Luftikus

Hier ist Raum für Werke, die das Zusammenspiel zwischen Literatur & anderen Künsten betonen, etwa Inspirationsfotos, fiktive Postkarten
derSibirier

Beitragvon derSibirier » 09.10.2010, 19:36

Hallo zusammen

derSibirier war lange Zeit nicht mehr da, so wie ein Matrose, der immer wieder hinaus auf das Meer fährt, weil er keine Heimat hat, nur ein paar Erinnerungen in sich trägt, an die er zurück denkt, wenn er etwas müde oder halb tot in seinem Leben ist.

Ein kurzes Stück Prosa von mir, vertont und gesprochen hat es eine liebe Freundin.

[stream]http://www.dsfo.de/fo/files/luftikus_dersibirier_190.mp3[/stream]

zum mitlesen:

Luftikus


Unter der Zirkuskuppel, in einer unverschämten Höhe und winzig klein, sitzt der Trapezkünstler auf der Schaukel und holt mit spitz nach vorn gestreckten Beinen zu wuchtigen Schwüngen aus. Mit weiß bemaltem Gesicht, als wär er ein Harlekin, taucht der Akrobat seinen Körper mit wilder Entschlossenheit gegen die Schwerkraft an. Famos, wie sein Haar so weht in windiger Höh'. Zigarrenqualm nobler Herren vergeht in der Luft, verwandelt das Spektakel bald gar in eine Geister- und Dämonenshau.
Auf den Plätzen und Schößen der Tribüne mit offenem Munde ein jedes Kind seinen Kopf im Takte der Schaukel wiegt, bewundernde Blicke junger Frauen, steif im Rücken und gerade sitzend, manche gar heimlich in den Künstler verliebt.
Ein Mann mit krummen Beinen und Zylinderhut in die Manege stürmt, um seine schwarzen Stiefel ein kleines Hündchen springt. Es muss wohl der Zirkusdirektor sein. Mit fuchtelnden Händen er das Trommelspiel verstummen lässt. Elektrisches Knacken, grelles Licht, ein blitzender Scheinwerfer den zweiten Akrobaten an der Decke erwischt.
Gleich einem andalusischen Senor trägt er eine Rose im Mund und verbeugt sich mit ausgestrecktem Arm im Kegel des Lichts.
Graziös lässt er sich auf seine Schaukel fallen. Ein dünner Strick zerreißt und der Spanier eilt mit schnell zunehmender Fahrt seinem Compadre entgegen.
Auf halbem Wege, die Menge ist entzückt, hängt er auf einmal kopfüber im Raum und streckt dem Harlekin die Hände zu.
Wie ein Falke im Flug, aber doch flehenden Blickes, schießt dieser an ihm vorbei und schlägt einen Atemzug später im Sande der Manege auf.
Stille, die Menschen werden blass. Nur das Geräusch der Schaukeln, ein zartes Ächzen und Singen, als wehe Wind, lässt an das Leben erinnern. Der Spanier hoch oben im schaukelnden Hin und Her, seine Arme hängen wie leblos herab und die Rose aus seinem Munde zu Boden fällt.

derSibirier grüßt
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Zuletzt geändert von derSibirier am 12.10.2010, 18:27, insgesamt 2-mal geändert.

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allerleirauh
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Beitragvon allerleirauh » 10.10.2010, 10:44

hallo sibirier,

die zirkuswelt ist faszinierend. du beschreibst in deinem text zwei trapezkünstler, deren kunststück in fataler art und weise misslingt.
stellenweise fängst du die atmosphäre unter der zirkuskuppel gut ein.

insgesamt aber ist mir dein text zu adjektivlastig. mit den bildern vom harlekin, dem zylindermann und der rose im mund bedienst du die gängigen artistenklischees, glaube ich.

was mich am meisten stört, ist jedoch der satzbau. ich kann nicht nachvollziehen, wieso du das prädikat oft an die letzte stelle im satz setzt. (z.B.""Mit fuchtelnden Händen er das Trommelspiel verstummen lässt.") auf mich wirkt das manieriert. vielleicht kannst du ja etwas dazu sagen?

in zeile fünf findet sich der ausdruck "geister- und dämonenshau". ist die schreibung beabsichtigt?

lga
Zuletzt geändert von allerleirauh am 10.10.2010, 17:52, insgesamt 1-mal geändert.

derSibirier

Beitragvon derSibirier » 10.10.2010, 11:27

hallo iga

Alles in diesem Text ist mit Absicht geschrieben worden, wenn es nicht meine Absicht gewesen wäre, dann hättest du es nicht gelesen. Ich versuchte mich in einer alten Sprache, mag das sehr. Der ganze Zirkus ist ein Klischee, war es immer und wird es immer sein.

derSibirier grüßt

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allerleirauh
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Beitragvon allerleirauh » 10.10.2010, 11:50

hallo sibirier,

mich würde nun interessieren, was genau du unter "alter sprache" verstehst??
mittelhochdeutsch?

wo genau siedelst du deinen text an?

abgesehen davon, meinst du nicht, dass auch "alte sprache" grammatische und orthografische regeln hat?

wenn ich zum beispiel den satz "Famos, wie sein Haar so weht in windiger Höh'." herausgreife, dann mag der terminus "famos" vielleicht an eine bestimmte zeit gebunden sein und vielleicht auch "alt" klingen, aber ansich hat der satz keine aussage. wer oder was weht in windiger höh?

a.

derSibirier

Beitragvon derSibirier » 10.10.2010, 12:21

Bitte, wo siehst du Grammatikfehler, kläre mich auf.
1910, denke ich mir die Geschichte.
Der Betrachter denkt sich "famos, wie das Haar ...", ist das schwer verständlich für dich?
eigentlich willst du mich nur festnageln, ärgern, ist mein Gedanke,
hab keine Lust darauf, mich mit so gescheiten Leuten, wie du denkst, einer zu sein, abzumühen.
Zu schade, meine Zeit.
Es war ein Fehler von mir, hier etwas zu posten.

derSibirier geht

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 10.10.2010, 14:38

Hallo Sibirier!

Ich weiß natürlich nicht, ob dein "sich in alter Sprache versuchen" ganz genau das meint, was ich jetzt schreibe, aber: Versuche, einen Text "alt" erscheinen zu lassen, scheitern meistens kläglich. Das liegt oft daran, dass nur ausgewählte Bereiche "auf alt getrimmt" werden, zum Beispiel viele Worte eingebaut werden, die im 18. Jahrhundert geläufig waren, heute aber veraltet sind. Wenn aber dann etwa der Satzbau der des 21. Jahrhunderts bleibt, entsteht natürlich keine "alte Sprache", sondern eine Mischform, die auf den Leser / Hörer falsch wirken muss. So auch hier. Die Endstellung des Hauptsatz-Prädikats hat das Deutsche im 11. Jahrhundert mehr und mehr abgelegt; wenn du eine bald 1000 Jahre tote grammatikalische Erscheinung wiederbelebst in einem sprachlichen Rahmen der Jetztzeit, sollte dich Allerleirauhs "maniriert" eigentlich nicht wundern.

Hallo Allerleirauh,

an dem Satz Famos, wie sein Haar so weht in windiger Höh'. kann ich allerdings nichts entdecken, das Probleme machte?!

Ferdigruß :-)
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

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allerleirauh
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Beitragvon allerleirauh » 10.10.2010, 15:13

hallo sibirier,

ganz generell: ich habe kein interesse daran, hier jemanden zu ärgern. und ich halte mich auch nicht, wie du unterstellst, für gescheit.
allerdings gehe ich davon aus, dass jemand, der hier texte postet, an rückmeldungen und textarbeit interessiert ist.
das scheint uns zu unterscheiden.
wenn du den text in "alter" sprache toll findest und damit rundrum zufrieden bist, dann schreib das doch gleich dazu.
dann wird sich vielleicht keiner die mühe machen, einen kommentar dazu zu verfassen
ich bin ein mensch, der sagt und schreibt, was er denkt. so auch in diesem falle. ich finde den text gekünstelt und auf alt getrimmt. das ist meine meinung. es wird andere geben, die soetwas mögen.
wo genau ist also dein PROBLEM?
den famosen satz habe ich falsch gelesen. ich las "Famos, wie sein Haar, so weht in windiger Höh'..." daraus ergab sich für mich die frage, wer oder was da nun weht. falsch. mea culpa. lieber sibirier, lieber ferdi, ohne komma gelesen ergibt der satz sehr wohl sinn.
darf ich nochmal fragen, ob es das wort "dämonenshau" 1910 gab?

a.

Sam

Beitragvon Sam » 10.10.2010, 15:34

Hallo allerleirauh,

ich denke selbst 1910 hätte man Dämonenshau so geschrieben: Dämonenschau. Wäre hier nicht ein so selbstherrlicher Autor am Werk, tät ich ihm das fehlende c glatt schenken.

Gruß

Sam

derSibirier

Beitragvon derSibirier » 10.10.2010, 16:09

Wenn einem Grammatikfehler unterstellt werden, wo einfach keine sind, sondern das, was geschrieben worden ist, mit sogenannten Konversionen, einem Stilmittel, zum Ausdruck gebracht wurde, dann ist der Autor nicht selbstverherrlicht, wenn er geht, sondern einfach nur zu müde, um sich zu rechtfertigen. Tipp: Erst dann jemandem auf eine fehlerhafte Schreibweise hinweisen, wenn man sich dessen auch sicher ist. Das ein c in "schau" fehlt, tut mir leid, ich hab das nicht gesehen, aber ein Tippfehler ist kein Grammatikfehler.

derSibirier grüßt

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allerleirauh
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Beitragvon allerleirauh » 10.10.2010, 17:59

hallo sibirier,

wenn du noch einmal in mein erstes posting schauen willst, dann wirst du dort bereits die ernstgemeinte Frage nach der "Dämonenshau" finden. in deiner antwort gabst du sinngemäß bekannt, ALLES in diesem text sei mit absicht geschrieben worden.
tja, für mich klingt das schon ein bisschen nach selbstzufriedenheit, oder, um den begriff wieder aufzugreifen, nach einem gerüttelt maß selbstherrlichkeit.
das stilmittel der konversion ist mir durchaus bekannt, allerdings ist es meines erachtens so, dass allein der gebrauch eines stilmittels (und dessen bezeichnung) noch keinen guten text erzeugt.

a.
Zuletzt geändert von allerleirauh am 10.10.2010, 18:32, insgesamt 1-mal geändert.

derSibirier

Beitragvon derSibirier » 10.10.2010, 18:26

allerleirauh schrieb,
Zitat:
"abgesehen davon, meinst du nicht, dass auch "alte sprache" grammatische und orthografische regeln hat?"

wenn man dem Sibirier eine solche Frage stellt, dann vergeht es ihm.
*smile*, und mir wird selbstherrlichkeit vorgeworfen.
man brauche nur diesen Satz zu betrachten.


er grüßt

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 11.10.2010, 02:04

Guten Abend,

beispielhaft für das von Ferdi erwähnte Stile-Mischmasch, gibt's hier neben dem ästhetischen Problem auch prompt ein Verständlichkeits-Problem:

"Famos, wie sein Haar(,) so weht in windiger Höh'..."

Allerleirauh verstand das Wort "so" offenbar im klassischen Sinn, nämlich als Vergleich (wie gewonnen, so zeronnen). Das liegt auch nahe, weil das Wort "Famos" einen klassischen Stil einläutet. DerSibirier hingegen versteht hier das Wort "so" als moderne Umgangssprache. Wie das (irgendwie) so weht da und so.


Ave

Pjotr

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 11.10.2010, 15:11

Lieber Sibirier,

ich denke, der Beitrag passt besser in die HörBar, oder?

liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 11.10.2010, 16:20

Den Sibirier und mich binden seltsame Bande, die ich nicht so recht verstehe. Ich verstehe jedenfalls diese Sprache, diese ganz entfernte ganz fremde Sprache, die sich hereindrängt, die unverschämt ist, zumindest sein will, etwas theatralisch, etwas unbeholfen - der Albatros kommt mir in den Sinn. Die Equipage lacht. Ja, das ist auch so beim Joker, oder beim wunderbaren "Homme qui rit" von Zola. Dahinter steckt etwas, was ich mitfühle. Die sprachlichen Schnitzer scheinen mir nicht das Wichtigste.
Nun scheint mir dieser Text nicht der Wichtigste. Aber das ist doch bei allen so: malsomalso.

Ihr lasst doch untereinander auch Gepolter zu, warum ist das vom Sibirier so ... unerträglich?

lG an alle
Renée
I


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