tönen

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Niko

Beitragvon Niko » 15.09.2008, 23:01

vom Autor gelöscht
Zuletzt geändert von Niko am 07.06.2009, 16:30, insgesamt 2-mal geändert.

scarlett

Beitragvon scarlett » 16.09.2008, 20:31

Eine Künstlerseele, ein Künstler-LI ... dessen Kunst, der Gesang, genährt wird aus Schmerz und Traurigkeit. Das sich verschenkt, verschenken will, doch ohne Gegenüber "verkommt" das Lied zum Trinklied, das dem Künstler keine Befriedigung gewähren kann.

Formal, lieber Niko, wirkt das Gedicht auf mich wie ein unstrukturierter "Schlauch" und das obwohl es innere Struktur aufweist. Für meine Lesart würden sich daher mindestens eine, besser noch zwei Zäsuren anbieten: einmal nach der Klammer und dann hinter "wartet und wartet".

Ferner: in der Mitte des Gedichtes ist die syntaktische Struktur sehr verworren m M nach. Ich frage mich immer wieder, worauf sich denn das "darin" eigentlich bezieht: auf die eine, versiegende Träne, auf die Harmonien, auf die Decke??? Ich würde da versuchen, etwas "Ordung" hineinzubringen, mach es dem Leser nicht unnötig schwer ... Ich bringe jetzt absichtlich keinen Vorschlag, zu sehr würde er meine eigene Lesart offenbaren.

Ganz toll finde ich übrigens die Formulierung den schlanken Fuß am Ende des Tones ... der Moment, in dem der Ton sich setzt, ankommt, nach- und verklingt.

Insgesamt finde ich deinen Text spannend, er berührt mich.

Liebe Grüße,
scarlett

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 21.09.2008, 14:32

NJKahlen hat geschrieben:und wartet niemand
so werden die töne
ein trinklied und ich
verdurste daran


Wow! Das ist ganz groß, Niko.
Hab lange nicht mehr so einen Hammer-Satz gelesen.

Mehr will und brauch ich nicht zu sagen.
Klasse!

Tom.

>Lesezeichen<

Edith: Eins fällt mir noch auf: Reicht nicht 'töne' als Überschrift? Oder was anderes? 'durst' ?
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

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Zakkinen
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Beitragvon Zakkinen » 23.09.2008, 21:34

Ich werde Deine Worte wie meine Worte fühlen. Sie fügen sich gut.

wo am schlanken fuß eine träne


Das Bild verstehe ich nicht. Schlanker Fuß, das assoziiere ich mit Verschwinden, sich aus dem Staub machen. Ist das gemeint?

Gruß
Henkki

scarlett

Beitragvon scarlett » 23.09.2008, 22:12

Ich sehe darin eine Note, Henkki ...

scarlett

Louisa

Beitragvon Louisa » 28.09.2008, 11:14

Hallo Niko!

Ich habe gerne diesen Kontrast zwischen äußerlich fröhlichem Singen und innerlichem Schreien gelesen. Ein gutes Thema.

Ich bin auch der Meinung, dass dein Gedicht viele Stärken besitzt... Es könnte jedoch noch etwas reduzierter und damit auch leichter zugänglich sein, glaube ich. Was meinst du?

Z.B. :

glaubt meinen liedern
nicht hinter der fröhlichkeit
nährt sie der schmerz
treibt sie die wut aus verborgenem
gram (du spürst es )


Diese Zeilen hat noch niemand zitiert. Ich frage mich wieso. Ich finde es etwas kompliziert mit gleich 5 (!) abstrakten Gefühlsbegriffen (Fröhlichkeit, Schmerz, Wut, Gram) anzufangen in Verbindung mit einer appellativen Verneinung ("Glaubt nicht!") -

(Zur Verwendung solcher Worte und meiner Meinung dazu: siehe unten :smile: )

Das könnte man, denke ich, poetischer und einfacher gestalten. Wie kannst du dir ja mal ausdenken oder auch nicht ;-)

Denn der nächste Teil des Gedichts hat ganz wenig mit diesem sehr emotionalen Anfang gemein, er erscheint mir durchdachter:

am ende des tones
wo am schlanken fuß eine träne
versiegt zwischen
den harmonien keine decke liegt soviel
darin vergeblich wartet und wartet


Das mit der versiegenden Träne kann man nun natürlich auch etwas rührselig auffassen, aber ich finde es eine schöne Idee so mit dem Notenfuß zu spielen. Was allerdings die "Decke" in dieser Bildebene verloren hat, kannst du mir noch einmal erläutern!? - Aber auch das ist zumindest ein nettes Bild, die Decke zwischen zwei Harmonien. Braucht es denn da eine Decke? Was ist denn zwischen zwei Harmonien? - Liest sich jedenfalls interessant.

Ich hätte das Enjambement nach "liegt" gesetzt.

Dann reicht es m.A. nach aus nur zu schreiben:

dann wartet und wartet
und wartet niemand


Das "vergeblich" ist für mich eine sinngemäße Dopplung zu der Wiederholung von "wartet" -

Dann das bereits gelobte Ende:

so werden die töne
ein trinklied und ich
verdurste daran


Das finde ich auch wieder sehr gelungen. Das man an einem Trinklied verdurstet, ist eine feine sprachliche Idee.

Allerdings frage ich mich wieso da steht "so" -

Jetzt komme ich nochmals auf den Anfang zurück und glaube ganz kurz mein Grundproblem mit diesem an sich gelungenen Text gefunden zu haben:

Ein befreundeter Dichter, der derzeit viele Erfolge verbucht, hat so eine Sprachverwendung einmal sehr angenehm beschrieben. Er meinte: "Es gibt sehr viele Schriftsteller, ich gehörte auch dazu, die glauben, wenn ich ein Gedicht schreibe, brauche ich eine andere, feierliche Sprache. [Dazu gehören dann Worte wie "Gram" "so" "nährte" usw. für mich] und diese leicht theatralische Sprache lässt dann das ganze Thema des Gedichts in den Hintergrund rücken, weil diese Worte einen umschwirren, ohne das man über deren Bedeutung nachdenken will. Deshalb ist es vielleicht sinnvoller sich auf die Bilder und klaren Gedanken zu reduzieren und all dieses Festliche abzulegen."

Das finde ich, ist eine sehr achtenswerte Position zum Thema... Obgleich ich natürlich auch unterstreichen will, dass dein Text dieses "Problem des Pathos" nur in kleinen, kleinen Teilchen aufweist... aber er weist es für mich doch zumindest auf...und daran leidet der Inhalt mehr, als z.B. an einer "fehlenden Struktur" - meine ich.

Gerne gelesen Niko!
l

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Zakkinen
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Beitragvon Zakkinen » 28.09.2008, 11:37

Ein befreundeter Dichter, der derzeit viele Erfolge verbucht, hat so eine Sprachverwendung einmal sehr angenehm beschrieben. Er meinte: "Es gibt sehr viele Schriftsteller, ich gehörte auch dazu, die glauben, wenn ich ein Gedicht schreibe, brauche ich eine andere, feierliche Sprache. [Dazu gehören dann Worte wie "Gram" "so" "nährte" usw. für mich] und diese leicht theatralische Sprache lässt dann das ganze Thema des Gedichts in den Hintergrund rücken, weil diese Worte einen umschwirren, ohne das man über deren Bedeutung nachdenken will. Deshalb ist es vielleicht sinnvoller sich auf die Bilder und klaren Gedanken zu reduzieren und all dieses Festliche abzulegen."


Kenne und respektiere die Einstellung wohl, doch manchesmal, finde ich, darf man auch schöne Worte wählen. Wenn diese nicht der Hauptzweck werden. Wenn die Feierlichkeit nicht leere Hülle wird. Nur, weil die Leser heutzutage vergessen haben, wie man diese Art von Text liest, sich überwältigen und blenden lassen von dem ungewohnten Klang, muss man das noch lange nicht verdammen. Lasst uns alten Säcken unseren Pathos! Den ich hier übrigens nur in Spuren zu finden vermag.

Henkki

Niko

Beitragvon Niko » 29.09.2008, 06:25

hallo zusammen!
entschuldigt mein langes fernbleiben (von diesem text und überhaupt). im moment hab ich den kopf nicht frei für lyrik. sozusagen funkstille in den lyrischen synapsen. habe mich jetzt wieder gezwungen zu schreiben (oder es zwang mich?) mit nicht zwingendem erfolg.
bitte gewährt mir noch ein paar tage zeit!

lieben gruß: Niko, der den faden verloren hat....

Louisa

Beitragvon Louisa » 29.09.2008, 09:12

Guten Morgen Henkki!

Ja, in diesem Text ist das Hochtrabende nur wenig ausgeprägt, da hast du Recht. Trotzdem kränkelt er für mich gerade an diesen (zitierten) Passagen. Naja, die sind vielleicht auch nicht so ausschlaggebend hier.

Es liegt ja auch immer im Auge des betrachters, was "schöne Worte", was "schön" und was "künstlich" bedeutet. Deshalb bringt eine Diskussion über "Schönheit" oder "Wohlklang" glaube ich wenig und ich behaupte es kommt bei einem <<guten Gedicht>> auch nicht hauptsächlich darauf an - weder vor 500 oder 50 Jahren, noch heute.
In den einfachsten Texten (Z.B. "Vor vollen Schüsseln muss ich Hunger sterben" und anderes von Villon) findet man nach meinem Geschmack einen viel besseres Zusammenspiel von eben der gewünschten Schönheit gekoppelt mit einer angenehmen Tiefgründigkeit.

Grundsatzdebatten, Geschmacksdebatten... Ich glaube das führt nicht weit - ABer es macht trotzdem Spaß Politik zu spielen hier :smile: ...

Schönen Tag.
l

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 29.09.2008, 09:59

Hallo Louisa!

Grundsatzdebatten sind schon sinnvoll, finde ich; zum Beispiel die darüber, ob es denn wirklich von Vorteil ist, in einem Gedicht, in dem ich etwas ausdrücken möchte, einen Teil meines Wortschatzes an der Gaderobe abzugeben und quasi den eines anderen zu benutzen. :blink2:

"Gram" z.B. ist ein völlig normales Wort?!

Egal :-) Aber du bist jedenfalls Schuld, wenn ich jetzt gleich das "verschlafene Gewitter" einstelle ;-)

Ferdigru0!
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

Niko

Beitragvon Niko » 01.10.2008, 18:05

obwohl mir nicht danach ist, kommentiere ich jetzt mal:

wie schon gesagt: allen ein großes danke für´s kommentieren!
@monika:
zumindest eine zäsur hab ich jetzt eingebaut. und ja......die bilder sind etwas verworren. geb ich zu. mit der decke habe ich heute selbst meine probleme. aber ich komm an meinen eigenen text nicht ran, weil mir das lyrische gespür momentan ziemlich versagt bleibt.
@tom
danke für dein "wow"
bez. überschrift: ich denke, tönen ist schon ok. ich wollte auch eine leichte affinität zu erde -> tönern bringen. und das tönen als substantiv. auch im sinne von färben. aber das ist vielleicht nicht sichtbar für den leser. ich bin halt nur autor :-)

@zakki
mit dem schlanken fuß kann man als leser assoziieren, was man mag. wenns passt ist es doch ok! für mich war es auch und vorrangig das bild einer note. mit dem pathos gebe ich dir nicht recht. auch, weil ich kein alter sack sein will *g
ich finde, pathos tut nur ganz speziellen arten von lyrik gut. und das auch nur in gut dosierter darreichungsform. ich habe eine zeitlang ziemlich dramatisch pathetisch geschrieben. aber ich bin froh, dass ich von diesem tripp abgekommen bin.
@louisa
"schmerz,gram etc.".....warum soll ich große umschreibungen suchen? es kommt immer drauf an, finde ich, was das gedicht will. und hier finde ich die begriffe nicht unpassend. und pathetisch finde ich sie hier auch nicht. dabei kommt es für mich nämlich nicht (nur) auf das wort an (wie schmerz zb), sondern vor allem darauf, was man des weiteren diesem wort zuordnet. und in welcher form. gram mag ältlich klingen. ist es aber nicht. nur selten benutzt ;-)
mit dem "vergeblich" hast du völlig recht. das werde ich ändern!
deinem befreundeten dichter gebe ich in den weitesten teilen recht.
zu den ganz feinen feinheiten vielleicht später mehr. kann mich da nicht mit auseinandersetzen. nicht wegen zeit, sondern wegen mangelmuse :-(
hallo ferdi, dir kann ich ja nix schreiben, weil du direkt zum text garnix schreibst :-)
grundsatzdebatten halte ich grundsätzlich im grundsatz für wichtig. weil grundsätze sich sonst im grundsatz grundsätzlich nicht ändern!
lieben gruß:Niko

Louisa

Beitragvon Louisa » 01.10.2008, 18:08

PS: Das Problem (nur) bei den ersten Zeilen lag für mich auch vor Allem darin, dass du lauter Gefühle bennennst, sie aber nicht durch ein poetisches Mittel beim Leser erweckst...


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