Nachts

Hier ist Raum für Werke, die das Zusammenspiel zwischen Literatur & anderen Künsten betonen, etwa Inspirationsfotos, fiktive Postkarten
scarlett

Beitragvon scarlett » 11.08.2010, 14:44

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Zuletzt geändert von scarlett am 10.08.2011, 19:27, insgesamt 2-mal geändert.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 16.08.2010, 00:21

Hallo Monika,

wieder ein großartiges Foto von deinem Bruder.
Den Einstieg deines Gedichtes finde ich wunderbar. Dieses
scarlett hat geschrieben:Nachts
geht die Zeit auf Stelzen
versetzt mich gleich in eine ganz besondere Stimmung. Diese Zeit in der Nacht geht langsamer und hölzern (so interpretiere ich die "Stelzen"). Es wird das Nachfolgende vorbereitet, das, was nun geschieht:
scarlett hat geschrieben:und Schwarzlöchern
entsteigt durchholztes Vergessen

in dem tiefen Dunkel gibt es Lücken, die etwas freilassen, was eigentlich schon lange verhärtet ist ("durchholzt", das auch gut zu den Stelzen passt). Das Vergessen wird freigelassen, die Erinnerungen kommen hoch
scarlett hat geschrieben:Aufgefaltet
liegen die Jahre die langen
Zöpfe entflochten
und stummen dich an

und breiten sich nun vor dem LI aus. Doch diese Erinnerungen schweigen. Sie berühren, bewegen das LI nicht, weil
scarlett hat geschrieben:Kein Mond
keine Sterne

diese Erinnerungen für das LI keine leuchtenden, hellen Erinnerungen sind, sie kein Funkeln beim LI erzeugen können.
scarlett hat geschrieben:und am Morgen
ein blasses Gedicht

Einzig hiermit habe ich Schwierigkeiten. Ich hatte zuerst statt "Gedicht" "Gesicht" gelesen und es so interpretiert:
Und das LI erkennt dies. Es hat eine schlaflose Nacht hinter sich, ist müde, da es mit diesen nicht funkelnden, dunklen Erinnerungen die ganze Nacht verbracht hat, eine Ernüchterung eintritt. Aber das passt nicht, weil da "Gedicht" steht.

Soweit meine Lesart zu deinem sehr stimmungsvollen, melancholischen Gedicht.

Saludos
Mucki

scarlett

Beitragvon scarlett » 16.08.2010, 08:08

Gabriella hat geschrieben: Und das LI erkennt dies. Es hat eine schlaflose Nacht hinter sich, ist müde, da es mit diesen nicht funkelnden, dunklen Erinnerungen die ganze Nacht verbracht hat, eine Ernüchterung eintritt.



... und in dem Versuch, diese Erinnerungen zu sortieren, sie sich vielleicht doch noch einzuverleiben, zu verarbeiten, schreibt das LI. Der Versuch scheitert: das, was am Ende dasteht, ist "nur" ein blasses Gedicht, Ausdruck der schlaflosen Nacht, die nichts hervorbringt. Das Gedicht spiegelt somit das Innere des LIs.

So hatte ich mir das gedacht, liebe Mucki.

Deine Interpretation ist sehr sehr schlüssig, entspricht auch genau meinen Absichten, was mich freut, dass man das so lesen kann. Es ist nur der letzte Schritt, den du hier nicht in die angedachte Richtung gegangen bist, mag sein, dass das Gedicht hier vielleicht tatsächlich "schwächelt" oder aber die Leser-Erwartung einfach nicht bedienen will und durch die unerwartete Wenung am Schluss in eine andere Richtung zwingt?

Du bist übrigens nicht die Einzige, die an dieser Stelle "Gesicht" lesen wollte ... :smile:

Es freut mich aber ganz besonders, dass dir das Bild gefällt. Vielleicht gelingt es mir ja noch, meinen Bruder dazu zu bewegen, sich hier einzubringen.

Liebe Grüße dir und danke!

Monika

P.S. Zu den Stelzen wollt ich noch eine weitere Assoziation (neben hölzern) ansprechen: das Punktuelle, das in gewissen Abständen Hineinbohren der Löcher in die Erde ...
Was meinst du?

Mucki
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Beitragvon Mucki » 16.08.2010, 12:34

Hallo Monika,
scarlett hat geschrieben:Du bist übrigens nicht die Einzige, die an dieser Stelle "Gesicht" lesen wollte ... :smile:

Da bin ich ja beruhigt. *lach* Vielleicht solltest du tatsächlich "Gesicht" schreiben? ;-) Passen würde es nämlich sehr gut, finde ich.
scarlett hat geschrieben:P.S. Zu den Stelzen wollt ich noch eine weitere Assoziation (neben hölzern) ansprechen: das Punktuelle, das in gewissen Abständen Hineinbohren der Löcher in die Erde ...
Was meinst du?

Jep, passt genau. Es bereitet sozusagen die Ebene der "Schwarzlöcher" vor. Außerdem läuft man ja auf Stelzen ziemlich staksig, unregelmäßig, sprich, diese "Schwarzlöcher" werden in keinem regelmäßigen Abstand erzeugt, sondern kreuz und quer, wie auch die Erinnerungen, die eben nicht in einer genauen Reihenfolge hochkommen.

Saludos
Mucki


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