Eigene Übersetzung von "Bright Eyes"

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Saluk

Beitragvon Saluk » 20.07.2005, 12:58

Hallo,
angeregt von Max' Nachdichtung stelle ich hier eine von mir erstellte Übersetzung des Liedes "Bright Eyes" von Simon & Garfunkel vor. Ich habe versucht, das Reimschema und den Inhalt so gut wie möglich zu übernehmen.

Original: Bright Eyes

Is it a kind of dream,
Floating out on the tide,
Following the river of death downstream?
Oh, is it a dream?

There's a fog along the horizon,
A strange glow in the sky.
And nobody seems to know where you go.
And what does it mean?
Oh, is it a dream?

Bright eyes,
Burning like fire.
Bright eyes,
How can you close and fail?
How can the light that burned so brightly
Suddenly burn so pale?
Bright eyes.

Is it a kind of shadow,
Reaching into the night,
Wandering over the hills unseen?
Or is it a dream?

There's a high wind in the trees,
A cold sound in the air.
And nobody ever knows when you go.
And where do you start,
Oh, into the dark?

Bright eyes,
Burning like fire.
Bright eyes,
How can you close and fail?
How can the light that burned so brightly
Suddenly burn so pale?
Bright eyes.

Meine Übertragung

Ist es nur ein Traum,
den die Flut hinaustreibt,
hinaus in den Totenfluß-Schaum?
Oh, ist es ein Traum?

Nebel zieht am Horizont entlang,
ein seltsamer Schimmer am Himmel.
Und niemand weiß wohl, wohin du gehst.
Das versteht man kaum?
Oh, ist es ein Traum?

Strahlende Augen,
sie brennen wie Feuer.
Strahlende Augen,
warum schliesst ihr euch und brecht?
Warum wird das Licht das vorher so hell schien,
plötzlich so schlecht?
Strahlende Augen.

Ist es nur ein Schatten,
der in die Nacht hineinreicht,
die Hügel durchwandert, man sieht ihn kaum?
Oder ist es ein Traum?

Zugwind streicht durch die Bäume,
Ein kalter Klang in der Luft.
Und keiner weiß, wann du gehst.
Und wann bist du bereit,
Oh, für die Dunkelheit?

Strahlende Augen,
sie brennen wie Feuer.
Strahlende Augen,
warum schliesst ihr euch und brecht?
Warum wird das Licht das vorher so hell schien,
plötzlich so schlecht?
Strahlende Augen.

Grüße
Saluk

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 24.07.2005, 11:52

Lieber Saluk,
es hat etwas gedauert, aber jetzt habe ich mir Gedanken zu deiner Übersetzung gemacht. Übertragung von Lyrik und Liedtexten gehört wohl zum Schwierigsten, was es zu übersetzen gibt. Manchmal glückt die vollständige Übertragung, aber oft muss man sich entscheiden, ob man den Inhalt übersetzt oder ob man Reimschema und/oder Metrum beibehält. Gerade wenn in einer Liedübersetzung die Melodie erhalten bleiben soll, ist das letzte ja wichtig. Und du scheinst darauf auch sehr viel Wert gelegt zu haben. An ein paar Stellen ist dies nun schwierig umzusetzen (zumal das Deutsche sich oft gegen melodiöses sträubt J). Diese sind:
-strahlende Augen – bright eyes = hier werden aus 2 Silben fünf. An der Stelle verlangt die Melodie eigentlich auch nach mindestens drei Silben (weshalb es ja auch bri-ight gesungen wird). Außerdem ist es wohl, mir fällt jedenfalls keine besser ein, inhaltlich die beste Lösung, wobei „strahlende Augen“ im Deutschen etwas abgenutzt ist, allerdings, vielleicht ist es das im Englischen auch?

Dann bei „plötzlich“ (auch im Refrain): Hier passte in bezug auf die Silbenanzahl eher: „mit einem Mal“. An dieser Stelle hast du meiner Meinung nach auch dem Reim (brecht – schlecht) viel Stilistisches und Inhaltliches geopfert. „Schlecht“ trifft das Gemeinte nicht, „pale“ meint eher...schwach oder matt, bleich etc...
Das nächste: In der vierten Strophe das „keiner weiß, wann du gehst“. Im englischen steht an dieser Stelle noch das ever, im Deutschen wäre deshalb für die Silbenanzahl: „keiner weiß jemals, wann du gehst“ besser?

Und die Stelle: „Und wann bist du bereit, Oh, für die Dunkelheit? - And where do you start, Oh, into the dark?“ ist meiner Meinung nach die kritischste Stelle. Hier verschiebt sich die Silbenzahl gleich zweimal, into hat im Englischen zwei Silben, für im Deutschen nur eine, dafür hat dark im Englischem nur eine und Dunkelheit aber drei. Mir ist leider auch noch keine befriedigende Lösung für diese Stelle eingefallen. Vielleicht muss man an dieser Stelle den Inhalt in einem anderen, neu gewählten Bild transformieren, das den Zustand ebenso ausdrückt?

Eine inhaltliche Anmerkung noch zu Strophe eins: Üblicherweise bringt die Flut etwas, die Ebbe zieht es hinaus. Allerdings ist das Original an dieser Stelle auch nicht konsistent: Wenn etwas von der Tide hinausgetragen wird, dann ist es ja gerade nicht mehr in einem Fluss und kann somit auch nicht mehr flussabwärts fließen.

Insgesamt finde ich, dass es dir ziemlich gut gelungen ist, Metrum, Reim UND Inhalt beizubehalten. Lohnen würden sich vielleicht auch Übersetzungen von „Old friends“, „Scarborough fair“ (dies ist zweistimmig und jede Stimme erzählt eine eigene Geschichte – was schon eine große Herausforderung an den Übersetzer ist) Vielleicht hast du sie ja schon übersetzt?

Viele Grüße,
Lisa

Saluk

Beitragvon Saluk » 25.07.2005, 07:48

Hallo Lisa,

Ich bin begeistert und geplättet! Soviel konstruktive Kritik hatte ich eigentlich gar nicht erwartet :roll:

"Strahlende Augen" ist auch in meinen Augen nicht gerade eine strahlende Übersetzung :D aber mir fiel als Alternative nur "Leuchtender/Strahlender Blick" ein, was mir auch sehr abgedroschen klang.

wobei „strahlende Augen“ im Deutschen etwas abgenutzt ist, allerdings, vielleicht ist es das im Englischen auch?


Das ist für einen nicht-Muttersprachler immer sehr schwer zu entscheiden, finde ich. Wenn ich mir heutige Liedtexte so anhöre, dann habe ich oft das Gefühl, würde der Interpret das gleiche auf Deutsch singen, würden ihn die gerade jubelnden Massen mit der gleichen Inbrunst ausbuhen :lol:
Aber scheinbar ist es gerade im Englischen daher bei weitem weniger verpönt, kitschige Bilder zu benutzen, wie es das bei uns ist.

Plötzlich/Mit einem Mal - jemals - Flut/Ebbe

Da stimme ich dir völlig zu, die von dir vorgeschlagenen Verbesserungen werde ich auf alle Fälle übernehmen. Und mit Flut/Ebbe - da habe ich mich von "tide" in die Irre führen lassen. "when the tide is out" heißt, wie du richtig bemerkt hast, natürlich "bei Ebbe" und entsprechend müßte die Stelle auch angepasst werden.

Bei der Stelle "Oh, into the dark?" wollte ich die betonten Stellen ähnlich klingen lassen, wie im Englischen:

And where do you start, oh, into the dark?


Und wann bist du bereit, oh, für die Dunkelheit?


Bleibt noch das "brecht/schlecht":

Mir schien das Bild des brechenden Blicks, der brechenden Augen im Deutschen so prägnant, dass ich daraufhin lieber auf eine sauberere Übersetzung des "pale" verzichtet habe. Auch ist im Deutschen ja durchaus "schlechtes Licht" gebräuchlich, alternativ wäre noch "matter Schein" möglich.

Ich habe mich auch schon einmal an der Übersetzung von Ausschnitten aus "Moby Dick" vergangen :roll: :wink: Gerade dieses Buch wurde in letzter Zeit ja mehrfach neu übersetzt. Dazu gibt es einen sehr interessanten Artikel aus der Literaturbeilage der Zeit, der die beiden letzten Übersetzungen vergleicht und dabei, finde ich, sehr schön das Dilemma zwischen wortwörtlicher Übersetzung und angemessener Übertragung beschreibt...

Liebe Grüße
Saluk


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