Aussichten I - VI

Hier ist Raum für Werke, die das Zusammenspiel zwischen Literatur & anderen Künsten betonen, etwa Inspirationsfotos, fiktive Postkarten
Mucki
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Beitragvon Mucki » 14.03.2010, 15:43


Bild
© Gabriella Marten Cortes



Hier nun die komplette Reihe:

Dateianhänge
Aussichten_I.jpg
Aussichten_II.jpg
Aussichten_III.jpg
Aussichten_IV.jpg
Aussichten_V.jpg
Aussichten_VI.jpg

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leonie
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Beitragvon leonie » 14.03.2010, 21:45

Liebe Mucki,

ich finde Deine Bilder faszinierend. Aus fachlicher Sicht kann ich nichts dazu sagen,aber ich schaue sie gerne an, man kann sie lange ansehen, ohne dass einem langweilig wird, in den Bildern ist eine Ruhe, vielleicht durch die Struktur, die sich immer darin findet.
Und dass, obwohl ich Dich eher als unruhigen, temperamentvollen Menschen wahrnehme (ich hoffe, ich trete Dir da nicht zu nahe...). Vielleicht gerade deswegen, ein Gegenpol sozusagen.

Dieses gefällt mir auch wieder sehr. Wie groß ist es im Original? Und wie hast Du die schwarzen Streifen so gerade hinbekommen? Welches Material hast Du verwendet?

Liebe Grüße

leonie

Mucki
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Beitragvon Mucki » 14.03.2010, 23:01

Liebe leonie,

ich freu mich, dass es dir gefällt. Hab es im Dezember gemacht, zählt also noch zu meiner vorherigen Arbeitsweise. Es gehört zu einer 6er-Serie, die alle das gleiche Thema haben in unterschiedlichen Farben, aber verschiedene Farben auf einer Leinwand. Dies ist das Einzige, das nur Rot und Schwarz enthält.
Oberthema lautet: perspectivas cruzadas, was man wohl etwa mit "durchkreuzte (Aus)-Sichten übersetzen würde.
Dieses hat 70 x 70, die anderen sind größer oder länger. Es ist Acryl, vermischt mit Leichtstrukturpaste auf Leinwand.
Ja, die Streifen, wie hab ich die so gerade hingekriegt, hi,hi.
Man nehme eine Leinwand, klebe verschiedene Klebestreifen auf die Leinwand. Du kennst sicher diese Rollen, die man in jedem Baumarkt bekommt. Man benutzt sie auch zum Abdecken der Fensterrahmen, wenn man Wände streicht. Also, die Klebestreifen sind kreuz und quer auf der Leinwand. Dann die eingefärbte Paste drauf und formen, wie man es möchte. Danach, bevor (ganz wichtig!) die Paste trocknet, die Streifen von den Seiten alle sehr schnell und in einem Rutsch abziehen, damit die Linien ganz gerade sind.
Ist eine Mordsschweinerei, ha,ha, aber gibt coole Effekte. Wenn abgezogen und der Rest durchgetrocknet ist, nehme man ein feines, kleines Palettmesser und fülle die helle Streifen der Leinwand mit schwarzer Farbe auf, ohne die anderen Flächen zu übermalen.
Et voila! ,-)))
Ja, diese Malerei oder sollte ich besser Modellieren sagen, ist ein guter Antipol für mich, da ich mich auf jedem Bild cm-weise sozusagen vorarbeite, teilweise ziemlich filigran arbeiten, also viel Geduld aufbringen muss.

Saludos
Mucki

keinsilbig

Beitragvon keinsilbig » 15.03.2010, 12:18

hallo gabriella,


an deinem bild kann ich nicht einfach so vorübergehen, was wohl an der etwas gewagten komposition der diagonalen im format liegt.
sie so zu setzen, dass sie genau in ecken des formats enden bzw. haarscharf auf halber höhe des formats links in vereinigung aus dem bild schießen, zerlegt das format, anstatt es zusammenzuhalten. ein effekt, der wahrnehmungspsychologisch im betrachter immer unruhe hervorruft und den eindruck von ausschnitthaften, unfertigem, das einen optischen rahmen vermissen lässt.

der mensch, der ja unbewusst in seiner wahrnehmung "ordnungstier" ist und stets "halt" für das wahrgenommene an so konstanten und absoluten ordnungssystemen wie horizontale, vertikale, 90grad-winkel, rythmus, fortsetzungen von linien, die richtungen andeuten, etc. sucht, wird hier ziemlich alleingelassen. das bild beginnt gefühlsmäßig nach links zu hängen - einfach, weil dort die sehr wahrnehmungsdominante diagonale von rechts unten das linke untere bildeck abtrennt, indem sie auch noch exakt symmetrisch den linken formatrand teilend dort auftrifft, um gleich wieder von dort nach rechts oben zu schießen. ein verhältnis eines goldenen schnittes (wie an der bildoberkante zu sehen) oder zumindest eine spannungsreichere abweichung von dieser sehr strengen und monotonen "(an)ordnung" einer teilung in der mitte, hätten ein oberflächlich unauffälliges, aber unbewusst wirkendes gleichgewicht erzeugt, das das bildgeschehen mit dem format der leinwand in verbindung bringt.

auch die restlichen schwarzen balken sowie die auffällig reliefierte fläche sind nicht so positioniert, dass alles ein gesamtes bildet, das in sich geschlossen wirkt. das ausschnitthafte der komposition des bildes hier lässt also das format gewissermaßen unbeachtet oder unbewältigt (je nachdem, wie man es sehen will).

da es aber ein einzelnes aus einem zyklus von fünfen ist, wenn ich das recht verstanden habe, ist es gut möglich, dass sie nur im verbund "stimmig" wirken. insofern also fehlt dem betrachter hier ev. etwas, das diesem bild hier eine "neue" perspektive (im zusammenwirken mit den benachbarten bildern) verleihen würde - und dann wäre die bildkritik ohnehin obsolet. für sich allein jedoch ist dieses bild ein dekoratives fragment, wirkt unfertig bzw. abgeschnitten (weil es halt aufhört, weil dort die leinwand eben zu ende war, nicht aber, weil die komposition das auge so führen würde, dass der betrachter das gefühl eines in sich geschlossenen gefüges entwickeln könnte).

farben, strukturen, materialtechnische ausführung und idee finde ich sehr gelungen. jedoch wird die komposition dem leider für mein empfinden nicht ausreichend gerecht. da fehlt ein wechsel- bzw. zusammenspiel von spannung und ordnung, das sich am format orientiert.


gruß,


keinsilbig

Mucki
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Beitragvon Mucki » 15.03.2010, 13:14

Hallo keinsilbig,

ich finde es superspannend, was du schreibst zu den Diagonalen. Wie sie das Bild zerlegen und Unruhe hervorrufen, das Gefühl bei dir bewirken, es wäre unfertig/abgeschnitten.
Die anderen Bilder dieser Reihe habe ich noch nicht fotografiert. Aber auch, wenn du sie sehen würdest, bliebe dieser Eindruck sicher bestehen, da die anderen Bilder (gleiche Art des Arbeitens, auch Linien kreuz und quer und immer ohne eine Ordnung) zusammen noch verwirrender wirken, auch wenn diese durchkreuzenden Linien das gemeinsame Element dieser Serie sind. Dieses Durchkreuzen ist hier das Thema. Ich wollte, dass diese Linien (ver)störend wirken, so als ob sie den Blick immer wieder stören, eben zuwiderlaufen. Und: keine Linie läuft genau parallel zur anderen. Auch das ist Absicht.
Auch die schwarzen, kleineren Strukturen, die wie Mouches volantes wirken, sollen diesen Effekt verstärken. Das ganze Bild könnte man auch "Wider die Ordnung" nennen. Diese Mouches volantes, die Trübungen im Glaskörper des Auges, welche den Blick trüben sowie die Linien, sind Hindernisse, verhindern die klare Sicht, verhindern ein geschlossenes Gefüge. Genau das wollte ich. Die anderen Bilder enthalten folgenden Farben: blau/gelb, grün/schwarz, blau/gelb/grün, blau/gelb/grün/rot und immer diese schwarzen Linien und die schwarzen "Mouches volantes". Die Bilder hängen alle zusammen, also man sieht sofort das verbindende Element aber eben auch das störende.
Es ist schon seltsam. In meinen Bildern findest du immer wieder ein Motiv: es ist, als ob da Strukturen und Farben miteinander "kämpfen", sich den Platz streitig machen wollen. Und genau das erlebe ich auch beim Arbeiten dieser Bilder. Ich möchte keine "Ordnung", kein gefälliges Schönes. Es soll sich da etwas abspielen, etwas aufbrechen sozusagen. Oft sagt mein Mann, wenn ich mittendrin bin: Lass es doch so, es sieht so schön aus! Und dann greift erstrecht dieser Wille in mir, genau dieses Gefällige zu stören.
Was das wohl über meine innere Psyche aussagt? :pfeifen: :mrgreen:

Saludos
Gabriella

Nachtrag:
Die anderen Bilder dieser Reihe haben Formate wie 60 x 60, 1 m x 70, 1,20 m x 40, also länglich-schmale, länglich-breite, andere kleinere quadratische, sind also auch alles andere als konform. ,-)

keinsilbig

Beitragvon keinsilbig » 15.03.2010, 14:00

Gabriella hat geschrieben: Dieses Durchkreuzen ist hier das Thema. Ich wollte, dass diese Linien (ver)störend wirken, so als ob sie den Blick immer wieder stören, eben zuwiderlaufen....
Auch die schwarzen, kleineren Strukturen, die wie Mouches volantes wirken, sollen diesen Effekt verstärken. Das ganze Bild könnte man auch "Wider die Ordnung" nennen. Diese Mouches volantes, die Trübungen im Glaskörper des Auges, welche den Blick trüben sowie die Linien, sind Hindernisse, verhindern die klare Sicht, verhindern ein geschlossenes Gefüge. Genau das wollte ich....



Es ist schon seltsam. In meinen Bildern findest du immer wieder ein Motiv: es ist, als ob da Strukturen und Farben miteinander "kämpfen", sich den Platz streitig machen wollen. Und genau das erlebe ich auch beim Arbeiten dieser Bilder. Ich möchte keine "Ordnung", kein gefälliges Schönes. Es soll sich da etwas abspielen, etwas aufbrechen sozusagen. Oft sagt mein Mann, wenn ich mittendrin bin: Lass es doch so, es sieht so schön aus! Und dann greift erstrecht dieser Wille in mir, genau dieses Gefällige zu stören.
Was das wohl über meine innere Psyche aussagt? :pfeifen: :mrgreen:




lach, gabriella,


es sagt sicher etwas über die innere psyche aus.
aber es wär schon wieder langweilig, wenn man wüsste, was, weil dann entzaubert für allezeit. *grins


ich finde deine ausführungen mindestens so spannend wie du meine.
dann scheint dir ja vortrefflich gelungen zu sein, was du angestrebt hast. :daumen:

da spielt sich definitiv eine menge ab.
und mir sagt meine wahrnehmung deines bildes und meine reaktion darauf über mich, dass ich viel zwanghafter bin, was ordnung angeht, als mir eigentlich lieb ist. *lol (wenn sich das dann wenigstens bei der hausarbeit irgendwie niederschlagen würde... seufz).

ich gestehs: ich komm vom geordneten, gefälligen im malerischen bereich noch lang nicht weg - bin da auch definitiv verbildet und komme viel zu wenig zum malen, dass ich das bis jetzt aufarbeiten hätte können. so gesehen, bist du mir da weit voraus und ich nehm ein wenig neidisch wahr, wie du das hinkriegst, so ungefällig dinge aufzubrechen und damit etwas zu bewegen.


schön!
danke dir für diese ausführliche antwort. fand ich jetzt echt spannend!


lieber gruß,

keinsilbig

Mucki
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Beitragvon Mucki » 15.03.2010, 14:09

Hallo keinsilbig,

stell doch mal eines deiner Bilder hier, in der Rubrik Polyphon, ein, hm?
Trau dich! ;-)
Ich freu mich immer, wenn ich hier im Blauen Salon auf andere Mitglieder treffe, die auch malen. ,-)))

Saludos
Gabriella

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leonie
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Beitragvon leonie » 15.03.2010, 14:34

Das ist interessant, was Ihr schreibt, keinsilbig und Mucki!!!

Huch, aber warum ist für mich in den Bildern eine "Ruhe"?
Oder ist das eher die Wirkung, weil ich sie so lang anschauen und selber etwas ordnen kann????

Ich muss es noch ein Weilchen ausprobieren, glaube ich...

Liebe Grüße

leonie

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Beitragvon Mucki » 15.03.2010, 14:49

Hi leonie,
leonie hat geschrieben:Huch, aber warum ist für mich in den Bildern eine "Ruhe"?
Oder ist das eher die Wirkung, weil ich sie so lang anschauen und selber etwas ordnen kann????

das ist sicher eine total subjektive Wahrnehmung. Auf manch einen wirkt es ruhig, für andere total unruhig.
Für mich drückt dieses Bild die absolute Unruhe, ein regelrechtes Flackern aus, so als ob man die Augen ständig öffnen und schließen würde. ,-)

Saludos
Mucki

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noel
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Beitragvon noel » 15.03.2010, 18:11

ich schleiche seit gestern um den thread.
ich liebe rot schwarz, aber hier entsteht mir
fast ...
irgendwie ist es so destruktiv, dass ich mich erwehrte &
dennoch klickte ich mich wieder hinein.
ruhe, ruhe nein, ruhe strahlt es mir so gar nicht aus
NOEL = Eine Dosis knapp unterhalb der Toxizität, ohne erkennbare Nebenwirkung (NOEL - no observable effect level).

Wir sind alle Meister/innen der Selektion und der konstruktiven Hoffnung, die man allgemein die WAHRHEIT nennt ©noel

Mucki
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Beitragvon Mucki » 15.03.2010, 19:04

Hola noel,

dieses Destruktive entsteht m.E. durch die sich überschneidenden Linien, die wie Kreuze, wie Verbote aussehen, als riefen sie: "Stopp!" Und genau dieses "Stopp!" erweckt in einem den Willen, genau das nicht zu tun, man will sich nicht bremsen lassen.
(Soweit meine psychologische Analyse ... :pfeifen: )
Und ja, keine Ruhe, genau das Gegenteil, so empfinde ich es auch.
Aber so ist es ja immer mit den Bildern. Man muss sie im Original und vor allem in Originalgröße und richtig beleuchtet sehen, diese Fotos hier geben einfach nicht richtig wieder, wie sie in Natura aussehen und wirken. *seufz*

Saludos
Mucki
P.S. Außerdem kommt es ja auch darauf an, welche Bildschirmauflösung ihr habt, welche Helligkeit ihr eingestellt habt. Hat jemand seinen Bildschirm sehr hell eingestellt, sieht das Bild wahrscheinlich nicht rot, sondern orange oder rosa (grusel) aus.

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noel
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Beitragvon noel » 15.03.2010, 19:49

es ist rot
karmesinrot & schwarz
NOEL = Eine Dosis knapp unterhalb der Toxizität, ohne erkennbare Nebenwirkung (NOEL - no observable effect level).

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Beitragvon Mucki » 15.03.2010, 19:50

jep ,-)

Trixie

Beitragvon Trixie » 16.03.2010, 17:01

Hi Mucki,
ein bisschen muss ich mich leo anschließen, ich erkenne zwar nicht unbedingt eine Ruhe darin, aber eine Ordnung, einen Wohlfühlfaktor, weil es eben nur die komplett geraden schwarzen "Balken" sind und darunter diese Strukur, nur rot und schwarz, also für mich hat es eine gewisse Ruhe und Ordnung. Wenn zu viele komplett verschiedene Sachen auf einmal verwendet worden wären, dann gäbe es eine Unruhe.
Dein Bild sieht aus wie mein neues Zimmer *hihi*:
Ich bin ja auch an sich total der ordentliche Mensch, alles muss auf Stoß, parallel und orthogonal sein und gleichzeitig ein Deko-Freak. Man könnte meinen, in meinem neuen Zimmer ist ein Second-Hand-Shop für Orientdekoartikel *g. Aber um mich dabei wohl zu fühlen, mach ich gerne ein Element einfach komplett schief und schräg. Jeder Dekoartikel hat genau seinen Platz, auch wenn er glitzert und strukturiert ist und glänzt und Muster hat. Und alles in rot/orange/gelb/schwarz. Genau das finde ich in deinem Bild irgendwie wieder in dem Untergrund. Und damit das ganze ein bisschen aufgebrochen ist, liegt bei mir ein blauer Teppich komplett schräg, gar nicht orthogonal oder parallel, in der Mitte. Das sind hier die schwarzen Balken.
So, also, danke, dass du in vereinfachter Form mein Zimmer gemalt hast *gg und jetzt, wo ich das sehe, weiß ich, dass ich mich wirklich pudelwohl fühle in meinem neuen Zuhause ;-). Und in deinem Bild!

Grüße
die Trix


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