Murnau oder Münter und Kandinsky (Endfassung)

Hier ist Raum für Werke, die das Zusammenspiel zwischen Literatur & anderen Künsten betonen, etwa Inspirationsfotos, fiktive Postkarten
scarlett

Beitragvon scarlett » 24.06.2006, 21:01

Lebenslust
gebrochen im Prisma
des Verrats -

Das grüne Kleid
bedeckt nicht
den Verlust.

Die Heuschober
gemalt
und der Geliebte
fern die Versprechen
versunken im Moor
hinter flächigen Bergen.

Auf Worte
kein Verlaß
dachte sie
und legte das Buch
zur Seite.


geändert auf Vorschlag von max
scarlett, 2006
Zuletzt geändert von scarlett am 01.08.2008, 21:57, insgesamt 4-mal geändert.

Perry

Beitragvon Perry » 29.06.2006, 20:24

Hallo Scarlett,
es ist zwar schon viel zu deinem „Bildgedicht“ gesagt worden, trotzdem möchte ich gerne noch auf zwei Punkte hinweisen.
Zum einen fällt der 3. Vers nicht nur vom Umfang sondern auch inhaltlich aus dem Rahmen. Sowohl Heuschober, Moor und Berge haben für mich keinerlei Bezug zum Inhalt und sind deshalb entbehrlich (oder sollten sie im Bildhintergrund zu sehen sein?).
Zum anderen fällt das „dachte sie“ im letzten Vers aus dem ansonsten neutral geschriebenen Blickwinkel (gewollt?).
Hier ein Vorschlag aus meiner persönlichen Sicht zu den angesprochenen Punkten:

Lebenslust
gebrochen im Prisma
des Verrats -

Das grüne Kleid
täuscht nicht hinweg
über den Verlust.

Der Geliebte
fern
die Versprechen -

Schließe das Buch
auf Worte
ist kein Verlaß

LG
Manfred

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 29.06.2006, 20:35

Liebe scarlett,

also die Berge und das Moor erkenne ich in dem Bild sehr gut, die Heuschober sind für mich "im Inneren des Bildes", außerdem hat das Buch mit ihm zu tun (dort, wo das Versprechen gegeben wurde, ich mache das an der farbe UND dem Ort fest, an dem sich das Buch befindet).

Das ganze Bild fasziniert mich seid deinem Gedicht scarlett! Leider weiß ich nicht mehr, wie der Schluss zuerst war. Vielleicht später. Aber was mir ins Auge springt:

Ich glaube, das gedicht könnte ungemein gewinnen, wenn du die zeile: „des Verrats –„ einfach streichen würdest. Denn Verrat ist es nicht ganz, was du sagen möchtest, oder? Und er wird zudem in alle Folgezeilen auserzählt:

Das Kleid täuscht nicht über ihn hinweg, der Geliebte fern und die letzte Strophe sowieso...das Gedicht würde für mich dadurch sehr gewinnen, da es nicht erklärt und doch erzählt...
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

scarlett

Beitragvon scarlett » 29.06.2006, 21:50

Huch, da ist ja mächtig was los! :smile:
Hallo und guten Abend allen...

für heute "nur" ein herzliches Dankeschön in die Runde- §blumen§
ich bin grad erst heimgekommen und hundeelendsjammermüde... heut kann ich nimmer denken...
Ich werde mir all eure Kommentare bis morgen durchlesen, durch den Kopf gehen lassen und dann darauf eingehen-
Ich wünsche euch derweil einen schönen Abend und eine gute Nacht-
bis morgen dann,

liebe Grüße, eure
scarlett

scarlett

Beitragvon scarlett » 30.06.2006, 22:42

Hallo an alle!

@ cara: liebe cara, danke für die lobenden Worte hinsichtlich des umgestalteten Schlusses-
ich habe bzgl. des Präsens hin und her überlegt, du hast mit deinem Argument dafür nicht unrecht, allerdings hab ich mich entschlossen, das Präteritum beizubehalten und das aus einem einzigen Grund: es klingt in meinen Ohren besser, es liest sich flüssiger und das liegt an den 4 x 3 Silben mit regelmäßiger Hebung/Senkung und zusätzlich an dem Vokal a aus Verlaß und dachte.

@ max: Dank auch dir für die Beschäftigung mit meinem Text.
Das "hinwegtäuschen" ist sicherlich nicht der erste Zweck des Kleides, ich dachte ja vielmehr an die Farbe grün - und das was sich so landläufig damit verbindet.
Aber deinen Vorschlag finde ich so überzeugend (in sprachlicher Hinsicht), daß ich ihn gerne und dankend annehme... ich hoffe, ich darf? :grin:

@ leonie: freut mich, daß dir mein Text immer noch gefällt.
Ich hänge an diesem dachte sie... das erscheint mir dann irgendwie so wie eine Art Resümee all dessen zu sein, was vorausgegangen ist und was sich eigentlich auch so in ihrem Kopf hätte abspielen können. Ich empfinde es als eine Art Schlußfolgerung und werde es beibehalten...

@ perry: die "Heuschober" - nicht wirklich im Bild zu sehen, da hast du recht - soll eine zusätzliche Verbindung zu Münters Malerei sein und ein HInweis auf die verstrichene Zeit sein, die sie wartend und hoffend auf Kandinsky verbracht hat.
Das "Moor" - auch nicht wirklich im Bild - gehört einfach zu Murnau, ins landschaftliche Bild, so wie die Malergruppe des Blauen Reiter. Viele der Bildmotive sind dieser Landschaft entsprungen.
Und die Berge, die sind schon drin...
Zum "dachte sie"... s. oben.
Ein "schließe das Buch", wie du es vorgeschlagen hast, könnte allerdings auch als Aufforderung gelesen werden...und der Blickwinkel bliebe ebenfalls nicht neutral.
Danke dir auf jeden Fall für die Beschäftigung mit meinem Text und die Vorschläge... merci!

@ Lisa: ich bin fasziniert, was du alles in diesen Zeilen lesen kannst... ich muß gestehen, soweit hab ich z. T. gar nicht gedacht...
Der Verrat in der ersten Zeile mußbleiben Lisa, er ist ja das Prisma, in dem die Lebenslust und alles, was man damit verbindet, gebrochen wurde, gebrochen in Warten, HOffen und schließlich doch unendliche Enttäuschung, Trauer, die übrig bleibt und die Erkenntnis- Worte sind nicht wirklich alles.
Und doch, ja, es istVerrat, was ich sagen wollte, das entspricht auch dem, was Münter ihr Leben lang so empfunden hat (was nicht wirklich was heißen muß, es ist ja mein Gedicht, aber ich wollte es tatsächlich so).

Vielen, vielen Dank euch allen für die gedanklichen Blumensträuße und die Gedankenarbeit, sagt

scarlett

Max

Beitragvon Max » 01.07.2006, 13:19

Liebe Scarlett,

für Gedichte wie dieses liebe ich den Salon. Zum einen ist unwahrscheinlich, dass ich es gelesen hätte, gäbe es den Salon nicht, zum anderen finde ich es beeindruckend, wie du hier nochmal mit dem Gedicht gearbeitet hast.

Merci und liebe Grüße,
Max


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