stille

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Phönix

Beitragvon Phönix » 29.03.2006, 18:22

Hallo Ihr!
Ich bin neu :grin:. Hier also mein erster Gehversuch:

stille
gedanken fallen
hinab in die
tröstende weichheit der melancholie
stille

Das mit der stille am Ende finde ich noch nicht so ganz gelungen. Aber damit ist es dann ein Elfchen... ;-)

Grüße vom
Phönix

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 29.03.2006, 18:48

Hallo Phoenix,
sei Willkommen hier im Blauen Salon!

Dein Elfchen (hätte auch in Kurzlyrik gepasst?) gefällt mir sehr, überhaupt entdecke ich in den letzten Tagen hier im Forum ein Interesse in mir für diese kurzen Formen, äußerst reizvoll :grin:

Ich persönlich (aber das ist serh sehr subjektiv :cool: ) ziehe ja das Wort Traurigkeit dem Begriff Melancholie vor...für mich klingt dieses Wort wahrer und ehrlicher. Zudem ergäbe Traurigkeit mit tröstende eine hübsche Alliteration.

Ich könnte mir vorstellen, dass du zudem - soll das Gedicht denn ein Elfchen sein (sonst könnte man das letzte Wort einfach weglassen) die Traurigkeit/Melancholie in die letzte Zeile ziehst und davor die Zeile zuvor um ein Wort ergänzt, etwa:


stille
gedanken fallen
hinab in die
tröstende weichheit der tiefen
Traurigkeit


Tiefen ist natürlich noch nicht ideal...

Franktireur

Beitragvon Franktireur » 29.03.2006, 19:27

Auch von mir ein Herzliches Willkommen.

Zum Thema "Melancholie" fällt mir spontan immer wieder das Bild von Dürer ein ( "Melencolia" heißt es glaub ich ). Im Mittelalter und noch zur Zeit Dürers verstand man unter Melancholie etwas anderes als heutzutage. Die Traurigkeit, wie wir sie heute verstehen, war nicht damit gemeint. Melancholie war eher eines der "Temperamente" (andere waren sanguinisch, cholerisch etc.) und umfaßte damit weit mehr. Das bringt das Bild von Dürer auch gut zum Ausdruck.

Und schon bin ich nun beim Text. Ich habe schon den Eindruck, es geht um Melancholie in o.g. Sinne (also nicht um "reine" Traurigkeit), andererseits paßt dann die "tröstende Weichheit" nicht. Ein Problem.
Die Melancholie zeichnet sich eben darin aus, daß sie ein besonderes Gemüt auszeichnet, das weder tröstbar ist noch getröstet werden will.

Vielleicht hilft das beim weiteren Ausarbeiten des Elfchens.

Gruß
Frank

Herby

Beitragvon Herby » 30.03.2006, 02:34

Hi Phönix,

habe deinen Text sehr gerne und nachempfindend gelesen.
In einer lauten Zeit, in der man mit Geräuschen überschüttet wird, ist Stille ein kostbares Gut! Und oft genug überschüttet man sich selbst mit Geräuschen, nur um Stille nicht zuzulassen und um sich vor sich selbst und dem, was man im Zustand der Stille dann eventuell entdecken könnte, zu schützen. Sie ist unendlich kostbar geworden heutzutage und muss ausgehalten werden, wenn man wirklich sucht! Auch auf die Gefahr hin, dass man etwas findet, was man lieber nicht gefunden hätte!
Entschuldige ... so viel wollte ich eigentlich gar nicht schreiben, aber ich war noch so sehr in deinem Text! Auch wenn er dann kein Elfchen mehr sein mag, ändere die letzte Zeile nicht! Ich finde ihn, Form hin, Form her, äußerst gelungen und lesenswert, wie er ist!

LG Herby

Phönix

Beitragvon Phönix » 04.04.2006, 17:24

Hallo Ihr!

Vielen Dank für die tollen und konstruktiven Kommentare!

Traurigkeit wäre auch eine sinnvolle Möglichkeit, aber ich habe mich bewusst für die Melancholie entschieden, da ich in ihr etwas Tieferes und Andauernderes sehe, eine Grundstimmung, welche einen stets begleitet (also eher so, wie Frank sie auffasst). Traurigkeit ist für mich eher etwas Vorübergehendes, nicht so tiefes - daher vielleicht auch etwas Ehrlicheres, wie Lisa schreibt, das stimmt.

Mit der tröstenden Weichheit der Melancholie meine ich, dass man, wenn man sich ganz auf die Melancholie einlässt, sich dort verlieren kann und auch eine Inspiration finden kann, welche sich z.B. in der Musik oder Kunst ausdrücken lässt. Schaut man sich z.B. Schuberts Winterreise (oder allgemein die Werke der Romantiker) an, so ist ein wesentliches Element die Todessehnsucht als Grundstimmung, welche sich als roter Faden durch diese Werke zieht.

Viele Grüße
vom Phönix

Louisa

Beitragvon Louisa » 04.04.2006, 18:20

Hallo Phönix.

Da hast Du recht. Für alle Berliner und Berlinbesucher möchte ich an dieser Stelle die Melancholie-Ausstellung empfehlen.

Dort wird nämlich genau das, was Du so schön beschrieben hast und noch viel mehr gezeigt. Ein wundervoller, spannender Rundgang durch alle melancholischen Epochen der Menschheit.

Falls das hier jemand interessiert: Die ausgestopfte Fledermaus im Glasschaukasten neben den Totenschädeln hat mich besonders fasziniert und ich habe ein Barock-Bild gefunden, ein Originalmeisterwerk, zu welchem ich eine starke emotionale Beziehung hege...

Es ist ein Vanitas-Stillleben...

Ach ja, mag hier jemand Edvard Munch? Der hat mich mit am Meisten beeindruckt.

Zu Deinem Gedicht: Die hinabfallenden Gedanken und die tröstende Weichheit sind sehr schöne, poetische Worte. Melancholie würde ich auch so stehen lassen, da es sich wirklich, rein vom Klang her viel weicher anhört, als die schwere, alte, deutsche Traurigkeit.

Sehr schön.

LG, Louisa


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