 15:29

Dieses Gedicht erinnert mich an den Mythos der griechischen Göttin der Armut...wenn mein Gedächtnis nicht erfindet.

Mir gefällt die Komposition des Gedichts, mit den zwei kursiven Zeilen.

Ist man (auch wenn das Wortspiel schön ist) in der Einsamkeit außer sich?

Bezüglich der Umsetzung: Ich habe schon an einigen deiner Gedichten bemerkt, dass sie in festen Bildern erzählen (für mich), in einem Bild genauer gesagt. Zusammen formen deine Gedichte dann einen MIkrokosmos-Louisa-Mythos, das gefällt mir. Die Einsamkeit und andereBegriffe wirken stark personifiziert. Allerdings fände ich es interessant, die Einsamkeit einmal nicht so schwer zu verdichten, denn sie hat auch etwas leichtes, nicht dunkles, schweres. Unbeethovensche Einsamkeit meine ich :grin:

Louisa

Beitragvon Louisa » 25.03.2006, 09:07

Hallo Lisa.
Danke für Dein Kommentar.

Ich könnte jetzt auch bei wikipedia nachsehen, aber was hat es denn mit dieser Geschichte der Armut auf sich?

Das interessiert mich, weil ich die Sage nicht kenne.

Ansonsten: Ja, manchmal kann Einsamkeit vielleicht auch eine Leichtigkeit in der Isolation sein, besonders wenn man im eigenen Mykrokosmos lebt (...)

zuweilen empfindet man Einsamkeit jedoch eher "beethovisch" (wie du so schön geschrieben hast).

Danke. Ich reise jetzt wieder in meine Parallelwelt.

LG, Louisa

Julek

Beitragvon Julek » 25.03.2006, 13:35

Tag Lisa,

ich mag das Gedicht. Es drückt ein Gefühl aus, das wohl jeder Mensch kennt und das er doch nur ganz alleine in sich spürt.

Nur was formales:
Ich habe ein wenig Probleme mit dem ist es
Es stört den Lesefluss, finde ich, und ich weiß nicht zu Ende, wo es hingehört.... im Augenblick kann ich diesen vermeintlichen Mangel aber nicht genauer in Worte fassen, ich muss selbst noch etwas drüber nachsinnen.

Schöne Grüße nach Berlin

Gast

Beitragvon Gast » 25.03.2006, 14:37

Louisa hat geschrieben:



Ihr gerauftes Haar
im Zugwind leiser Worte
machtlos vor der Zeit
und in naher Grabeskälte
ist es, als flüstert jede Stunde:



Hallo Lousia,
"Gerauftes" Haar gibt es nicht sondern nur zerrauftes, wenn du "struwwelig" meinst.
(gerauft ist das Perfekt vom Verb "raufen" und kein Adjektiv

Julek sprach vom "ist es"
Also ich denke, wenn du den Vergleich "ist es, als" streichst geht es wunderbar, da geht nichts verloren.

Liebe Grüße
Gerda

Louisa

Beitragvon Louisa » 25.03.2006, 16:08

Dankeschön.

Ich habe mich euren Vorschlägen bedient: Habe das Haar zerrauft und es ist nicht mehr.

Danke, Gerda. Das mir das nicht selbst aufgefallen ist, bescheinigt noch einmal meine germanistische Idiotie. O:)

Zerzauste Grüße, Louisa

Julek

Beitragvon Julek » 26.03.2006, 14:50

Louisa,

so ist es schöner :smile:
Nur müsste eigentlich der Konjunktiv stehen, also "als flüstere jede Stunde" oder "als flüstre jede Stunde".
Ich bin mir aber nicht sicher, ob sich das nicht zu gestelzt anhört.
Was meinst du?

Grüße

Julian

Louisa

Beitragvon Louisa » 26.03.2006, 14:52

Vielleicht so?

Julek

Beitragvon Julek » 26.03.2006, 14:59

Entschuldigung, jetzt ist mir leider nicht mehr ganz klar, welche Veränderungen insgesamt vorgenommen wurden. Könntest du in einer Antwort nochmals die alten Versionen ausstellen, bitte?

dankeschön

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 26.03.2006, 17:23

Liebe Louisa,
ich habe mal geschaut wieso meine grauen Zellen sich meinten zu erinnern :grin: . Ich habe die Stelle in Platons Gastmahl gelesen...hier ein Ausschnitt:

Als nämlich Aphrodite geboren war, hielten die Götter einen Schmaus, und mit den anderen auch Poros (Erwerb, Betrieb), der Sohn der Metis (Weisheit). Als sie aber gespeist hatten, da kam Penia (Armut), um sich etwas zu erbetteln, da es ja festlich herging, und stand an der Türe. Porös nun begab sich, trunken vom Nektar - denn Wein gab es damals noch nicht -, in den Garten des Zeus und schlief in schwerem Rausche ein. Da macht Penia ihrer Bedürftigkeit wegen den Anschlag, ein Kind vom Porös zu bekommen: sie legt sich also zu ihm hin und empfing den Eros. Deshalb ist Eros der Begleiter und Diener der Aphrodite, weil er an ihrem Geburtsfeste erzeugt ward und zugleich von Natur ein Liebhaber des Schönen ist, da ja auch Aphrodite schön ist. Als Sohn des Porös und der Penia nun ist dem Eros folgendes Los zuteil geworden: Erstens ist er beständig arm, und viel fehlt daran, daß er zart und schön wäre, wie die meisten glauben, sondern er ist rauh und nachlässig im Äußern, barfuß und obdachlos, und ohne Decken schläft er auf der bloßen Erde, indem er vor den Türen und auf den Straßen unter freiem Himmel übernachtet, gemäß der Natur seiner Mutter stets der Dürftigkeit Genösse.
Von seinem Vater her aber stellt er wiederum dem Schönen und Guten nach, ist mannhaft, verwegen und beharrlich, ein gewaltiger Jäger und
unaufhörlicher Ränkeschmied, der stets nach der Wahrheit trachtet und sie sich auch zu erwerben versteht, ein Philosoph sein ganzes Leben hindurch, ein gewaltiger Zauberer, Giftmischer und Sophist; und weder wie ein Unsterblicher ist er geartet noch wie ein Sterblicher, sondern an demselben Tage bald blüht er und gedeiht, wenn er die Fülle des Erstrebten erlangt hat, bald stirbt er dahin; immer aber erwacht er wieder zum Leben vermöge der Natur seines Vaters; das Gewonnene jedoch rinnt ihm immer wieder von dannen, so daß Eros weder Mangel leidet noch auch Reichtum besitzt und also vielmehr zwischen Weisheit und Unwissenheit in der Mitte steht.


"Leider" ging es da mehr um den Eros. Irgendwo habe ich auch mal eine Szene von der Armut gelesen, ich weiß aber nicht mehr wo...

Gast

Beitragvon Gast » 26.03.2006, 19:01

Ja, Louisa, wunderbar.

L. G. G.


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