Am Wasser. Eine Spur

Scal

Beitragvon Scal » 14.05.2007, 23:39

Die Schiffe,
alten Ufern treu,
wissen nicht wohin

Strudelndes Wasser,
irrende Klänge,
Teile aus mir

Das Auge,
Füßen anvertraut,
schlürft Sand

Das Meer rollt die Zunge
der dehnbaren Zeit

Mucki
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Beitragvon Mucki » 15.05.2007, 01:22

Hi Scal,

ein faszinierendes Gedicht. So voller Bilder, man sucht die Spur.

Die Schiffe,
alten Ufern treu,
wissen nicht wohin --> hier lese ich an fremden Ufern gestrandende Schiffe oder auch Schiffe, die sich in einem Sturm befinden könnten

Strudelndes Wasser,
irrende Klänge,
Teile aus mir --> Hier kommt mir das Bild der Sirenen aus der Sage in den Sinn, frage mich nur, wieso "Teile aus mir"?

Das Auge,
Füßen anvertraut,
schlürft Sand --> ganz tolles Bild für einen blindmachenden Sandsturm!

Das Meer rollt die Zunge
der dehnbaren Zeit --> hier beschreibst du die Gezeiten

Wer weiß, vielleicht habe ich ja einige "Spuren" gefunden,-)
Saludos
Mucki

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 15.05.2007, 10:41

Hi Scal,

Das Meer rollt die Zunge finde ich ganz toll!

Insgesamt ergreift mich dein Gedicht.
Nur die Zeile: Teile aus mir sagt mir gar nichts, so sehr ich darüber nachdenke.

Das Auge,
Füßen anvertraut,
schlürft Sand
Auch das sehr ungewöhnlich und spannend formuliert.

Gern gelesen,
lieben Gruß
ELsa
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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 15.05.2007, 13:41

Hallo Scal,
auch hier sind es wieder einzelne Bilder, bei denen mir der Rahmen, die Geschichte irgendwie fehlt und der Zugang.
Was geschieht mit den Schiffen?
Woher kommen die Klänge, warum irren sie?
Welche Teile?
Wessen Auge, warum nur eines, warum ist es den Füßen anvertraut, kann es nicht in eine andere Richtung schauen?
Dass ein Auge Sand schlürft, gefällt mir persönlich als Bild nicht, das ist eine sehr unangenehme Vorstellung.
Das Meer rollt die Zunge, fände ich auch sehr gelungen, aber es ist ja die Zunge der Zeit. Oder?
Formal hätte ich auf die Kommatar verzichtet.
Ich bin gespannt, was alles in dem Gedicht steckt, was ich nicht erkennen konnte.

liebe Grüße smile

Scal

Beitragvon Scal » 15.05.2007, 23:02

Hallo Mucki, Elsa und smile,

vielen Dank für eure Kommentare, ich versuche ein wenig, meine Intentionen insgesamt zu erläutern.

Vorgänge und Stimmungen will das Gedicht vermitteln. Es sind einzelne Bilder (@ smile), den Rahmen (@smile) bildet eine Hälfte des Titels ("Am Wasser").

1

Am Wasser der Anblick von Schiffen, eine Impression. Ein Stimmungsbild: sie wirken, als wären sie an diesen Ufern in ihrer Heimat, als seien sie damit treu verbunden. Sie schaukeln, wie unentschlossen, nichts lenkt sie fort, atmosphärisch erscheinen sie wie Wesen -

Die Schiffe,
alten Ufern treu,
wissen nicht wohin

2

Zwischen den Schiffen strudelndes Wasser. Strudelndes Wasser, klingend wie irrende Klänge. Eine Selbstwahrnehmung. Wie in mir ! Teile aus mir. Ein Geschehnisbild der Außenwelt wird zu einem bildhaften Ausdruck für innere Verhältnisse.

Strudelndes Wasser,
irrende Klänge,
Teile aus mir

3

Weiter am Wasser entlang. Schreiten, nachdenklich, durch den Sand. Betrachten, sehen: die schlürfenden Füße. Sehen = zuwenden = anvertrauen. Das "Auge" = Sehen.

Das Auge,
Füßen anvertraut,
schlürft Sand

4

Das Meer. Es rollt Wellen heran. Zungenhaft. Das Zeitempfinden wandelt sich, wird "weiter", dehnt sich.

Das Meer rollt die Zunge
der dehnbaren Zeit

-

Kommasetzung (@smile) Meistens verzichte ich auch darauf, aber ich habe sie hier im Sinne von Atempausezeichen dann doch als passend empfunden.

"Eine Spur" im Titel meint das Gedicht.

Ich weiß nicht, ob meine Intentionen genug nachvollziehbar sind.

Liebe Grüße
Scal

Mucki
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Beitragvon Mucki » 16.05.2007, 00:04

Hi Scal,

jetzt, mit deiner Erläuterung ist deine Intention klar, jedoch wird sie so, jedenfalls für mich, nicht klar aus deinen Zeilen, wie du an meinen wilden Interpretationen gesehen hast *g*.

Vielleicht kannst du, ich glaube, da genügen wenige Worte, noch ergänzen, damit es klarer wird. Nur zwei Beispiele als Anregung:

Am Wasser der Anblick von Schiffen, eine Impression. Ein Stimmungsbild: sie wirken, als wären sie an diesen Ufern in ihrer Heimat, als seien sie damit treu verbunden. Sie schaukeln, wie unentschlossen, nichts lenkt sie fort, atmosphärisch erscheinen sie wie Wesen -

Die Schiffe, --> hier noch ein "fest vertäut" oder ähnliches dranhängen
alten Ufern treu,
wissen nicht wohin



Zwischen den Schiffen strudelndes Wasser. Strudelndes Wasser, klingend wie irrende Klänge. Eine Selbstwahrnehmung. Wie in mir ! Teile aus mir. Ein Geschehnisbild der Außenwelt wird zu einem bildhaften Ausdruck für innere Verhältnisse.

Strudelndes Wasser, --> hier z.B. dranhängen: zwischen ihnen
irrende Klänge,
Teile aus mir


In dem Sinne halt. Verstehst, wie ich meine? Sonst kommt man in eine andere ganz Richtung oder bekommt keinen Zugang zu deinen so schönen Bildern,-)
Saludos
Mucki

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Beitragvon Elsa » 16.05.2007, 08:47

Hi Scal,

du erklärst hier:

Zwischen den Schiffen strudelndes Wasser. Strudelndes Wasser, klingend wie irrende Klänge. Eine Selbstwahrnehmung. Wie in mir ! Teile aus mir. Ein Geschehnisbild der Außenwelt wird zu einem bildhaften Ausdruck für innere Verhältnisse.

Strudelndes Wasser,
irrende Klänge,
Teile aus mir


Trotzdem wird es mir nicht klarer in der Zeile selbst.
Vielleicht etwas anders formulieren?

Lieben Gruß
ELsa
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Scal

Beitragvon Scal » 16.05.2007, 23:37

Vielen Dank, Mucki und Elsa für eure Anregungen.

Die Schwierigkeit ist, dass bei einer "deutlicheren", mehr erläuternderen Version der grundsätzliche Stil (ganz knapp, mit einigen wenigen Bildern Impressionen von innerlich-äußerlichen Vorgänge zu vermitteln) verlassen werden müsste. Das würde atmosphärisch ein anderes Gedicht ergeben.

Wenn die einzelnen Bilder mit ihren Aussagen die Intention nicht so recht nachvollziehbar machen, erzählen sie zugleich von einem weitgehend misslungenen Gedichtversuch.

Während des Schreibens dachte und fühlte ich mich offensichtlich in andere "Verständnisgegenden" hinein.

Liebe Grüße
Scal

Mucki
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Beitragvon Mucki » 16.05.2007, 23:43

Hi Scal,

die Frage ist nun, was du möchtest. Wenn für dich das Gedicht so stimmig ist, ok.
Wenn es für dich aber wichtig ist, dass der Leser dein Gedicht gemäß deiner Intention versteht, dann müsstest du umformulieren. Vielleicht findest du ja teilweise andere Worte, die klarer rüberbringen, was du meinst, ohne den knappen Stil, den du anstrebst, verlassen zu müssen, hm?
Saludos
Mucki

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Beitragvon Elsa » 16.05.2007, 23:44

Lieber Scal,

Naja, man könnte es schon ohne Verwässerung hinkriegen, dicht zu bleiben.

Was hältst du davon:

Strudelndes Wasser,
irrende Klänge,
auch in mir / wie in mir

Hm?

Lieben Gruß
ELsa
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Beitragvon Mucki » 16.05.2007, 23:50

Es geht ja nicht nur um diesen Vers, jedenfalls bei mir. Es geht um alle Verse, die in ihrer Knappheit in die Irre führen. Vor allem finde ich es wichtig, dass man, als Leser, die Spur, die sich durch die Verse ziehen soll, auch findet.
Saludos
Mucki

Scal

Beitragvon Scal » 17.05.2007, 00:03

Liebe Mucki, liebe Elsa,

Danke euch, momentan weiß ich nur, dass ich es "ruhen" lassen muss. Ich neige meistens dazu, langsam und wie tastend zu fühlen, um dann darauf hinzuhorchen, was sich so ergibt und einstellt.

Lieben Gruß
Scal

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Beitragvon Mucki » 17.05.2007, 00:05

Hi Scal,

ja, da hast du völlig Recht. Erstmal Abstand gewinnen, sacken lassen, sonst ist man "betriebsblind".
Saludos
Mucki

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Beitragvon Elsa » 17.05.2007, 00:24

Sehe ich auch so.

Lieben Gruß
ELsa
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