Beuys

Hier ist Raum für Werke, die das Zusammenspiel zwischen Literatur & anderen Künsten betonen, etwa Inspirationsfotos, fiktive Postkarten
wüstenfuchs

Beitragvon wüstenfuchs » 15.05.2009, 16:26

Heute eine Notiz von Beuys in einem Buch gefunden.

Liste seiner Materialien (inspirierend)

Fett
Wachs
Filz
Blei
Jod
Hasenblut
Honig
Blattgold
Bienenwachs
Kupfer
Schwefel

"Ich suchte nach einer Farbe (Braunkreuz) die sich nicht im geringsten als Farbe erfahren ließ, sondern eine Substanz war..."

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Sethe
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Beitragvon Sethe » 30.05.2009, 20:36

Last was ist für Dich jetzt genau "krank" und was "gesund"?
Die Darstellung einer Ansicht von Intimsphäre in der Sexualität und der Umgang mit Toten, die Deiner nicht entspricht?
Oder der Umstand, daß es doch tatsächlich andere Vorstellungen darüber gibt, wie man mit Toten und Sexualität umgeht, als Deine, und diese von Deiner abweichenden Vorstellung ist dann "krank", und Deine Ansicht darüber ist "gesund"?
Es gibt Kulturen, die haben ein völlig anders Verständnis von Tod und Umgang mit ihren Toten.
Ist deren Vorstellung und Moralempfinden jetzt "krank", weil es deiner Vorstellung vom "Gesunden" widerspricht?
Diese Fragen stellen sich mir angsichts dieser Aussage von Dir:
Dieses eine Kunstwerk verletzt meine Vorstellungen, wie ein gesundes Kunstwerk zu sein hat, denn als gesund sehe ich eine gewisse Intimssphäre des Sexuallebens und einen distanziert ehrfurchtsvollen Umgang mit den Toten an.
(von mir fett unterlegt)

Alles was dem widerspricht, sind dann "kranke" Vorstellungen?

viele Grüße
Sethe
Was ich tu, das tu ich, was ich tat, das wollte ich tun.
(aus: "Ich schließe mich selbst ein" von Joyce Carol Oates)

Last

Beitragvon Last » 30.05.2009, 23:45

Sethe hat geschrieben:Last was ist für Dich jetzt genau "krank" und was "gesund"?
Die Darstellung einer Ansicht von Intimsphäre in der Sexualität und der Umgang mit Toten, die Deiner nicht entspricht?
Oder der Umstand, daß es doch tatsächlich andere Vorstellungen darüber gibt, wie man mit Toten und Sexualität umgeht, als Deine, und diese von Deiner abweichenden Vorstellung ist dann "krank", und Deine Ansicht darüber ist "gesund"?


Ersteres ist krank, Zweiteres nicht. Für Gedanken und Kunst gilt ein völlig anderer Maßstab.
Krank ist: Echte Leichen im Geschlechtsakt öffentlich darstellen. Wie deutlich soll ich denn noch werden? Ein Bild davon, einen Film davon, ein Buch davon, was auch immer, fände ich nicht krank. Aber mit Leichen so umgehen, das finde ich krank. Damit meine ich: Ich möchte nicht, dass es sowas gibt. Ich kann auch kaum verstehen, was an diesem Standpunkt irgendwelche Alarmlampen zum leuchten bringt. Ich möchte nicht, dass mit Toten so umgegangen wird. Darin liegt keine Gefahr für die Freiheit der Kunst oder die Andersartigkeit von verschiedenen Kulturen. Hier in meiner Kultur passieren Dinge, die mir nicht gefallen. Ich sage, dass sie mir nicht gefallen. Damit gefährde ich die Freiheit von Nichts und Niemanden. Aber ich lasse mir nicht weiß machen, dass ich fickende Leichen nicht krank finden darf, weil das der Kunstfreiheit widerspricht. Wo komme ich denn da hin, wenn ich nicht mehr fühlen darf, was ich fühle, oder nicht mehr sagen darf, was ich fühle? Oder mich rechtfertigen muss für meine Gefühle.

LG
Last

Yorick

Beitragvon Yorick » 31.05.2009, 18:20

Hallo Last,

ich habe mit großem Vergnügen deinen (deine) Kommentare gelesen und viel drüber nachgedacht. Und ich finde, du hast recht (nicht mit deinem sehr schön klargelegten moralischen Standpunkt, sondern in Bezug auf "was man sagen darf").

Klar, Alarmglocken wegen krank --> entartet. Aber der BS ist kein Staatsorgan, und Ansichten keine Massenhysterie. Wir arbeiten hier ja nicht an einem Gesetzesentwurf. Also Yorick, Ball flach halten.

Und eigentlich wünsche, erwarte ich das ja von den Menschen (von der Kust): schreien, fluchen, laut werden, ungerecht werden, weinen, lachen.

Scheiß Bild, miese Skulptur, krankes Gedicht. Darum geht es ja. Gefühle raus. Aufregung, Erregung. Und jeder hat das recht, es krank ,gemein, unanständig, geil, unsittlich oder bewußtseinserweiternd zu finden. Ganz nebenbei kann so Kunst auch als Indikator für den Zustand einer Gesellschaft genutzt werden. Die Auseinandersetzung mit einem ....Wurf ist ja das wichtige. (im Extrem geht es übr Bücherverbrennung bis schlimmeres --> der Stand einer Gesellschaft.)

Ich mache es gnauso: einige mit Weltruhm bekleckerte Autoren schreiben einfach nur Mist. Schreiben scheiße. Das will ich sagen dürfen, na klar.

Überall da, wo ich diese Wucht (Wut) in mir spüre, lebt etwas in der Auseinandersetzung. Was mich kalt läßt, was mir am Arsch vorbei geht --> Scheiß drauf.


Noch etwas zum Werk: auch da hast du recht. Es ist, was es ist. Ein starkes Symbol. mehr als ein Symbol. Als erstes werden die Statuen eines Diktators nach dessen Sturz gestürzt. Eigenleben. Die Wut *soll* sich gegen die Manifestation richten, klar. Wogegen auch sonst.

(Durch diese Diskussion habe auch ich mich entwickelt. Bisher stand ich den Körperwelten-Austellungen skeptisch gegenüber. Sehe jetzt aber darin eine große Chance für eine Auseinandersetzung mit Leben, Tod und Körper. Die fickenden Leichen ist schwere Kost. Aber vom Erlebnisgefühl eine Wucht. Mein Sichtweise, nicht mehr.)

Fein.Schön. Die Diskussion hat mir (mit allen Teilnehmern) große Freude bereitet!

viele Grüße (auch an Sethe)
Yorick.

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Sethe
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Beitragvon Sethe » 31.05.2009, 19:18

Mir gefällt auch etliches in der Kunst nicht, gerade in der sog. modernen Kunst.
Vieles geht mir zu weit, verletzt Empfindungen und Menschen, ist unsensible, nimmt keine Rücksicht auf Gefühle und Empfindungen.
Aber nie werde ich ein Kunstwerk deswegen als "krank" bezeichnen. Nie.

Es ist für mich schon sehr erstaunlich, daß in einem Forum, welches sich mit Literatur befaßt, in dem Texte verfaßt werden, bei denen oft um jedes Wort gerungen wird, um ein i-Tüpfelchen gestritten wird, eine solcher Ausdruck wie "kranke Kunst" mit dem Gegenpart "gesunde Kunst" so scheinbar locker flockig akzeptiert wird. Diese Bezeichnungspaar beeinhaltet auch, daß die eine Kunst "gut" ist, und die andere Kunst "böse" ist. Eine "kranke" Kunst muß geheilt werden, wie ein bösartiger Tumor aus der Gesellschaft herausoperiert werden.
Wer zieht dann wo die Grenze? Wo ist Schluß? Bei den Ausstellungsobjekten in der von Hagen Ausstellung oder schon bei künstlerischen Darstellungen z.B. der Homosexualität?

Es gibt soviele Ausdruckmöglichkeiten sein Mißfallen kundzutun, aber man muß dies mit solchen Aussagen wie "kranke" und "gesunde" Kunst?
Wenn man in Zukunft verstärkt von "kranker" Kunst lesen und hören sollte, ist das ein schlechtes Zeugnis für unsere Kultur und Gesellschaft. Das verursacht mir mehr als nur ein Bauchgrummeln und ein Unbehagen. Und zwar mehr als Kunstwerke, die Grenzen und Tabus überschreiten.

viele Grüße
Sethe
Was ich tu, das tu ich, was ich tat, das wollte ich tun.

(aus: "Ich schließe mich selbst ein" von Joyce Carol Oates)

Yorick

Beitragvon Yorick » 31.05.2009, 20:43

Kunst ist kein Kuschelsex. Gerade nicht in der (öffentlichen) Auseinandersetzung. Bauchgrummen, ja. Aber das ist Teil des Spiels.

Was für eine großartige Diskussion ist hier entstanden, weil Louisa "krank" verwendet hat. Weil sie gesagt hat, was sie denkt oder fühlt. Wie Last. In anderen Bereichen des öffentlichen Lebens ist so etwas nicht möglich. Aber es ist dennoch da.
Und ich? Gehe gleich auf die argumentenlose Metaebene: darf man nicht sagen. Ich habe doch Gründe, Mensch! Kann ich doch sagen:

Ich finde die Austellung eine großartige Chance. Wir alle werden sterben, und dennoch ist der Tod ausgesperrt aus unserer Gesellschaft, findet hinter geschlossenen Türen statt. Trifft er uns um so härter, wenn er uns unsere Eltern, Partner oder Kinder nimmt. Aber er wird kommen. Wehe dem, der unvorbereitet ist.
Wer hat schon einmal eine Leiche gesehen? Wer hat eine berührt? Vermutliche wenige. In großen Worten: nur wer zu sterben bereit ist, wird leben können.
Die Austellung Körperwelten bricht Tabus. Mehrere. Sie ist schwer zu ertragen, weil wir uns fürchten. Weil sie uns zeigt, woraus wir gemacht sind: Fleisch und Blut. Weil sie uns zeigt, wo unsere Körper enden werden. Deshalb: genieße ihn jetzt! Er ist nur geliehen.

Ich finde es krank, wenn solche Austellungen verboten werden sollten.

Ist jetzt alles nicht sachlich und wohlstrukturiert, aber viel mehr meine Meinung als die blutleeren Worte von mir zu Beginn der Diskussion. Und damit ehrlicher.

repsektvoll,
Yorick.

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leonie
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Beitragvon leonie » 31.05.2009, 21:03

Lieber Yorick,

ich finde an dieser Ausstellung u.a. problematisch, dass sie den Tod auf Distanz bringt und das Sterben gerade nicht zeigt.
Wer sich mit Tod und Sterben vertraut machen will, der gehe in Hospize und Krankenhäuser und begleite Sterbende.
Traut sich kaum jemand. Die richtigen Sterbenden schön hinter die verschlossenen Türen und die echten Leichen dann so schnell wie möglich entsorgen.
In der Ausstellung aber kann man das Ganze schön aus der Ferne betrachten, die Ästhetik loben und seine Neugier befriedigen.
Ohne den Schmerz, die Tiefen, die Trauer, die Hässlichkeit (aber auch die Schönheit!) durchmachen zu müssen. Immer schön an der Oberfläche bleiben.

Und solange der Herr Leichen beim Sex darstellt, die nichts mit mir zu tun haben, ist alles okay. Berührt mich und mein Seelenleben ja nicht weiter.

Für mich ist weiterhin die Frage, ob nicht manch einer sich hinter dem Begrigff Kunst verschanzt, um Tabus brechen zu können und sich über die Frage nach ethischen Grundsätzen erhaben fühlen zu können. Dann entsteht für mich auch ein Schonraum, der fragwürdig ist.
Ob man das als "krank" bezeichnen sollte, ist selbstverständlich die Frage. Da müsste man vielleicht auch nochmal schauen, wie man "Krankheit" definiert. Das ist wiederum ein anderes Fass ohne Boden.

Liebe Grüße

leonie

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 31.05.2009, 21:06

Yorik,

ich bin erst 40, habe schon deutlich mehr als eine Leiche gesehen und berührt und finde die Ausstellung wenn auch nicht krank, so doch doof: Tonne auf, Ausstellung rein, Tonne zu. Und nein, ich fürchte mich nicht... Wenn du mit "wo unsere Körper enden werden" allerdings "in einer Aussstellung" meinst, ok, dann fürchte ich mich doch. Aber nicht persönlich und nicht vor der Zukunft und dem Tod, sondern vor dem Jetzt: denn eine Gesellschaft, die nichts dabei findet, Tote aufzubereiten und medienwirksam auszustellen, ist noch zu ganz anderen Dingen in der Lage; keines davon erfreulich.

Ferdigruß!
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

Last

Beitragvon Last » 31.05.2009, 21:42

Sethe hat geschrieben:Wer zieht dann wo die Grenze? Wo ist Schluß? Bei den Ausstellungsobjekten in der von Hagen Ausstellung oder schon bei künstlerischen Darstellungen z.B. der Homosexualität?


Die Grenze zieht jeder für sich selbst, auf eigene Verantwortung. Meine Grenze liegt vor dieser Skulptur. Die Grenze eines anderen liegt vielleicht dahinter.

Wer zieht dann wo die Grenze? Wo ist Schluß? Bei den Ausstellungsobjekten in der von Hagen Ausstellung oder schon bei künstlerischen Darstellungen z.B. der Homosexualität?


Mal angenommen, von Hagen hätte zwei zu Lebzeiten homophob veranlagte Männer als Leichen bei schwulem Sex dargestellt, dann würde ich nicht mehr das Wort "krank" verwenden, sondern gesellschaftlich aktiv werden um das Ganze zu unterbinden. Nicht wegen Homosexualität, sondern wegen dem verletzten Selbstbestimmungsrecht.

Wo ziehst du deine Grenze? Würdest du dich bei Kinderleichen (die Eltern hätten die Erlaubnis unterschrieben) beim Geschlechtsakt noch politisch korrekt ausdrücken: "Ich finde das aber nicht in Ordnung." :frage:

Wo liegt denn der Unterschied bei diesen drei Varianten von Leichen beim Sex? Doch nicht bei den Leichen, das sind bloß tote Körper. Doch nicht beim Künstler, der macht nur seinen Job. Der Unterschied liegt allein bei uns und unserem Moralempfinden. Mein Moralempfinden ist wohl enger gestrickt als eures. Was soll's?

---------

Yorick hat geschrieben:(Durch diese Diskussion habe auch ich mich entwickelt. Bisher stand ich den Körperwelten-Austellungen skeptisch gegenüber. Sehe jetzt aber darin eine große Chance für eine Auseinandersetzung mit Leben, Tod und Körper. Die fickenden Leichen ist schwere Kost. Aber vom Erlebnisgefühl eine Wucht. Mein Sichtweise, nicht mehr.)


Künstlerisch ist das sicherlich alles (inklusive der betreffenden Skulptur) sehr wertvoll. Unsere religiös verkrüppelte Gesellschaft hat den Tod vergessen und es müssen neue Wege gefunden werden, sich damit auseinander zu setzen. Kunst ist ein Weg zu einer solchen kulturellen Entwicklung. Aber bitte in den Grenzen einer auch für mich erträglichen Moral.

LG
Last

Yorick

Beitragvon Yorick » 31.05.2009, 21:48

Hallo Leonie,

Wer sich mit Tod und Sterben vertraut machen will, der gehe in Hospize und Krankenhäuser und begleite Sterbende.


Das stelle ich mir sehr schwer vor. Da würde ich mir wünschen, erst einmal klein Anfangen zu dürfen, dass ich Schritt halten kann, das ich mich dem Thema nähern darf.
Und ich stelle mir jetzt alle Besucher der KW-Austellung vor, die in Hospize und Krankenhäuser strömen, um die Sterbenden zu ... begleiten. Ich glaube nicht, dass das irgendjemand möchte.
Und hier möchte ich auch noch einmal den Kunstbegriff einwerfen. Reflektion, bearbeiten, verarbeiten, bewegen. Der Text von Elsa, "Sterben". Für mich eine gute Beschäftigung mit dem Thema. Eine künstlerische.
Natürlich kann des Thema dadurch auch "gedeckelt" werden, romantisiert. Kann immer passieren. Jedes Rilke-Gedicht über das Strerben ist romatisierend. Auch hier besteht die Gefahr.

Ferdi,
ich denke es wird unterschiedliche Erfahrunshorizonte in Thema Leichen geben. Du hast einige gesehen. Ich keine. Du hast keine Angst vor dem Sterben. Ich ja. In meiner Erfashrungswelt wollen viele Menschen nicht über dieses Thema reden.

denn eine Gesellschaft, die nichts dabei findet, Tote aufzubereiten und medienwirksam auszustellen, ist noch zu ganz anderen Dingen in der Lage; keines davon erfreulich.


Irgendwie ist es also aus irgendwelchen Gründen böse. Ok. Du wirst deine Gründe haben.

Interessant wäre jetzt eine Diskussion über den (rituellen) Umgang mit Toten in anderen Kulturen und zu anderen Zeiten.

Grüße,
Yorick.


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