immer und immer und immer

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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Elsa
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Beitragvon Elsa » 06.03.2009, 11:59

.

immer und immer und immer
nicht
siehst du das ertrinken
meiner augen noch wie das herz
versteinert
alle plagen über dich möchte ich
ausschütten
und doch warten auf ein wort von dir
immer und immer und immer
wieder


by Elsa
Zuletzt geändert von Elsa am 09.03.2009, 17:27, insgesamt 2-mal geändert.
Schreiben ist atmen

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 09.03.2009, 12:16

Lieber Ferdi,

Danke fürs Lesen und so.

Erstaunt bin ich auch, dass du so einfach den inhaltlichen Schwenk, den Hannes' Vorschlag nach sich zieht - von ich möchte doch warten auf ein Wort von dir zu ich warte auf ein Wort von dir - vollzogen hast: Ist der Unterschied wirklich so bedeutungslos für die Gedichtaussage?


Wahrscheinlich bin ich zu blöd, hier einen Unterschied in der Aussage zu finden?
und warte doch auf ein wort von dir / und doch warten auf ein wort von dir
Ich meine in jedem Fall, das "doch" ist das Wichtigste hier. Oder?

Grübelgrüße
ELsa
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Sam

Beitragvon Sam » 09.03.2009, 17:12

Hi Elsa,

entschuldige, wenn ich mich da einmische. Aber Ferdi hat völlig recht. Lies doch mal deine Erstversion:

alle plagen über dich möchte ich
ausschütten
und doch warten auf ein wort von dir
immer und immer und immer


Diese Passage wird dominiert vom "möchte ". Das LyrI möchte die Plagen ausschütten, aber dennoch warten. Eine Willensbekundung, die aber offensichtlich (noch) nicht umgesetzt wird. Es wird eine gewisse Unsicherheit ausgedrückt.

Version 2:

alle plagen möchte ich ausschütten
über dich
und warte doch auf ein wort von dir


Hier ist das Warten plötzlich etwas Reales. Das Unsichere verschiebt sich in Richtung eines Zwiespalts. Außerdem wirkt diese Version wesentlich passiver, als die erste. Die impliziert nämlich die Vorstellung einer Handlung, um etwas zu erreichen. Als könne das Plagen ausschütten dazu führen, dass jene erwarteten Worte auch wirklich kommen.
Bei der zweiten Version steht der Wunsch alleine da, denn ob er nun in die Tat umgesetzt wird oder nicht, das LYrI wartet ja sowieso.

Liebe Grüße

Sam

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 09.03.2009, 17:25

Ah, lieber Sam,

JETZT hab ichs kapiert! Das ist in der Tat ein gewaltiger Unterschied ... den ich so nicht will.

Weil es geht ja eigentlich drum, das L-Du am Liebsten zerstören zu wollen, hm.

So gesehen, werde ich den Wartesatz wieder korrigieren. Danke!

@Hannes, leonie, sorry.

Bretter-vor-dem-Kopf-Grüße,
ELsa
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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 10.03.2009, 10:06

Hallo Elsa,

der interessante Kern, oder die spannende Wendung im Gedicht, liegt für mich in diesen Zeilen
alle plagen über dich möchte ich
ausschütten
und doch warten auf ein wort von dir

Ich komme nicht ganz dahinter, ob LIch die Plagen sozusagen biblisch (an Gottes Stelle?) als Strafe über das LDu ausschütten möchte, oder ob ich es so lesen kann (würde ich gerne .-) ), dass das LIch die Plagen (man kann auch lesen, dass das Herz die Plagen versteinert, was mir hervorragend gefällt!), die LDu verursacht hat, ausschütten möchte (analog zum Herz ausschütten, was aber dann ja durch die Versteinerung nicht möglich wäre und somit auch in diesem etwas verbrauchten, oder alten Bild des versteinerten Herzens eine schöne neue Facette aufzeigen würde.), sich davon (auch von LDu?) befreien möchte. (Heißt es denn „Plagen über dich“?)
Auch der Zusammenhang zwischen den Plagen und dem ersehnten (ich würde hier nicht sagen „erwarteten“) Wort zeigt den Zwiespalt des LIchs sehr schön auf.
Die Setzung des alleinstehende „nicht“ in Verbindung mit dem „wieder“ finde ich gelungen, allerdings mag ich keine fetten Titel, das ist immer so unangenehm „laut“ und dominant. .-) Ich persönlich würde die anderen Zeilen dann nicht mehr abbrechen und weder das „versteinert“ noch das „ausschütten“ alleine setzen, meiner bevorzugten Leseweise würde diese Setzung hier entgegenkommen. :-)

immer und immer und immer
nicht
siehst du das ertrinken
meiner augen noch wie das herz
versteinert alle plagen über dich
möchte ich ausschütten und doch
warten auf ein wort von dir
immer und immer und immer
wieder

Sehr gerne gelesen!

liebe Grüße
smile

PS: schön, dass du wieder da bist. :blumen:

DonKju

Beitragvon DonKju » 10.03.2009, 21:34

Halo Elsa,

daß es da mal zurück zum Ursprung geht, ist ganz in Ordnung; Wobei ich sagen muss, daß auch mir die sprachlichen Feinheiten erst durch die Kommentare von ferdi und Sam so ganz klar geworden sind; Man lernt eben nie aus !

Lieben Gruß vom Hannes

Lyrillies

Beitragvon Lyrillies » 10.03.2009, 22:03

Liebe Elsa,

ich habe dein Gedicht inzwischen mehrmals gelesen und auch die Änderungen verfolgt.
Alles in allem muss ich sagen, finde ich es sehr schön. Obwohl man anfangs ein wenig über die Setzung des "nicht" und des "wieder" stolpert, denke ich, dass gerade diese dem Gedicht einen gewissen Charakter verleiht, der anspricht und dazu führt, dass man sich Gedanken macht. Jetzt, nachdem ich mich daran gewöhnt habe, finde ich es so wirklich sehr gut und kann es auch ohne Stolpern lesen.
Das Gedicht lässt einen nicht los, auch wegen dem
"alle plagen über dich möchte ich
ausschütten
und doch warten auf ein wort von dir"

Meiner Meinung nach ist dieser Teil sehr stark. Auch gefällt mir die Einzelsetzung des "versteinert", denn im Gegensatz zu smile finde ich, dass sich so Herz und Plagen auf diese Art wunderbar miteinander verknüpfen lassen.
Als reine Gedankenspielerei habe ich mal darüber nachgedacht, wie es mit folgender Setzung wirken würde:

immer und immer und immer
nicht
siehst du das ertrinken
meiner augen noch wie das herz
versteinert
alle plagen über dich möchte ich
ausschütten und doch warten
auf ein wort von dir
immer und immer und immer
wieder


aber das ist wie gesagt eine reine Spielerei und ich glaube, deine Setzung gefällt mir im Endeffekt besser, denn das warten wird schon ausreichend betont und so ist die Symmetrie des "versteinert" - "ausschütten" nicht mehr gegeben.
Auf jeden Fall ist es ein in meinen Augen gelungener Text, den ich gerne und oft gelesen habe. :daumen:

Liebe Grüße,

Ellie

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 13.03.2009, 10:49

Hallo nochmal!

Gehört jetzt zwar nicht direkt zum Gedicht (Elsa, verzeih), aber durch die hier verwendete "Immer wieder"-Formel angeregt habe ich angefangen, mal auf diesen Ausdruck zu achten, und festgestellt, dass er ja doch recht häufig vorkommt. Interessant ist da, die einzelnen Versionen in rhythmischer Hinsicht zu vergleichen! Elsas Version gefällt mir da schon sehr gut, aber mein momentaner Favorit stammt aus einem japanischen Gedicht aus dem 8.Jh. (Autor unbekannt, Übertragung; Manfred Hausmann):

Wie das Meer von Ago
mit seinen Wellen
wieder und wieder und immer wieder
gegen die Felsenküste wogt,
so ohne Ende ist auch meine Liebe.


Die Zeile wirkt, finde ich, am besten, wenn sie "Mr. Krabs - mäßig" gesprochen wird (es gibt da einen Spongebob-Folge, in der Mr. Krabs sehr oft "wieder... und wieder... und wieder..." sagt ;-)

Na gut, eh ich mich gänzlich zum Narren mache, noch schnell dies: Schön, dass Gedicht wieder in der Ursprungsfassung zu sehen. Wie gesagt, deren Schroffheit hait etwas durchaus ansprechendes :-)

Ferdigruß!
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 13.03.2009, 20:52

Hallo, es tut mir leid, dass ich mich so lang nicht gemeldet habe dazu, aber:
immer und immer und immer kommt was dazwischen, grrrr.

Liebe smile,
Herzlichen Dank für die Beschäftigung mit dem kurzen Textchen, freut mich sehr!
Ja, die Plagen, sie sind der Kern, genau. Und nein, obwohl wir das im Ohr haben mit den 7 Plagen,
du hast das schon richtig gelesen, LI will die über sie vom DU ausgeschütteten ihm zurückschleudern, LI ist wütend, weil unfähig, einfach abzuhauen.
Dein Vorschlag zur Setzung gefällt mir auch sehr gut, ich hebe mir das auf, doch im Moment ... du weißt schon. Schön, was du alles schreibst, tolle Replik! *strahl*
PS: schön, dass du wieder da bist.
Danke auch dafür! :-)

Lieber Hannes,
manchmal wird es mir auch erst klar, was genau ich geschrieben habe durch eure verschiedenen Repliken, schon interessant, die Textarbeit! Danke fürs erneute melden dazu!

Liebe Ellie,
Lieben Dank dir für deine Überlegungen und fürs Lob @eitel ;-)
Ja, das nicht/wieder wurde schon mehrfach angesprochen, aber irgendwie kann ichs nicht ändern zurzeit. Und wie du weiterschreibst, es ist anscheinend so "eckig", dass man dran hängenbleibt, statt drüberzulesen. Wenn das nix ist? :-)

Auch gefällt mir die Einzelsetzung des "versteinert", denn im Gegensatz zu smile finde ich, dass sich so Herz und Plagen auf diese Art wunderbar miteinander verknüpfen lassen.
Ja, so dachte ich es auch. Mal sehen, ob es in ein paar Monaten immer noch so ist.
Danke auch für deinen Setzungsvorschlag, aber wie schon gesagt ...

Lieber Ferdi,
Hihi, Sponge Bob. Aha. Ich werde dich mit meinem Engel Merlin bekannt machen :-)

Zum anderen, danke für das feine Gedicht. Ich weiß schon, dass diese mantrischen Wiederholungen seit immer und immer (!) schon ein beliebtes Mittel in der Lyrik sind, klar. Aber ich mach das halt auch zu gern!

Na gut, eh ich mich gänzlich zum Narren mache, noch schnell dies: Schön, dass Gedicht wieder in der Ursprungsfassung zu sehen. Wie gesagt, deren Schroffheit hait etwas durchaus ansprechendes
Fein! DU hast mich provoziert dazu. Danke dafür!

Liebe Grüße euch,
ELsa
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Klimperer

Beitragvon Klimperer » 04.05.2016, 10:13

Der Widerspruch der Gefühle, das Gleichzeitige, das Koexistieren von Hass und Liebe.

Ist das nicht immer so das menschliche Herz?

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 04.05.2016, 12:20

Klimperer hat geschrieben:Der Widerspruch der Gefühle, das Gleichzeitige, das Koexistieren von Hass und Liebe.

Ist das nicht immer so das menschliche Herz?


Oh ja, ich denke schon :-)
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