Hallo Niko!
Ich habe gerne diesen Kontrast zwischen äußerlich fröhlichem Singen und innerlichem Schreien gelesen. Ein gutes Thema.
Ich bin auch der Meinung, dass dein Gedicht viele Stärken besitzt... Es könnte jedoch noch etwas reduzierter und damit auch leichter zugänglich sein, glaube ich. Was meinst du?
Z.B. :
glaubt meinen liedern
nicht hinter der fröhlichkeit
nährt sie der schmerz
treibt sie die wut aus verborgenem
gram (du spürst es ) Diese Zeilen hat noch niemand zitiert. Ich frage mich wieso. Ich finde es etwas kompliziert mit gleich 5 (!) abstrakten Gefühlsbegriffen (Fröhlichkeit, Schmerz, Wut, Gram) anzufangen in Verbindung mit einer appellativen Verneinung ("Glaubt nicht!") -
(Zur Verwendung solcher Worte und meiner Meinung dazu: siehe unten
![smile :smile:](./images/smilies/smile.gif)
)
Das könnte man, denke ich, poetischer und einfacher gestalten. Wie kannst du dir ja mal ausdenken oder auch nicht
![;-) ;-)](./images/smilies/;-).gif)
Denn der nächste Teil des Gedichts hat ganz wenig mit diesem sehr emotionalen Anfang gemein, er erscheint mir durchdachter:
am ende des tones
wo am schlanken fuß eine träne
versiegt zwischen
den harmonien keine decke liegt soviel
darin vergeblich wartet und wartet Das mit der versiegenden Träne kann man nun natürlich auch etwas rührselig auffassen, aber ich finde es eine schöne Idee so mit dem Notenfuß zu spielen. Was allerdings die "Decke" in dieser Bildebene verloren hat, kannst du mir noch einmal erläutern!? - Aber auch das ist zumindest ein nettes Bild, die Decke zwischen zwei Harmonien. Braucht es denn da eine Decke? Was ist denn zwischen zwei Harmonien? - Liest sich jedenfalls interessant.
Ich hätte das Enjambement nach "liegt" gesetzt.
Dann reicht es m.A. nach aus nur zu schreiben:
dann wartet und wartet
und wartet niemand Das "vergeblich" ist für mich eine sinngemäße Dopplung zu der Wiederholung von "wartet" -
Dann das bereits gelobte Ende:
so werden die töne
ein trinklied und ich
verdurste daran Das finde ich auch wieder sehr gelungen. Das man an einem Trinklied verdurstet, ist eine feine sprachliche Idee.
Allerdings frage ich mich wieso da steht "so" -
Jetzt komme ich nochmals auf den Anfang zurück und glaube ganz kurz mein Grundproblem mit diesem an sich gelungenen Text gefunden zu haben:
Ein befreundeter Dichter, der derzeit viele Erfolge verbucht, hat so eine Sprachverwendung einmal sehr angenehm beschrieben. Er meinte: "Es gibt sehr viele Schriftsteller, ich gehörte auch dazu, die glauben, wenn ich ein Gedicht schreibe, brauche ich eine andere, feierliche Sprache. [Dazu gehören dann Worte wie "Gram" "so" "nährte" usw. für mich] und diese leicht theatralische Sprache lässt dann das ganze Thema des Gedichts in den Hintergrund rücken, weil diese Worte einen umschwirren, ohne das man über deren Bedeutung nachdenken will. Deshalb ist es vielleicht sinnvoller sich auf die Bilder und klaren Gedanken zu reduzieren und all dieses Festliche abzulegen."
Das finde ich, ist eine sehr achtenswerte Position zum Thema... Obgleich ich natürlich auch unterstreichen will, dass dein Text dieses "Problem des Pathos" nur in kleinen, kleinen Teilchen aufweist... aber er weist es für mich doch zumindest auf...und daran leidet der Inhalt mehr, als z.B. an einer "fehlenden Struktur" - meine ich.
Gerne gelesen Niko!
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