Der Schmerz ist ein Echo

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 09.07.2008, 09:26

Der Schmerz ist ein Echo


Vor mir liegen zwanzig Fäden in einer Reihe.
Mit Bedacht wähle ich ein neues Haar.
Sie leben.
Eine vorherbestimmte Zeit lang,
leben sie.
So wie ich.

Ich könnte Gold aus ihnen spinnen,
dem Liebsten eine Locke senden,
Zöpfe flechten.

Man muss sich entscheiden.
Es gibt so viele Möglichkeiten.
Und so wenig Zeit.
Man muss sich beschränken.
Eine Aufgabe suchen, die zu bewältigen ist.

Jede Nacht reiße ich Hundert von ihnen.
Ich höre rechtzeitig auf.
Ich kenne die Grenze.
Nur Hundert in jeder Nacht.

Nebenan schlägt ein Kopf rhythmisch an die Wand.
Sie haben so viel Zeit
Und so wenig Möglichkeiten.

Der Schmerz ist ein Echo.
Zuletzt geändert von Xanthippe am 13.07.2008, 12:52, insgesamt 1-mal geändert.

Estragon

Beitragvon Estragon » 09.07.2008, 11:32

Ein feines Haargestrüpp,,,,und doch
die letzte Zeile würde ich streichen, weg damit, gut dass sie
einmal da war, sie hat das Gedicht vielleicht gebunden, aber
jetzt braucht man sie nicht mehr

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 10.07.2008, 10:15

Möglicherweise hast Du Recht...

Caty

Beitragvon Caty » 10.07.2008, 11:47

Xanthippe, ich würde gleich in der ersten Zeile mit Haar und nicht mit Fäden reingehen. "Man muss sich entscheiden", schlag ich vor, zu ändern in "Ich muss mich entscheiden", dasselbe bei "beschränken". "Eine Aufgabe suchen, die zu bewältigen ist" kommt mir nicht begründet vor.
Die letzte Strophe schlage ich vor zu ändern:

Nebenan
schlägt ein Kopf an die Wand.
Schmerz ist Echo.

Mir gefällt die nüchterne Sprache, nachdem ich woanders so viel romantisierendes Zeugs gelesen habe, dass es mir zum Halse heraushängt. Es ist eine Wohltat.

Liebe Grüße, Caty

Trixie

Beitragvon Trixie » 10.07.2008, 17:53

Hallo Elke,

ziemlich bedrückend, was ich da lese. Finde ich sehr gelungen. Nur die letzte Zeile braucht es nicht. Steht ja schon im Titel.

Lieben Gruß
Trixie

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 11.07.2008, 11:13

Danke Trixie,

ich glaube, ich streiche sie gleich mal. Bin ja schon überzeugt

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 11.07.2008, 11:16

Hallo Caty,

auch Dir herzlichen Dank für Deine Einschätzung, besonders für die nüchterne Sprache, das empfinde ich als großes Lob.
Und an dem "man" hänge ich, denke auch, dass es zu dem Ton, zu der Aussage, zum gesamten Gedicht passt.
Na ja, und die letzte Zeile wird wohl gestrichen.
viele Grüße
xanthippe

Perry

Beitragvon Perry » 11.07.2008, 16:47

Hallo Xanthippe,
ein bedrückender Text, den ich unter die These stellen würde: Solange ich Schmerz verspüre, lebe ich noch; erweitert, so lange ich den Schmerz (klopfen an der Wand) höre, gibt es noch eine Außenwelt.
Die Anfangszene (Vers 1-3) könnte ich mir noch etwas verdichteter vorstellen und den Titel eventuell als Frage: Schmerz - ein Echo?
Gern gelesen!
LG
Manfred

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 12.07.2008, 10:45

Hallo Manfred,

gerade was die letzte Zeile angeht, habe ich viel nachgedacht. Einige plädierten ja für Streichung und ich war fast überzeugt, jetzt gerade denke ich, dass ich den letzten Satz doch mag, weil er wie ein Echo in diesem stillen schmerzhaften Raum klingt.
Danke für Deinen Eindruck
xanthippe

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 12.07.2008, 12:08

Hallo Xanthi :o)

ich möchte mich auch mal kurz in die Überschrift/LetzteZeile-Diskussion einwerfen.

Die letzte Zeile finde ich gut als Ende, aber ich würde dan die Überschrift ändern.
Weil so eine Überschrift schon m.E. zuviel vorgibt, zuviel erklärt, zuwenig neugierig macht auf den Text.

Spontan fiele mir die Überschrift 'Echo' ein. Odewr was ähnlich Verkürztes, Offenes.
Die wörtliche Wiederholung würde ich hier meiden.

Gruß,

Tom.
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Estragon

Beitragvon Estragon » 12.07.2008, 13:02

Na ja, dann bleibt eben alles beim Alten, nichts verändert sich :-) und das ist gut so, das macht ja kein schlechtes Gedicht daraus das Du nicht auf meinen Vorschlag hörst, ganz im Gegenteil, kein Mensch soll auf mich hören...:-)

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 12.07.2008, 13:30

Hallo Tom,

danke fürs Einwerfen ;-)
Du findest den Titel zu erklärend? Nicht neugierig machend? Ist Dir denn beim ersten Lesen klar, wieso inwiefern der Schmerz ein Echo ist?? Oder liegt es daran, dass die Überschrift in einer Aussage besteht? Einer Behauptung?

Hallo estragon,

bist Du gar nicht mehr dick und schreibst auch nicht mehr so ;-)?

Trixie

Beitragvon Trixie » 12.07.2008, 13:38

Hm, also, ist schwierig. Denn die Überschrift fand ich schon neugierig-machend und so weiter. Aber mittlerweile glaube ich auch, dass du sie als Schlusszeile eher brauchst. Du könntest natürlich ganz wagemutig die Überschrift "Der Schmerz ist" nennen und die letzte Zeile nur "Ein Echo", dann hast du noch immer beides. Aber das ist natürlich auch nicht so dolle, geb ich zu. Nur Echo klingt, finde ich, nichtssagend.
Hättest du noch eine andere Idee?

Grüße
Trixie

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 12.07.2008, 13:58

Letzteres denke ich, Xanthi ....

Weils eine Behauptung ist, habe ich immer schon nach der Überschrift das Gefühl: "Na, wenn das so ist, dann brauch ichs ja nicht mehr zu lesen ..."

Das ist aber eine rein persönliche und subjektive Ansicht meinerseits. Lass dich davon nicht irritieren ... oder nur ein bisschen :o)

Tom.
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