Plötzlicher Schub
Sie betrachtete ihr Gesicht im Spiegel die Furchen und Falten, die sich in letzter Zeit überaus schnell vermehrt und manifestiert hatten.
War das außergewöhnlich in ihrem Alter? Die Trauer um Vergangenes hinterließ halt Spuren. Genau diesen mochte sie aber gerade jetzt nicht nachspüren. In den Garten wollte sie, in die Wärme, nach der sie sich sehnte, wie alle Menschen nach dem langen Winter und
dem sonnengeizigen Frühling.
Ob es warm genug war für den Bikini? Ging das überhaupt noch, sie und Bikini? Sie zog sich aus und besah ihren Körper. Erst von vorn, das ging. Ein bisschen zu viel auf den Rippen und die Taille war nur noch andeutungsweise zu sehen, aber es gab Schlimmeres.
Von der Seite sah das schon nicht mehr ganz so gut aus, die Bauchwölbung war auch mit dem mildesten Blick nicht mehr als leicht zu bezeichnen. Sie zog den Bauch ein, spannte die Muskeln an, merkte allerdings rasch, dass sie das nicht lange so würde aushalten können.
Mutig drehte sich vor dem dreiteiligen Spiegel. Die Rückenmitte war geschmeidig, aber die Hautwellen weiter unten, seitlich über den Rippen, da wo einst alles glatt und straff gespannt gewesen war. Ob sie die noch einmal wegbekam, vielleicht mit Disziplin, Sport und Diät? Oder wurden diese unschönen Hängepartien nun Teil ihres Körpers?
Weshalb sollte es ihr anders ergehen, als den meisten Frauen, bei denen der Alterungsprozess (sie war eine unerbittliche Beobachterin solcher Prozesse), sogar schon in jüngeren Jahren einsetzte als bei ihr. Sie war sich bisher reich beschenkt vorgekommen mit ihrem Körper. Aus. Vorbei.
Sie nahm sich so anders wahr als gestern noch. Ganz so, als ob diese Veränderung, nein, sie musste den Dingen klar ins Auge sehen, der Alterungsprozess bei ihr plötzlich, ohne warnende Vorzeichen, eingesetzt habe. Ihr Verstand funkte dem Bauch: Blödsinn, du hast dir deine Rückseite nur lange nicht mehr angesehen, finde dich ab.
Jetzt erst recht, beschloss sie und zog den Bikini an. Er kniff hier und da. Über den Kauf eines Einteilers würde sie im Liegestuhl nachdenken.
©GJ20100920
Plötzlicher Schub
Kann schon sein, Leo, dass das bei Frauen in der Öffentlichkeit so ist. Also die Außenwahrnehmung und -darstellung. Aber glaub ja nicht, dass Männer nicht den gleichen kritischen Blick in den Spiegel werfen. Und darum geht es ja in dem Text. Und auch die gleichen Maßnahmen ergreifen.
Zunehmend, und auch hier durch die Medien gestützt, gilt für Männer eh das Gleiche wie für die Frauen. Die Maßstäbe werden härter, Mann ist schlank und fit, gebräunt, sportlich, lässig. Geld und Status helfen natürlich. Wobei immer noch gilt, dass ein Mann durch Falten und graue Haare eher interessanter wird. Durch Fettpolster sicher nicht.
Und zum Thema Brigitte: hatte gerade auf dem Rückflug eine in der Hand. Haben ja angeblich keine Models mehr. Fällt kaum auf. Ohnehin besteht die Illustrierte zu 50% aus Anzeigen, und da gibt es die Models weiterhin. Und zweitens: was macht ein Model zum Model? Dass es fotografiert wird. Wenn es dafür Geld gibt, ist das Modeln. Und wenn nicht, dann Ausbeutung. Einen veränderten Maßstab erkenne ich nicht.
OK, passt nur so halb zum Thema. Der Text sollte im Fokus bleiben, ich schwoff ab.
Grüße
Henkki
Zunehmend, und auch hier durch die Medien gestützt, gilt für Männer eh das Gleiche wie für die Frauen. Die Maßstäbe werden härter, Mann ist schlank und fit, gebräunt, sportlich, lässig. Geld und Status helfen natürlich. Wobei immer noch gilt, dass ein Mann durch Falten und graue Haare eher interessanter wird. Durch Fettpolster sicher nicht.
Und zum Thema Brigitte: hatte gerade auf dem Rückflug eine in der Hand. Haben ja angeblich keine Models mehr. Fällt kaum auf. Ohnehin besteht die Illustrierte zu 50% aus Anzeigen, und da gibt es die Models weiterhin. Und zweitens: was macht ein Model zum Model? Dass es fotografiert wird. Wenn es dafür Geld gibt, ist das Modeln. Und wenn nicht, dann Ausbeutung. Einen veränderten Maßstab erkenne ich nicht.
OK, passt nur so halb zum Thema. Der Text sollte im Fokus bleiben, ich schwoff ab.
Grüße
Henkki
Liebe Gerda,
Ich lese natürlich fast alle Texte und es ist nicht leicht, zu kommentieren, wenn man keine eindeutige Meinung hat.
Von allen Texten, die du hier eingestellt hast (in deiner neuen Mitgliedschaft) gefällt mir dieser am Besten.
Allerdings ging es mir wie Henkki, ich erwartete einen Krankheitsschub. Diese erste Hürde übersprungen, finde ich deinen Text sehr klar, eindringlich, nachvollziehbar. Es gibt immer diesen Moment, der eine Entwicklung fixiert, wie bei der Photographie - nach diesem Fixierbad sieht der Gegenstand (der Körper also) anders aus. Ein Zurück gibt es dann nicht mehr.
Ich finde, du brauchst nicht unbedingt für eine Pointe oder Überraschung zu sorgen, aber mir geht es wie Zefira: da lässt mich etwas unbefriedigt zurück.
Dass du mit dem Nachdenken über einen Einteiler endest, und die Hängepartien in den Vordergrund rückst, spricht mich einerseits wegen der kargen Banalität sehr an. Andererseits erwarte ich noch eine Erkenntnis, eine Selbstironie, DENN NICHT ALLES BERUHT AUF DEM KÖRPER. Die radikale Ko-Existemz von Körper und Geist ermöglicht Umkehrungen, der alte Körper (Alice und die Avatare) besiegt die scheinbar makelllosen Avatare durch pure Vitalität ....
Du hast Recht, wenn du jetzt einwendest, dass dies gerade nicht dein Thema war. Dann muss aber noch eine Stufe höher oder tiefer geschraubt werden.
es war sehr spannend, diesem Text und der daraus entstandenen Diskussion nachzugehen.
liebe Grüße
Renée
Ich lese natürlich fast alle Texte und es ist nicht leicht, zu kommentieren, wenn man keine eindeutige Meinung hat.
Von allen Texten, die du hier eingestellt hast (in deiner neuen Mitgliedschaft) gefällt mir dieser am Besten.
Allerdings ging es mir wie Henkki, ich erwartete einen Krankheitsschub. Diese erste Hürde übersprungen, finde ich deinen Text sehr klar, eindringlich, nachvollziehbar. Es gibt immer diesen Moment, der eine Entwicklung fixiert, wie bei der Photographie - nach diesem Fixierbad sieht der Gegenstand (der Körper also) anders aus. Ein Zurück gibt es dann nicht mehr.
Ich finde, du brauchst nicht unbedingt für eine Pointe oder Überraschung zu sorgen, aber mir geht es wie Zefira: da lässt mich etwas unbefriedigt zurück.
Dass du mit dem Nachdenken über einen Einteiler endest, und die Hängepartien in den Vordergrund rückst, spricht mich einerseits wegen der kargen Banalität sehr an. Andererseits erwarte ich noch eine Erkenntnis, eine Selbstironie, DENN NICHT ALLES BERUHT AUF DEM KÖRPER. Die radikale Ko-Existemz von Körper und Geist ermöglicht Umkehrungen, der alte Körper (Alice und die Avatare) besiegt die scheinbar makelllosen Avatare durch pure Vitalität ....
Du hast Recht, wenn du jetzt einwendest, dass dies gerade nicht dein Thema war. Dann muss aber noch eine Stufe höher oder tiefer geschraubt werden.
es war sehr spannend, diesem Text und der daraus entstandenen Diskussion nachzugehen.
liebe Grüße
Renée
Lieber Henkki,
das geht schon in Ordnung mit der Diskussion. Ist doch interessant genug, sich darüber auszutauschen.
Ich würde mir nicht anmaßen, dich in die sog. "Männerschublade" zu stecken. (Schon gar nicht nach deinem tollen Text: "Morgenstunden", denn ein "Stückchen vom Autor" steckt immer im Text).
In dieser Hinsicht haben meine Söhne (24 + 22 Jahre) schon ganz gute Umerziehungsarbeit an mir geleistet. Manchmal kann es natürlich dennoch passieren, dass ich, ganz Kind meiner Generation, in "Männlein" und "Weiblein" einteile. Das ist aber weder gewollt noch im obigen Text intendiert. Im Grunde ist der doch individuell und nicht abstrakt.
Schon möglich, dass ein Mann ihn ganz ähnlich schreiben würde, nur um sich dann anschließend zu überlegen, ob er er die Badehose unterm oder überm Bauch trägt.
Was die Medien angeht hast du sicher Recht. Ich bilde mir allerdings ne ganz Menge darauf ein, "persönlich" diesen Mechanismen eher nicht auf den Leim zu gehen ... literarisch verwursten kann ich sie ja dennoch.
Das Monatsthema ist "Körper" . Mein Text bringt darüber hinaus den Alterungsprozess ins Spiel, der natürlich nicht rein äußerliche Auswirkungen hat.
Daran haben alle Menschen mehr oder weniger zu knacken... nur, das wollte ich hier nicht thematisieren, sondern nur andeuten.
Liebe Grüße
Gerda
das geht schon in Ordnung mit der Diskussion. Ist doch interessant genug, sich darüber auszutauschen.
Ich würde mir nicht anmaßen, dich in die sog. "Männerschublade" zu stecken. (Schon gar nicht nach deinem tollen Text: "Morgenstunden", denn ein "Stückchen vom Autor" steckt immer im Text).
In dieser Hinsicht haben meine Söhne (24 + 22 Jahre) schon ganz gute Umerziehungsarbeit an mir geleistet. Manchmal kann es natürlich dennoch passieren, dass ich, ganz Kind meiner Generation, in "Männlein" und "Weiblein" einteile. Das ist aber weder gewollt noch im obigen Text intendiert. Im Grunde ist der doch individuell und nicht abstrakt.
Schon möglich, dass ein Mann ihn ganz ähnlich schreiben würde, nur um sich dann anschließend zu überlegen, ob er er die Badehose unterm oder überm Bauch trägt.
Was die Medien angeht hast du sicher Recht. Ich bilde mir allerdings ne ganz Menge darauf ein, "persönlich" diesen Mechanismen eher nicht auf den Leim zu gehen ... literarisch verwursten kann ich sie ja dennoch.
Das Monatsthema ist "Körper" . Mein Text bringt darüber hinaus den Alterungsprozess ins Spiel, der natürlich nicht rein äußerliche Auswirkungen hat.
Daran haben alle Menschen mehr oder weniger zu knacken... nur, das wollte ich hier nicht thematisieren, sondern nur andeuten.
Liebe Grüße
Gerda
Liebe Renate,
ich danke dir herzlich für deinen ausführlichen und sachkundigen Kommentar.
Natürlich beruht der Alterungsprozess nicht allein auf dem Körper. Was ein für ein Glück!!!
Es freut mich, dass dir gerade die karge Banalität gefällt, die Reduktion, auf die Hängepartien und den Kauf des Einteilers. So war es gedacht ... ganz so, als ob es nichts Wichtigers gäbe auf der Welt ... so, wie es sich für die Protagonistin im Moment des Betrachtens auch darstellt.
an Henkki schrieb ich schon:
Vielleicht entwickle ich diesen Text aber noch weiter, denn wie ich auch w. o. schrieb, bin ich mit ihm auch nicht wirklich zufrieden. Das heißt ich würde nicht verlängern, sondern eher in die Tiefe gehen, über die rein äußerliche Betrachtungsebene hinaus.
Im Moment allerdings habe ich weder eine Idee noch die Ruhe zu überlegen.
Liebe Grüße in deinen Sonntagabend
Gerda
ich danke dir herzlich für deinen ausführlichen und sachkundigen Kommentar.
Natürlich beruht der Alterungsprozess nicht allein auf dem Körper. Was ein für ein Glück!!!
Es freut mich, dass dir gerade die karge Banalität gefällt, die Reduktion, auf die Hängepartien und den Kauf des Einteilers. So war es gedacht ... ganz so, als ob es nichts Wichtigers gäbe auf der Welt ... so, wie es sich für die Protagonistin im Moment des Betrachtens auch darstellt.
an Henkki schrieb ich schon:
Das Monatsthema ist "Körper" . Mein Text bringt darüber hinaus den Alterungsprozess ins Spiel, der natürlich nicht rein äußerliche Auswirkungen hat. Daran haben alle Menschen mehr oder weniger zu knacken... nur, das wollte ich hier nicht thematisieren, sondern nur andeuten.
Vielleicht entwickle ich diesen Text aber noch weiter, denn wie ich auch w. o. schrieb, bin ich mit ihm auch nicht wirklich zufrieden. Das heißt ich würde nicht verlängern, sondern eher in die Tiefe gehen, über die rein äußerliche Betrachtungsebene hinaus.
Im Moment allerdings habe ich weder eine Idee noch die Ruhe zu überlegen.
Liebe Grüße in deinen Sonntagabend
Gerda
Liebe renate,
nun habe ich doch noch etwas vergessen.
Dir ging es auch um den Titel. Du warst zunächst auch irregeleitet. Ich denke, dass ich einen Titel finden muss, der genau, das Empfinden der Protagonistin ausdrückt, dass der Alterungsprozess sie über Nacht überfallen hat. Ich werde also für "Schub" einen Ersatz suchen, ein wenig herumprobieren.
Nochmals Liebe Grüße
... und war schön mit dir zu plaudern
Gerda
nun habe ich doch noch etwas vergessen.
Dir ging es auch um den Titel. Du warst zunächst auch irregeleitet. Ich denke, dass ich einen Titel finden muss, der genau, das Empfinden der Protagonistin ausdrückt, dass der Alterungsprozess sie über Nacht überfallen hat. Ich werde also für "Schub" einen Ersatz suchen, ein wenig herumprobieren.
Nochmals Liebe Grüße
... und war schön mit dir zu plaudern
Gerda
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