Kluftenbrand

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Dita

Beitragvon Dita » 04.04.2006, 21:37

Aus der einen alten Wunde
Unverschlossen
Tropft alle Ablehnung
Dem Leben gegenüber
Jeder weggestoßene Augenblick
Quillt aus dem Fehlen
Müdes Weitergehen
Zur Schlucht

Jürgen

Beitragvon Jürgen » 04.04.2006, 21:55

Hallo Dita

Das gefiel mir auf Anhieb. Eine alte Wunde, die das Leben nur zu einem müden Weitergehen zur Schlucht macht. Passende Worte...

nur der Satz:
"Jeder weggestoßene Augenblick
Quillt aus dem Fehlen"
geht nicht so ganz auf. Quillt der weggestoßene Augenblick aus seinem Fehlen? Ein Augenblick wurde verdrängt, hinterlässt er eine Lücke? Oder wirkt er im Unbewußten weiter?

MfG

Jürgen

Dita

Beitragvon Dita » 04.04.2006, 22:10

Hallo Jürgen,

der Augenblick, die Gegenwart wird nicht angenommen, bzw. man verwehrt sie sich selbst, da die alte Narbe noch nicht verheilt ist, da noch immer etwas fehlt, da man noch immer in der Vergangenheit nach dem Grund für das Loch sucht, weil man noch an die Ursache denkt, die diese Wunde verursacht hat.
So, das nenn ich jetzt mal einen Killersatz.
Danke für Deine Auseinandersetzung mit meinem Wortgebilde,

Dita

Gast

Beitragvon Gast » 05.04.2006, 09:15

Ich weiß, liebe Dita, ich kürze immer gern ;-)

und glaube, dass es nicht in den falschen Hals bekommst, wenn ich dein Gedicht mal verändert hier hinein stelle.
Ich finde, dass deine Worte mit der Reduktion noch gewinnen,
eindrignlicher werden.
Außerdem ein Rat: Arbeite nicht mit verallgemeinernden Ausdrücken (alle, jeder) Ohnehin trifft alle und jeder in lyrischen Texten in der Regel nicht zu.
Ich finde deinen Text interessant und aussagestark.
Ich könnt mir vorstellen, dass du mit eigenen Worten, vielleicht durch meine Anregung noch mal zu Werke gehst.
(Quellen klingt besser als quillst)

Mit kreativen Grüßen
Gerda


unverschlossen
die eine alte wunde
aus der
ablehnung tropft

weggestoßene augenblicke
quellen aus dem fehlen

müde bewegung
hin zu schlucht
gegen das leben

Tanker

Beitragvon Tanker » 05.04.2006, 09:55

Liebe Gerda,

geht das nicht langsam ein wenig zu weit. Ich meine wenn ihr jetzt auch noch anfangt die Gedichte der Autoren zu verändern und sie sozusagen neu aufschreibt?


Viele Grüße

G.T.

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 05.04.2006, 11:04

Hallo Dita,

sehr eindrucksvoll!

Ich würde nur eine Stelle (die mir auch in Gerdas Version nicht gefällt) umstellen:

Aus der einen alten Wunde
Tropft unverschlossen
Alle Ablehnung
Dem Leben gegenüber.

Und danach würde ich einen Absatz ziehen, weil es wie bei der Komposition einer Fuge eine Art Wiederholung, doch mit einer Steigerung in der Bedeutung.
Ansonsten ein ganz ganz starkes Bild...

Gast

Beitragvon Gast » 05.04.2006, 11:51

Tanker hat geschrieben:Liebe Gerda,

geht das nicht langsam ein wenig zu weit. Ich meine wenn ihr jetzt auch noch anfangt die Gedichte der Autoren zu verändern und sie sozusagen neu aufschreibt?


Viele Grüße

G.T.

Hallo Tanker,

Was hältst du davon, die Entscheidung darüber Dita zu überlassen?
Wenn ich bei di anfange, dann kannst du meckern, gell... ;-)

Liebe Grüße
Gerda

Dita

Beitragvon Dita » 07.04.2006, 17:09

Salut Gerda,

es fällt mir schwer mein Wortgebilde nochmals zu überdenken, wenn Du schon einen Entwurf mitsendest. Deine sonstigen Anmerkungen geben mir eine Richtung, eine Idee, die ich weiter verfolgen kann.
Zu Deiner Fassung:
Man liest nun natürlich jemand anderen dahinter, da ich einen anderen Stil habe. Ich finde es nett, allerdings fern von mir.
Würde mich freuen, wenn Du mir zukünftig wieder Hinweise gibst.

Es grüßt,
Dita

medea

Beitragvon medea » 07.04.2006, 20:26

hallo dita,


dein gedicht gefällt mir sehr sehr gut, ich hoffe, du lässt es so wie es ist.

mir fällt dazu noch ein zitat ein, ich glaube von brecht

"der regen kehrt nicht nach oben zurück, wenn die wunde nicht mehr schmerzt, schmerzt die narbe."


~medea~


-------------------------------
change your point of view every now and then

Nonverbal

Beitragvon Nonverbal » 08.04.2006, 14:40

Hallo Dita,

ich kann deine Gedanken zu dem Gedicht gut nachvollziehen, finde es aber sehr kurz um mir zu munden. ich hätte mir mehr beschreibung gewünscht für die wunde, aussehen, geruch, was die wunde verursacht.
alles in allem ein kleiner gedanke aus dem sich sicher etwas gutes ausbauen lässt.

Liebe Grüße und ein schönes Wochenende,
Nonverbal

Gast

Beitragvon Gast » 08.04.2006, 15:55

Wie bitte??? :-s
Hallo Nonverbal, wir sind hier doch bei Gegenwartslyrik, oder irre ich mich?
Diese sGedicht muss man allerdings mit Bedacht lesen, das ist kein kleiner Gedanke, sondern eine Gedankenkette mit Tiefgang, die sich einem sicher nicht vordergründig darbietet.
Gruß
Gerda

Nonverbal

Beitragvon Nonverbal » 08.04.2006, 16:20

geschmäcker sind eben verschieden... ich sage doch nur ehrlich meine meinung, oder soll ich etwa lügen, wäre das besser?

Dita

Beitragvon Dita » 09.04.2006, 08:45

Salut nonverbal,

hm, ich weiß was Du meinst. Allerdings (ja, das unvermeidbare aber) möchte ich nicht alles zerkauen. Es geht ja nicht nur darum, eine bestimmte Situation zu beschreiben, es soll auch Platz für die Gedanken der Leser bleiben. Für mich ist es sehr intensiv, ohne dass ich jemanden mit Worten erschlage. Danke fürs Kommentieren!

Lieben Gruß,

Dita


Hallo Medea,

Danke! Und Danke für das Zitat! Hängt jetzt über meinem Schreibtisch.
Schönes WE,
Dita

Franktireur

Beitragvon Franktireur » 10.04.2006, 22:18

Die Auseinandersetzung mit dem Gedicht war so intensiv, daß ich dachte, ich sage mal nichts. Doch etwas fehlt mir nun doch, bzw. eine Frage geht mir im Kopf herum, die ich jetzt einfach stelle:

"müde zur Schlucht gehen" hat bei mir eine etwas andere Assoziation ausgelöst als wohl allgemein und auch, als dein eigener Kommentar suggeriert. Du sagst, ein Moment, Verarbeitung einer Wunde u.ä.;

Ich sehe jedoch jemanden müde auf eine Schlucht zugehen...
und warum tut jemand das in einer "dem Leben ablehnenden Haltung"?

Um sich hinunterzustürzen, meine ich.
Doch irgendwie wird darüber gar nicht geredet bei den Kommentaren.

Liege ich damit so daneben?

Gruß
Frank


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