Leben und Sterben

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leonie
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Beitragvon leonie » 02.11.2006, 18:36

Über deinem Kopf
der Seidenfaden
in meinen Adern
ein Stachel

Und wir
reden und lachen
als wäre das Leben
ein neugeborenes Kind

Und ich denke
dass wir einander
doch alle nur
beim Sterben zuschauen

und zuweilen
begleiten

Klara
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Beitragvon Klara » 02.11.2006, 19:42

Das ist gut!

als wäre das Leben
ein neugeborenes Kind


Sehr, sehr schön gemalt.
Wie du bei solch einem schweren Thema die Gegensätze scheinbar mit leichter Hand hinwirfst, und doch berührt bleibst, ganz bleibst, und schmerzvoll und wissend: die Kraft des Lebens, die Unausweichlichkeit des Sterbens, die Illusion, die keine ist, sondern Leben.
Bin sehr beeindruckt, leonie!

LG
Klara

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leonie
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Beitragvon leonie » 03.11.2006, 17:37

Liebe Klara,

danke für Deine Rückmeldung, ich freue mich sehr!

Liebe Grüße
leonie

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 07.11.2006, 18:19

Liebe Leonie,

na da schließe ich mich Klara doch mehr als an!

Eine kleine Verständnisfrage: Der Seidenfaden und der Stachel, deutet das auf irgendwas hin, was bildlich zusammengehört, ich aber (wieder einmal) nicht verstehe? Mir schwa(r)nt (der mit dem langen Hals ;-)) sowas...aber ich kann es nicht fassen...:icon_redface2:

Vielleicht könnte man noch eins der drei Unds reduzieren?

Du hast eine sehr feine Ader für dieses Thema,
liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Max

Beitragvon Max » 07.11.2006, 19:28

Liebe Leonie,

Seidenfaden und Stachel lese ich als Symbole für die vergänglichkeit (Gott, wenn man das so schreibt, kann es aber auch gleich ganz schön platt klingen :-) ). Das lyr. Ich wird sich in diesem fiktiven Dialog der Fragilität der beiden Leben bewusst (klingt auch nicht besser - ich lass es .. ). Ich finde das ein sehr ergreifende Gedicht - gerade weil das Begleiten zum Schluss ein wenig gegen die Einsamkeit hilft ....

Liebe Grüße
max

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leonie
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Beitragvon leonie » 07.11.2006, 21:23

Liebe Lisa,

vielen Dank! Ja, ich hatte es so gemeint wie Max es verstanden hat. Und das dreifache „und“ hatte ich in diesem Fall bewusst gewählt. Findest Du es sehr störend? Ich hatte schon ziemlich oft mit den Thema zu tun und denke viel darüber nach...

Lieber Max,

danke für das „ergreifend“. Das Gedicht entstand nach einem Gespräch mit einem Freund, bei dem eine Erkrankung festgestellt wurde, von der man noch nicht weiß, ob sie relativ harmlos oder auch tödlich ist. Da wird einem die eigene Sterblichkeit sehr bewusst und dann entstanden diese Gedanken.

Liebe Grüße

leonie

Mucki
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Beitragvon Mucki » 07.11.2006, 23:33

Liebe leonie,

dein großartiges Gedicht beweist wieder einmal, dass man am besten schreiben kann, wenn man etwas selbst miterlebt oder erlebt. Man schreibt dann mit der Seele, nicht mit dem Kopf. Und das spüre ich hier in deinen Zeilen sehr deutlich.
Saludos
Gabriella

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leonie
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Beitragvon leonie » 08.11.2006, 15:29

Liebe Gabriella,

merkwürdig: oft kriege ich für die Texte, bei denen ich am unsichersten bin, am meisten Lob, da scheint Lisa recht zu haben. Dieser hier ist ja ziemlich schlicht. Ich freue mich sehr, sehr ,
sehr über Dein „ großartig", danke!!!

Liebe Grüße

leonie

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 16.11.2006, 15:15

Hallo,

also dem dreifachen und merkt man schon an, dass es Absicht ist, ganz klar. Ich mag das und ja auch sehr :-). Von mir also ein jetzt: es sollte bleiben :-).

Seidenfaden und Stachel habe ich auch so verstanden wie Max, aber ich erlebe sie, weil sie auch so eng beieinander noch in einer Strophe stehen, als konkret so unzugehörig zu einander. Ich muss irgendwie die ganze zeit an ein Kokoninsekt denken, dass einen Stachel hat (das es wohl nicht gibt :-)))). Ich finde auch den seidenfaden (am seidenen Faden) als Bild einfach klasse, wäre daher nicht angeneigt noch etwas aus genau diesem Kontext auch beim Ich zu lesen...vielleicht kann man mit einer Schere arbeiten statt einem Stachel? Die Spitzen der Schere oder dergleichen? dann wäre der Kontext da:

Ich = am seidenen Faden
Du = ffühlt durch die Gefahr, in der das Ich ist, die Spitzen/messer/ etc. der Schere, die diesen bzwl. viele dieser Fäden durchscneidet als ob nichts wär...

weißt du, was ich meine?

Liebe grüße,
Lisa
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Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 16.11.2006, 19:20

Liebe Leonie,

eine Umkehrung des christlichen Topos? Oh Tod, wo ist dein Stachel? Dein Gedicht ist gelungen. Mir fällt nichts ein, was man verbessern könnte.

Grüße

Paul

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Beitragvon leonie » 16.11.2006, 21:56

Liebe Lisa, lieber Paul Ost,

danke für Eure Rückmeldungen!

Lisa, diesmal kann ich Deinem Vorschlag nicht folgen, weil ich den „Stachel“ ganz bewusst als Bild gewählt habe(wegen des Bezugs, den Paul Ost erwähnt) und auf gar keinen Fall darauf verzichten möchte.

Liebe Grüße
leonie

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 16.11.2006, 22:54

Liebe leonie,

aber wenn der Stachel doch einen Kontext hat, dann ist er ja auch toll. Nur hatte ich doch genau nach solch einem Kontext gefragt, aber da du auf Max' Lesart bezug nahmst und Pauls darin nicht enthalten war, konnte ich das natürlich nicht wissen. Wenn es da eben genau solche (christlichen) bezüge gibt wie du schreibst, dann passt es doch sehr sehr gut! Nur wusste ich eben nicht um diesen :-)

Liebe grüße,
Lisa
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aram
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Beitragvon aram » 17.11.2006, 06:19

liebe leonie

ich schließe mich klara an.

einzig das wort "begleiten" fällt für mich etwas ab (weiß nicht warum - empfindung, keine analyse)

- wenn ich das "und" vor "zuweilen" weglasse, ist "begleiten" plötzlich wieder stark.

- dann stehen aber nur noch zwei "und" vor den mittelstrophen, was so nicht passt - und nun weiß ich nicht weiter, beide finde ich wichtig ... kaum durch anderes zu ersetzen oder wegzulassen, diese "und" in bedeutungsannäherung zu "doch" machen den text mit aus...

- alternativ könnten alle drei u. stehen bleiben, und "begleiten" ersetzt werden - "führen" wäre z.b. stark genug an dieser stelle - leider passt es wohl inhaltlich nicht...

leider kann ich für diese situation keine synthese vorschlagen ... würde daher alles lassen wie du es geschrieben hast - die 'schwäche' von "begleiten" ist sublim, man muss sie nicht wahrnehmen, und das gedicht ist auf jeden fall gut.

morgengrüße
aram
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leonie
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Beitragvon leonie » 17.11.2006, 16:06

Liebe Lisa,

ja, es gibt die Rede vom „Stachel des Todes“, das hatte ich im Hinterkopf.

lieber aram,

vielen, vielen Dank! Ich finde auch den Schluss (in der Kombination dieser Worte) am schwächsten, aber mir ist einfach noch nichts besseres eingefallen. Ich hoffe noch auf Inspiration.

Liebe Grüße

leonie


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