Es wird dunkler werden

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Mucki
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Beitragvon Mucki » 25.03.2008, 18:29

.

Endfassung

Und wieder lass ich uns brennen
Feuer ist ehrlich
so verdammt ehrlich

Reden löscht die Flammen nicht
Asche wirbelt Grau
ins Wir

Es wird dunkler werden
alles nur geliehen
auch Erinnerungen sterben

Hörst du mir noch zu
oder ich dir
Scheite lege ich nach
in die Wahrheit

Können wir es ertragen
vom Ascheregen
blind
weiterzugehen

Unsere Hände
kalt wie
unsere Lippen schweigen

Es wird dunkler werden


1. Fassung

Und wieder lass ich uns brennen
Feuer ist ehrlich
so verdammt ehrlich

Reden löscht die Flammen nicht
Asche wirbelt Grau
ins Wir

Es wird dunkler werden
alles nur geliehen
auch Erinnerungen sterben

Hörst du mir noch zu
oder ich dir
Scheite lege ich nach
in die Wahrheit

Können wir es ertragen
vom Ascheregen blind
weiterzugehen

Unsere Hände
kalt wie
unsere Lippen schweigen

Es wird dunkler werden
alles nur geliehen
auch Erinnerungen sterben


© Gabriella Marten Cortes
03/2008
Zuletzt geändert von Mucki am 27.03.2008, 17:35, insgesamt 2-mal geändert.

Trixie

Beitragvon Trixie » 26.03.2008, 14:02

*freie assoziationen fließen an* mmmh, das ist toll, das ist... ich spüre das züngeln der flammen, die erhitzten gemüter, die roten gesichter, das knallharte und ehrliche, sich an die wand reden und am ende bringt es doch nix, macht traurig und ist so...hoffnungslos. die wahrheit ist so schwer zu ertragen manchmal und was bringt es schon, wenn da "mal was war", das verbunden hat und überhaupt, was gibt es eigentlich noch zu sagen, es passt doch eh alles nicht mehr, puh - eindrucksvoll. *freie assozationen fließen aus*

- ich finde, die rethorische frage braucht es eigentlich gar nicht. blind weitergehen - nein, können die beiden nicht, denn weder reden noch schweigen bringt sie weiter, es herrscht ja nur noch die "negative" wahrheit und es gibt eigentlich nichts mehr, was die beiden verbindet. dennoch finde ich die frage nach dem blinden weitergehen gar nicht so fehl am platz im gedicht, denn es zeigt nochmal deutlicher auf, um was es eigentlich geht. um diese hoffnungslosigkeit, um dieses "wir wollen auch gar nicht mehr, schau hin, es geht nicht mehr!" das finde ich gut ausgedrückt durch diese zeilen. und wenn du oben in der ersten strophe gleich zweimal "ehrlich" hast, wieso sollte dann zweimal "unsere" stören? es wirkt fast "ironisch", dass da überhaupt "unsere" steht, denn die beiden verbindet ja nichts mehr, außer dem zwist, den sie miteinander ausfechten und dazu gehört gestikulieren und sprechen oder nicht-sprechen, also hände und lippen. von daher finde ich das "unsere" sogar wichtig - um das zu verdeutlichen, was denn die beiden überhaupt noch zu einem "uns" - also einem "wir" werden lässt. mir gefällt die neue variante sehr - der schluss allerdings lässt mich zwiegespalten zurück. einerseits denke ich mir "wie, noch dunkler? sie wollen also weiterstreiten? dabei sind sie doch, wie oben genannt, schon beinah blind vom ascheregen?" und ich überlege gleich spontan, ob da vielleicht "es ist dunkel geworden" passender wäre. andererseits zeigt es auch auf, dass dieser kampf eben immernoch nicht vorbei ist und dass es beinah ein teufelskreis ist, ein totreden und ein doch nicht vorwärts kommen oder gar zurückgehen können. das ist ja oft so, dass wenn paare sich entzweit haben, es jahre später, trotz kein kontakt, immernoch etwas zu sagen gäbe und der streit von neuem losginge. das muss nicht nur bei liebespaaren sein, auch bei eltern-kinder-paaren oder freunden kann das der fall sein.

von daher finde ich dein gedicht sehr fein und mitreißend und nachvollziehbar und gut gelöst, weil man gleich mit hinein gerissen wird und es trotzdem nicht zu dramatisch ankommt.

:daumen: und grußi
trixie

Mucki
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Beitragvon Mucki » 26.03.2008, 14:20

Hi Trix,

wunderbar, wie du deine Gedanken fließen lässt! Ja, all das ist im Gedicht enthalten und möchte ich ausdrücken.
der schluss allerdings lässt mich zwiegespalten zurück. einerseits denke ich mir "wie, noch dunkler? sie wollen also weiterstreiten? dabei sind sie doch, wie oben genannt, schon beinah blind vom ascheregen?" und ich überlege gleich spontan, ob da vielleicht "es ist dunkel geworden" passender wäre. andererseits zeigt es auch auf, dass dieser kampf eben immernoch nicht vorbei ist und dass es beinah ein teufelskreis ist, ein totreden und ein doch nicht vorwärts kommen oder gar zurückgehen können.

Eher ein Ende des Teufelskreises sozusagen. Schriebe ich "Es ist dunkel geworden", wäre es mir zu sehr Fazit ohne Nachklang.
Dieses "Es wird dunkler werden" wiederhole ich deshalb am Schluss als Teil der dritten Strophe (und des Titels). So hat dieses Gedicht einen düsteren Nachhall, klingt aus.
Stell es dir gelesen so vor, dass das erste "Es wird dunkler werden ...." neutral gesprochen wird, aber am Ende sehr resignierend.
Fein, dass dir das Gedicht gefällt und danke dir für deinen lebendigen Kommentar;-)
Saludos
Mucki

Trixie

Beitragvon Trixie » 26.03.2008, 16:33

mhm, ja, verstehe. ok. dann ist mein zwiespalt hiermit wohl auch beseitigt! danke nochmal für die erklärung.

bittesehr für den kommentar!

gruß
trix

jondoy
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Beitragvon jondoy » 26.03.2008, 23:56

Hallo Elsa,

es ist schön entspannend, dass du mir meinen Kommentar nicht übel genommen hast. Danke!!!

Du schreibst:
„2 x finde ich eine halbe Sache. Wenn es wie ein Lied geschrieben ist, sollte es 3 x vorkommen, oder wenn es ein Gedicht ist, nur 1 x“.

Ich bin derselben Meinung.

Du schreibst:
„Ich verstehe nun, ich habe es umgekehrt gelesen.“
Das passiert mir auch oft.

Du schreibst:
„Stefan meint, mein Vorschlag ist zu formal. Finde ich nicht. Es ist eine Feststellung. Sachlich. Umso mehr schmerzt sie. Meine Meinung. „

Damit hast du natürlich recht. Sachlich wäre das richtige Wort gewesen.
Unsere unterschiedlichen Betrachtungsweisen - deine Meinung – meine Meinung – empfind ich wie zwei Gegenpole.
Deiner Erklärung kann ich folgen. Ich vermag ich es nun auch von deiner Sichtweise her zu betrachten. Jetzt versteh ich Dich.

Stefan

Hallo Mucki,

als ich mein erstes posting schrieb, da stand noch kein anderer Kommentar da, nur deine Frage, und du hast mich auch noch mit Stefan angeredet (das ist was Neues für mich, ich bin nicht gewöhnt, dass mich in einem Forum jemand mit meinen Namen anspricht), vielleicht aus dem Grund fand ich es in dem Moment sehr persönlich, und deswegen wollte ich dir unbedingt und noch sehr persönlich drauf antworten.

Alle lesen den Text hier im Kontext einer „sterbenden Liebe einer Paarbeziehung“, in mir hat er eine andere Assoziation ausgelöst. Ich hab während des erstmaligen Lesens vor meinem geistigen Auge die Stimme des Textes etwas anderes beschreiben „sehen“, keine Paarbeziehung, offenbar gibt es auch andere Formen von Beziehungen (im übertragenen Sinne wohl auch „Paarbeziehungen“ („ich und wir“),
die mir was bedeuten, in denen ich meine emotionale Kraft reinstecke, und die mit Menschen zu tun haben, und auf das dann dieser Text passt.

Ich kann dir versichern, der Text funktioniert auch da. Deswegen hab ich beim zweiten posting das Wort „mehrschichtig“ in den Mund genommen.

Als ich mein erstes posting vor meinen Augen abgestürzt ist, (es zeigte an, dass ich aus dem Forum ausgelogt war, obgleich ich mich gar nicht ausgelogt hatte, vermutlich hab ich mit dem Schreiben zu lange gebraucht), war ich wahnsinnig enttäuscht und frustriert, weil mir das schon so oft passiert ist (auch in anderen Foren), ich wage zu behaupten, dass fast die Hälfte meiner längeren postings nicht das „Ziel“ erreicht, weil sie unterwegs immer wieder abstürzen. Und neunzig Prozent meiner postings schmeiss ich ohnehin selbst in den Papierkorb.

Ja, der Text hat mich angesprochen. Weil ich dieses Feuer kenne.

Das, was du da über Gabriella Marten Cortes erzählt hast, wenn sie so und wenn sie so unterschreibt, hab ich in dem Moment gewusst, als mir bewusst geworden ist, dass du das bist, da verstehen wir uns offensichtlich blind.
Diesen Text hätte ich einer berühmten Schriftstellerin zugetraut. Darüber darfst du dich freuen.

Und nun zu diesem doppelten „unsere“ im Text.
Es ist nicht nur so, das es mich nicht stört, es ist sogar so, dass ich selbst nach mehrmaligen Lesens deiner zweiten Version immer noch keine Ahnung hab, wo das doppelte „Dings-da“ überhaupt im Text stehen soll. Für mich ist das gar nicht vorhanden. Vielleicht nimmt mich der Text so mit, dass ich kein Auge dafür habe.
Die zweite Version funktioniert.
Wirklich. Ich hätts nicht gedacht.

Noch ein letztes:
Du schreibst:
„Ich möchte dich ermuntern, immer so zu schreiben, genauso wie deine Gedanken zu einem Text fließen.“

Wenn ich das täte, würden –metaphorisch gesprochen – alle meine Masken und alle meine Nerven fallen. Dafür braucht es großer emotionaler Kraft. Und Offenheit. Außerdem Nerven wie Drahtseile. Die hat mir mein Schöpfer vorenthalten. Und schriftstellerisches Talent. Und blindes Vertrauen.
Ich bin schon froh, wenn ich überhaupt was schreibe. Von frei schreiben kann ich nur träumen.

Aber deinen Gedanken find ich sehr richtig. Weißt du, wie oft mir mein innerer Zensor alles kaputt macht. Ich möchte fliegen, und ich fliege mit mir auf die Nase.

Dein Text ist wie eine Musik. Ein ganz schöner.

Stefan

Mucki
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Beitragvon Mucki » 27.03.2008, 01:11

Hallo Stefan,

ich habe dich mit deinem Vornamen angesprochen, da ich ihn in einem posting an Jürgen (Nick: Gurke) las. Ich hab ihn mir gleich gemerkt und finde es einfach persönlicher, wenn man jemandem mit seinem Namen anspricht. Deshalb schrieb ich dir auch, dass "Mucki" kein Nick ist.
Das mit der "berühmten Schriftstellerin" hast du lieb gesagt *mich geschmeichelt fühl*
Ich habe zwar schon Bücher geschrieben, aber leider keines bisher veröffentlicht, weil sich die Verlage so schwer damit tun, es sind immer die Kosten *seufz*
Und im Eigendruckverfahren will ich nicht veröffentlichen. Es soll ein bekannter und seriöser Verlag sein.

Fein, wie du das mit dem doppelten "unsere" siehst. Ich finde die zweite Fassung jetzt auch sehr stimmig und freu mich darüber,-)

Was du zu Masken/Nerven und innerem Zensor schreibst, könnte von mir sein. Wie oft habe ich diesen inneren, nervtötenden Zensor schon verflucht, das glaubst du nicht. Also, ich kann dich da sehr gut verstehen, Stefan. Mach es so, dass DU dich wohlfühlst. Zwing dich zu nichts, bleib dir treu, anders geht es sowieso nicht,-)
In diesem Sinne!
Saludos
Mucki

DonKju

Beitragvon DonKju » 27.03.2008, 17:08

Ich will hier - ausnahmsweise - mal so antworten :

"poetrism" [i.m.o.t.d.p.s.]

man müßte
saxophon spielen können
wie charlie

dann könnte es
wenigstens einen blues weinen
zu diesen worten

Auf diese Weise den imaginären Dichterhut ziehend grüßt
Bilbo

Mucki
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Beitragvon Mucki » 27.03.2008, 17:33

Danke dir, Bilbo,

es wird vermutlich noch schlimmer kommen. Ich werde es vielleicht vertonen, also sprechen und dazu ein paar Moll-Akkorde erklingen lassen, welches Instrument weiß ich noch nicht.
Saludos
Mucki

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 27.03.2008, 18:27

Liebe Mucki,

auf eine Vertonung bin ich schon sehr gespannt!

LG
ELsie
Schreiben ist atmen

Trixie

Beitragvon Trixie » 27.03.2008, 19:05

oh ja, ich auch!!! ich glaube, das wird eine sehr persönliche, intensive vertonung...

Mucki
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Beitragvon Mucki » 27.03.2008, 19:23

ja, das wird es wohl, aber es braucht Zeit ...

DonKju

Beitragvon DonKju » 29.03.2008, 09:25

Hallo, aber nicht vergessen, Bescheid zu geben, wenn's passiert ist ... das fände ich sehr nett ...

Gruß Bilbo


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