2. Fassung (vielen Dank, Mucki, für die Hilfe)
Wo ich nicht bin, ist das Glück
Wo ich nicht bin, ist das Glück ... war das Camus oder Sartre ..., überlegt Vera, während sie den Wagen parkt. Als sie die Fußgängerzone erreicht hat, weht eine melancholische Melodie heran. Sie zaubert ein Lächeln auf die Gesichter der Menschen, die im Kreis um den Straßenmusikanten an der Ecke stehen.
Vera drängt sich nach vorn und beobachtet den Roma genau. Es ist mehr als seine Musik, die sie beeindruckt. Sein Körper ist eins mit dem Spiel, der Geigenbogen die Verlängerung seines Armes. Er hält die Augen geschlossen. In diesem Moment gibt es nichts als das Lied.
Auf dem Asphalt liegt der Geigenkasten, einige Münzen schimmern darin. Im Deckel klebt ein Stück Pappe, auf dem in verschiedenen Sprachen ‚Danke’ steht. Es ist Samstagvormittag. Shoppingtime in der Kaufingerstraße. Erst als der letzte Ton verklungen ist, öffnet er die Augen, setzt das Instrument ab und verbeugt sich. Applaus. Die Zuhörer sind so begeistert, dass sogar Geldscheine in den Kasten fliegen.
Mit Schwung wirft er sein glänzendes Haar nach hinten. Dann legt er das Instrument wieder an, stimmt nun eine rasante Melodie an. Er beginnt zu tanzen, seine Augen sprühen Lebenslust ins Publikum. Der Funke springt über, die Zuhörer klatschen fröhlich mit.
Aufmunternd nickt der Roma. „Tanzen, hoppa!“, ruft er.
Vera probiert ein paar Schritte, beobachtet seine Füße und nimmt die Bewegung auf. Es ist mehr ein Stampfen als ein Tanzen und Vera spürt das Beben bis in den Kopf hinauf. Sie merkt, wie gut ihr das tut. Es wärmt sie von innen her.
Bei ihr zu Hause wurde gestern auch getanzt. Ein Pas de Deux der anderen Art.
Als Vera schlafen gehen wollte, sagte Rudi plötzlich: „Tanz mit mir“.
Er hatte zu viel getrunken. Vera stieß ihn weg, doch er packte sie um die Hüften und presste sie an seinen Leib, rieb sein Geschlecht an ihr.
„Los, mach’s mir, wie früher!“
Vera spürte Brechreiz. Es lag nicht am Alkoholdunst, den Rudi ausströmte. Er drängte sie zum Bett, öffnete seine Hose und zwängte sich zwischen ihre Schenkel. Dann schlief er ein. Vera zog ihren Körper unter dem seinen hervor und legte sich an den Rand des Bettes.
Es ist der Alkohol. Vera wiederholt diesen Satz wie ein Gebet. So kann sie die Demütigung besser ertragen.
Der Geiger schaut ihr beim Tanzen zu. Sie hat das Gefühl, dass er nur für sie spielt. Vera wird verlegen und geht. Sie muss Geschenke für Rudis Geburtstag besorgen.
Auf dem Rückweg spielt er immer noch. Vera kann ihn nicht sehen, so dicht stehen die Menschen beieinander. Aber seine Melodie schneidet in ihr Herz. Rasch geht sie weiter.
Als sie im Auto sitzt, spürt sie ein Kribbeln im Bauch, wenn sie an den Fremden denkt und wie er sie angesehen hat vorhin. Sie atmet tief durch.
Genauso ist es ihr damals ergangen, als sie dem Literaturprofessor sagte, dass sie ihr Studium abbrechen würde, weil sie ein Kind von Rudi erwartete.
Der Professor war daraufhin sehr zornig geworden und brüllte sie an: „Brechen Sie lieber die Schwangerschaft ab statt das Studium! So eine hochbegabte Person, Sie machen sich die Karriere kaputt!“
Vera unterdrückte die aufkeimende Unsicherheit, ob ihre Entscheidung die richtige sei. Das Einzige, was für sie zählte, war die Vorstellung einer herrlichen Zukunft mit Rudi.
Sie schwärmte für ihn, den zehn Jahre älteren; seine charismatische Ausstrahlung, die Zärtlichkeiten, und wie er lebenserfahrene Weisheiten von sich gab, ließen sie keine Sekunde daran zweifeln, dass er ihr Schicksal war, ihre große Liebe.
„Mama?“
Vera hört die vorwurfsvolle Stimme ihrer Tochter, als sie die Haustür aufschließt.
Sie fällt beinahe über deren Schultasche.
„Susi! Kannst du nicht einmal dein Zeug an seinen Platz tun?“
„Wo warst du?", fragt das Mädchen. „Ich habe Hunger!“
„Mach dir ein Brot, Himmel, du bist fünfzehn, soll ich dich auch noch füttern?“
Susi schneidet Grimassen.
„Ich muss Vaters Geschenke verstecken.“
„Geschenke? Warum?“
„Hast du schon wieder den Geburtstag von deinem Vater vergessen!“, antwortet Vera und läuft mit den Paketen die Treppe nach oben.
Susi verdreht die Augen. „Pfhhhhh“, schnaubt sie. „Er hat vorhin angerufen, es wird spät heute.“
Vera träumt. Der Roma umarmt sie zärtlich. Als er sie küssen will, plumpst ihr Mann ins Bett und Vera schreckt auf. Rudi schnarcht mit offenem Mund.
Um sechs geht Vera joggen.
Das Lächeln des Geigers verfolgt sie. Später unter der Dusche erschauert sie beim Einseifen ihrer Brüste.
Gegen Mittag schlurft Rudi verkatert in die Küche. Vera ist beim Marinieren der Lammkoteletts und Hühnerteile für das Gartenfest.
„Na? Hoffentlich hast du diesmal besseres Fleisch erwischt, Vera“, begrüßt er sie gähnend.
„Happy Birthday, Rudi!“ Sie erschrickt über den zwitschernden, verlogenen Klang ihrer Stimme und hüstelt.
Er grinst und kneift sie in den Po. „Kaffee, Süße“, zischt er ihr ins Ohr. Vera drückt sich an ihm vorbei und richtet die Kaffeemaschine her.
„Hattest du gestern einen netten Abend, Rudi?“ Sie versucht freundlich zu sein, es ist sein Geburtstag.
„Was ist? Wird das ein Verhör?“
„Nein, entschuldige.“
„Papi! Alles Gute zum Geburtstag!“ Susi stürmt ihrem Vater entgegen. Sie macht es sich auf seinem Schoß bequem, lehnt ihren Kopf an seine Brust.
„Susi, lass Papa in Ruhe seinen Kaffee trinken“, sagt Vera.
„Hör auf, mäkle nicht dauernd rum an meiner kleinen Maus.“
Susi drückt ihm einen Kuss auf die Wange.
Vera klatscht die Fleischstücke in die Marinade und verlässt die Küche.
Schon ist Rudi hinter ihr, fragt: „Was soll das? Missgönnst du mir das auch noch? Du bist wirklich das Letzte!“
Vera zieht die Luft mit einem Zittern ein.
„Was ist nur passiert mit uns, Rudi ...“, fragt sie und schaut ihm in die Augen dabei. „Ich weiß es auch nicht ...“
Einen Moment lang wirkt es, als versuchte er zu lächeln. Veras Herz zieht sich zusammen bei der Erinnerung an ihre Visionen von Glück und gemeinsamen Zielen, die sie irgendwann zusammen erreichen wollten. Die langen, von Nähe erfüllten Nächte. Eine Welle der Zuneigung steigt in ihr hoch und sie macht einen kleinen Schritt auf Rudi zu, will ihn spüren lassen: Versuchen wir es noch einmal, anders ...
Doch augenblicklich zieht er in einer hilflosen Geste die Schultern hoch, lässt sie wieder fallen, senkt den Blick und wendet sich ab.
Vera nimmt die Autoschlüssel von der Ablage. „Bis dann“, sagt sie und verlässt das Haus. Sie wollte nur ein bisschen herumfahren, ihre Gedanken ordnen, aber dann ist sie wieder auf der Straße zur Innenstadt. Sie parkt unweit der Kaufingerstraße.
Er spielt an demselben Platz wie am Vortag. Und sie steht wieder vor ihm und beobachtet ihn. Er erkennt sie und lächelt. Vera winkt ihm, deutet ihm an, dass sie mit ihm sprechen will. Er spielt das Lied zu Ende, bedankt sich, sagt: „Mittagspause“.
Die Zuhörer zerstreuen sich und er nimmt das Geld aus dem Kasten, legt die Geige hinein. Dann geht er auf Vera zu. Seine dunklen Augen lassen in ihr das Eis schmelzen, mit dem sie so lange die Sehnsucht nach einem anderen Leben in Schach gehalten hat. Als Vera ihn stumm anschaut, ist es wie ein Aufwachen für sie. Es tut weh, die Realität ihres Alltags mit voller Macht zu erkennen. Es zieht ihr den Boden unter den Füßen weg, und der Wunsch nach Freiheit, nach Vagabundenleben, nach Selbstbestimmung, die sie im Gesicht des Roma, in seiner wettergegerbten Haut erahnen kann, wird übergroß.
„Nicht fallen!“
Vera fühlt, wie ihre Schultern festgehalten werden. Sie kommt zu sich, schwankt ein wenig und holt tief Luft.
„Verzeihen Sie“, murmelt sie.
„Schlecht, nicht wahr?“, fragt er und lässt sie langsam los. Vera nickt.
„Ja, mir wurde schwindlig, so was! Ich wollte Sie um etwas bitten, Herr -?“
„Mosha Sisic. Sie sagen einfach Mosha.“ Sein Händedruck ist sympathisch fest. „Mosha ... gut. Mosha, was kosten Sie in der Stunde?“
„Äh ... was meinen Sie, Madame?“
„Sie werden doch einen Preis haben?“, sagt Vera.
„Madame, ich bin nicht zu kaufen.“
Vera wird rot. „ Nein, verzeihen Sie, ich meine das ganz anders ... Gott, ist mir das jetzt peinlich! Ich wollte fragen, ob Sie heute Nachmittag auf dem Geburtstag meines Mannes musizieren möchten? Wir geben eine Grillparty in unserem Garten. Ich würde Sie dann wieder hierher zurückbringen. Das meinte ich damit, Mosha!“ Sie ist atemlos.
Mosha lacht fröhlich. „Nun alles klar. Heute ist Geschäft nicht gut hier, nur wenig. Ich komme spielen, ja.“
Im Auto will Vera wissen: „Mosha, woher kommen Sie?“
„In Rumänien bin ich geboren, aber schon lange unterwegs ...“
„Ach, das muss doch ein wundervolles Leben sein! Frei und unabhängig, überall zu Hause, auf der ganzen Welt, nicht wahr?“ Vera ist aufgeregt und wartet gespannt auf eine Antwort, er jedoch scheint in Gedanken versunken.
„Mosha?“, fragt sie und sieht zu ihm hin.
„Ja, Madame. Ich denke, Sie möchten ... weg?“
„Nun ... ja, das möchte ich.“
„Sie glauben, das, was ich zeige mit Geige von mir ist mein Leben. Ist Abenteuer, ja?“
Er schüttelt freundlich den Kopf.
„Mosha, es ist schön, ist es doch, nicht wahr?“
Er antwortet nicht.
Nervös lacht sie auf, sagt: „Wissen Sie, ich habe neulich einen schönen Film gesehen ... Roma fuhren auf dem Fluss, ab und zu legten sie an, um ihre Ware zu verkaufen oder eben Musik zu machen ... und der Oberroma sah aus wie Sie ... ein bisschen jünger.“
„Bitte weiter erzählen, ist schön.“ Mosha lächelt.
„Bitte sehr!“ Sie schiebt Mosha mit seinem Geigenkasten in die Diele. „Das ist deine Geburtstagsüberraschung, Rudi!“, sagt Vera.
„Ein Mann? Soll der aus der Torte hüpfen statt einer knackigen Blondine?“
„Ich spiele Musik, mein Herr. Alles Glück ich wünsche zu Geburtstag.“
Rudi zieht eine Augenbraue hoch. „Ach ja? Zigeunermusik?“
„Nein, der Herr. Roma-Musik!“ Mosha packt den Griff des Geigenkoffers fester. Seine Fingerknöchel werden weiß.
„Na, dann komm, Zigeuner, gießen wir uns einen hinter die Binde.“ Rudi deutet mit einer Kopfbewegung an, dass Mosha ihm folgen soll. Im Garten ist alles schon hergerichtet für das Fest. Vera hat sich Mühe gegeben mit der Dekoration; extra dafür leuchtendrote Tischtücher gekauft und goldfarbene Gläser für die Windlichter. In den Bäumen hängen Lichterketten, der Grill ist vorbereitet zum Anzünden.
Die Männer setzen sich und Rudi schenkt Bier in ein Glas ein. Er sagt: „Du trinken lieber aus Flasche?“
„Ich trinke gerne aus Glas, wenn möglich.“
Rudi murmelt: „Pack, aber vornehm tun ...“, geht zum Tisch, auf dem die Gläser aufgereiht sind und bringt eines.
„Danke, der Herr“, sagt Mosha.
Es ist Abend und die ersten Gäste treffen ein. Mosha stimmt seine Geige.
Vera entdeckt ihn zwischen den Kastanienbäumen.
„Da sind Sie! Haben Sie etwas gegen unsere Gäste?“
„Nein, Madame. Aber ist anderes Gefühl, wenn ich draußen bin und die Menschen kommen, mich hören. Hier ich muss kommen – Sie verstehen?“
„Es sind ganz nette Leute, keine Sorge, spielen Sie einfach, ja?“
Während Mosha seinen Platz zwischen den Tischen einnimmt, klingt ein Satz in Vera auf: Ich gehe in die Welt hinaus und werde etwas anderes, als ich bin!
Ein längst vergessen geglaubter Ausspruch aus einer Zeit, als sie ein kleines Mädchen war. Immer, wenn es Streit gab zu Hause, hatte sie diesen Satz ihren Eltern entgegengeschrieen.
„Ich gehe in die Welt hinaus und werde etwas anderes, als ich bin ...“, sagt sie nun leise und bekommt feuchte Augen.
Mosha beginnt zu spielen. Sein Repertoire ist groß. Es reicht vom Volkslied über den Csardas bis zum Hummelflug. Sein Spiel begeistert auch diese Zuschauer. Der Applaus ist groß.
„Mehr, gib uns mehr!“, ertönen einzelne Rufe. Mosha springt auf einen Tisch, lacht, tanzt, fiedelt wie besessen.
Sein Hemd ist schweißnass.
„Teufelsgeiger!“, jubelt einer der Gäste. Längst sind alle aufgestanden. Es wird gestampft und geklatscht. Die Frauen wirbeln in den Armen ihrer Partner über das Gras.
Moshas temperamentvoller Strich reißt ein paar der weißen Fäden aus der Bespannung des Geigenbogens. Sie streichen über seine dunkle Hand.
Schließlich springt Mosha vom Tisch, er braucht eine Pause.
Vera, die wieder in ihre Träumereien von Freiheit und Flucht mit diesem herrlichen Künstler versunken ist, braucht eine Weile, bis sie bemerkt, dass die Musik geendet hat.
„Kommen Sie, Mosha, ruhen Sie sich aus. Wir gehen ins Haus ...", sagt sie.
Sie sitzen am Küchentisch, Mosha trinkt Wasser. Er ist erschöpft. Sie hätte ihm gerne den Nacken massiert, sieht ihm zu, wie er es selber tut.
Rudi wankt singend herein: „Komm Zigan, komm Zigan, spiel mir ein Lied ...“
Mosha steht auf und schüttelt den Kopf.
„Ach du mieser, kleiner Zigeuner, kannst ja gehen, wenn du fertig bist!“ Rudi lallt.
„Ja. Das werde ich tun jetzt. Danke“, antwortet Mosha und packt seine Geige ein.
„Komm Zigan, komm ...“, singt Rudi und geht auf unsicheren Beinen in den Garten hinaus.
Vera fährt Mosha wie versprochen zurück. Schweigend nähern sie sich der Innenstadt. Vera hält dort, wo Mosha vor einigen Stunden in den Wagen gestiegen ist. Sie bleiben sitzen.
Nach einer Weile sagt Vera: „Ich will nicht mehr heim ... ich möchte so nicht mehr leben ...“
„Es ist Ihre Zuhause, Madame“, sagt der Roma.
„Ich könnte dich lieben, Mosha ...“
„Nein. Sie lieben Traum von freier, wilder Mann mit Geige, nicht Mosha Sisic. Sie lieben Filmfigur, Madame, Maske ...“
„Bitte ... nimm mich mit ... zeig mir, wie du unter dem Sternenhimmel schläfst, dich morgens im Fluss wäschst ... lass mich bei dir sein ...“
Mosha holt seine Brieftasche heraus.
„Madame!“ Er knipst das Innenlicht über der Frontscheibe an und hält ihr ein Foto hin.
„Das ist meine Frau. Das sind meine Kinder. Ich habe fünf, Sie sehen, Madame?“
„Nein“, klagt sie.
„Ja“, sagt Mosha. Er steckt das Familienfoto wieder ein. Dann streichelt er Veras Hand. „Madame, ich wünsche Glück für Sie.“
Er nickt ihr noch einmal aufmunternd zu, nimmt seinen Geigenkasten und geht.
Das Haus ist still, als Vera heimkehrt. Leise betritt sie das Schlafzimmer, rafft Polster und Decke zusammen, geht die Treppe hinunter und macht ihr Bett auf dem Wohnzimmersofa. Schlaflos liegt sie im Dunkeln und sieht durch die großen Scheiben hinaus in den Sternenhimmel.
„Ich glaube, es war doch Camus ...“, sagt Vera. „Der Mensch ist nichts anderes, als wozu er sich macht. Das ist von Sartre ... und morgen wird alles anders, weil ich es so will!“, flüstert sie in die Nacht.
1. Fassung
Wo ich nicht bin, ist das Glück ... war das Camus oder Sartre ..., überlegt Vera, während sie der Melodie lauscht, die ein Straßenmusikant auf seiner Geige spielt.
Süß und wehmütig erklingt die Weise, zaubert Lächeln auf die Gesichter der Menschen, die im Kreis um den Geigenspieler stehen. Vera beobachtet den Roma genau. Es ist mehr als nur seine Musik, die sie beeindruckt. Sein Körper ist eins mit dem Spiel, der Geigenbogen die Verlängerung seines Armes. Er hält die Augen geschlossen. In diesem Moment gibt es nichts als das Lied.
Auf dem Asphalt liegt der Geigenkasten, einige Münzen schimmern darin. Im Deckel klebt ein Stück Pappe, auf dem in verschiedenen Sprachen ‚Danke’ steht. Es ist Samstagvormittag. Shoppingtime in der Kaufingerstraße. Erst als der letzte Ton verklungen ist, öffnet der Geiger die Augen. Er setzt das Instrument ab und verbeugt sich. Applaus. Die Zuhörer sind so begeistert, dass sogar Geldscheine in den Geigenkasten fliegen.
Mit Schwung wirft er sein glänzendes Haar nach hinten. Dann legt er die Geige wieder an. Nach den schmelzenden Tönen stimmt er nun eine rasante Melodie an. Er beginnt zu tanzen, lacht, seine Augen sprühen ein ganzes Feuerwerk von Lebenslust ins Publikum. Der Funke springt über, die Zuhörer klatschen mit, lächeln einander fröhlich zu.
Aufmunternd nickt der Roma. „Tanzen, hoppa!“, ruft er. Vera probiert ein paar Schritte, beobachtet seine Füße und nimmt die Bewegung auf. Es ist mehr ein Stampfen als ein Tanzen und Vera spürt das Beben bis in den Kopf hinauf. Sie bemerkt, wie gut ihr das tut. Es wärmt von innen her.
Bei ihr zu Hause wurde gestern auch getanzt. Ein Pas de Deux der besonderen Art.
Als Vera schlafen gehen wollte, war Rudi plötzlich danach, zu tanzen.
Er hatte zu viel getrunken und Vera stieß ihn weg, doch er packte sie um die Hüften und presste sie an seinen Leib, rieb sein Geschlecht an ihr.
„Los, mach’s mir, wie früher!“
Vera spürte Brechreiz, das lag nicht am Alkoholdunst, den Rudi ausströmte. Er drängte sie zum Bett, öffnete seine Hose und zwängte sich zwischen ihre Schenkel. Dann schlief er ein. Vera zog ihren Körper unter dem seinen hervor und legte sich an den Rand des Bettes.
Es ist der Alkohol. Vera wiederholt diesen Satz wie ein Gebet. So kann sie die Demütigung besser ertragen.
Der Geiger sieht ihr beim Tanzen zu. Sie hat das Gefühl, dass er nur für sie spielt. Vera wird verlegen und geht. Sie muss Geschenke für Rudis Geburtstag besorgen.
Auf dem Rückweg spielt er immer noch. Vera kann ihn nicht sehen, so dicht stehen die Menschen beieinander. Aber seine Melodie schneidet in ihr Herz. Rasch geht sie weiter.
Als sie im Auto sitzt spürt sie ein Kribbeln im Bauch, das sie schon lange nicht mehr gespürt hat. Sie atmet tief durch. Genauso ist es ihr damals ergangen, als sie dem Literaturprofessor sagte, dass sie ihr Studium abbrechen würde, weil sie ein Kind von Rudi erwartete.
Der Professor war daraufhin sehr zornig geworden und brüllte sie an:„Brechen Sie lieber die Schwangerschaft ab statt das Studium! So eine hochbegabte Person, Sie machen sich die Karriere kaputt!“
Vera unterdrückte die aufkeimende Unsicherheit, ob ihre Entscheidung die richtige sei. Das Einzige, was für sie zählte, war die Vorstellung einer herrlichen Zukunft mit Rudi.
Sie schwärmte für ihn, den zehn Jahre älteren und damit reiferen. Seine charismatische Ausstrahlung, die Zärtlichkeiten, und wie er lebenserfahrene Weisheiten von sich gab, ließen sie keine Sekunde daran zweifeln, dass er ihr Schicksal war, ihre große Liebe.
„Mama?“
Vera hört die vorwurfsvolle Stimme ihrer Tochter, als sie die Haustür aufschließt.
Sie fällt beinahe über deren Schultasche.
„Susi! Kannst du nicht einmal dein Zeug an seinen Platz tun?“
„Wo warst du?", fragt das Mädchen. „Ich habe Hunger!“
„Mach dir ein Brot, Himmel, du bist fünfzehn, soll ich dich auch noch füttern?“
Susi schneidet Grimassen.
„Ich muss Vaters Geschenke verstecken.“
„Geschenke? Warum?“
„Hast du schon wieder den Geburtstag von deinem Vater vergessen!“, antwortet Vera und läuft mit den Paketen die Treppe nach oben.
Susi verdreht die Augen. „Pfhhhhh“, schnaubt sie. „Er hat vorhin angerufen, es wird spät heute.“
Vera träumt. Der Roma umarmt sie zärtlich, als er sie küssen will, plumpst Rudi ins Bett und Vera schreckt auf. Rudi schnarcht mit offenem Mund.
Um sechs geht Vera joggen.
Das Lächeln des Geigers verfolgt sie. Später unter der Dusche erschauert sie beim Einseifen ihrer Brüste.
Gegen Mittag schlurft Rudi verkatert in die Küche. Vera ist beim Marinieren der Lammkoteletts und Hühnerteile für das Gartenfest.
„Na? Hoffentlich hast du diesmal besseres Fleisch erwischt, Vera“, begrüßt er sie gähnend.
„Happy Birthday, Rudi!“ Sie erschrickt über den zwitschernden, verlogenen Klang ihrer Stimme und hüstelt.
Er grinst und kneift sie in den Po. „Kaffee, Süße“, zischt er ihr ins Ohr. Vera drückt sich an ihm vorbei und richtet die Kaffeemaschine her.
„Hattest du gestern einen netten Abend, Rudi?“ Sie versucht freundlich zu sein, es ist sein Geburtstag.
„Was ist? Wird das ein Verhör?“
„Nein, entschuldige.“
„Papi! Alles Gute zum Geburtstag!“ Susi stürmt ihrem Vater entgegen. Sie macht es sich auf seinem Schoß bequem, lehnt ihren Kopf an seine Brust.
„Susi, lass Papa in Ruhe seinen Kaffee trinken“, sagt Vera.
„Hör auf, mäkle nicht dauernd rum an meiner kleinen Maus.“
„Ja, Papi!“ Susi drückt ihm einen Kuss auf die Wange.
Vera klatscht die Fleischstücke in die Marinade und verlässt die Küche.
Schon ist Rudi hinter ihr, fragt: „Was soll das? Missgönnst du mir das auch noch? Du bist wirklich das Letzte!“
Vera zieht die Luft mit einem schluchzenden Laut ein.
„Was ist nur passiert mit uns, Rudi ...“, fragt sie und sieht ihm in die Augen dabei.
„Ich weiß es auch nicht ...“
Einen Moment lang sieht es aus, als versuchte er zu lächeln. Das Herz tut Vera weh, bei der Erinnerung an ihre Visionen von Glück und gemeinsamen Zielen, die sie irgendwann zusammen erreichen wollten. Die langen Nächte, die von Nähe erfüllt waren. Eine Welle der Zuneigung steigt in ihr hoch und sie macht einen kleinen Schritt auf Rudi zu, die Welle in ihr will überschwappen, ihn spüren lassen: Versuchen wir es noch einmal, anders ...
Doch augenblicklich zieht er in einer hilflosen Geste die Schultern hoch, lässt sie wieder fallen, senkt den Blick und wendet sich ab.
Vera nimmt die Autoschlüssel von der Ablage. „Bis dann“, sagt sie und verlässt das Haus. Sie wollte nur ein bisschen herumfahren, ihre Gedanken ordnen, aber dann ist sie wieder auf der Straße zur Innenstadt. Sie parkt unweit der Kaufingerstraße.
Er spielt an demselben Platz wie am Vortag. Und sie steht wieder vor ihm und beobachtet ihn. Er erkennt sie und lächelt. Vera winkt ihm, deutet ihm an, dass sie mit ihm sprechen will. Er spielt das Lied zu Ende, bedankt sich, sagt: „Mittagspause“.
Die Zuhörer zerstreuen sich und Mosha nimmt das Geld aus dem Kasten, legt die Geige hinein. Dann geht er auf Vera zu. Sein fragender Blick lässt das Eis in ihr schmelzen, das bisher ihre Sehnsucht nach einem anderen Leben in Schach gehalten hat. Jetzt ist es wie ein Aufwachen, während Vera ihn stumm anschaut. Es tut weh, die Realität ihres Alltags mit voller Macht zu erkennen. Das zieht ihr den Boden unter den Füßen weg, und der Wunsch nach Freiheit, nach Vagabundenleben, nach Selbstbestimmung, die sie in Moshas Gesicht, in seiner wettergegerbten Haut erahnen kann, wird übergroß.
„Nicht fallen!“
Vera fühlt, wie ihre Schultern festgehalten werden. Sie kommt zu sich, schwankt ein wenig und holt tief Luft.
„Verzeihen Sie“, murmelt sie.
„Schlecht, nicht wahr?“, fragt er und lässt sie langsam los. Vera nickt.
„Ja, mir wurde schwindlig, so was! Ich wollte Sie um etwas bitten, Herr -?“
„Mosha Sisic. Sie sagen einfach Mosha.“ Sein Händedruck ist sympathisch fest.
„Mosha ... gut. Mosha, was kosten Sie in der Stunde?“
„Äh ... was meinen Sie, Madame?“
„Sie werden doch einen Preis haben?“, sagt Vera.
„Madame, ich bin nicht zu kaufen.“
Vera wird rot. „ Nein, verzeihen Sie, ich meine das ganz anders ... Gott, ist mir das jetzt unangenehm! Ich wollte fragen, ob Sie heute Nachmittag auf dem Geburtstag meines Mannes musizieren würden? Wir geben eine Grillparty in unserem Garten. Ich würde Sie dann wieder hierher zurückbringen. Das meinte ich damit, Mosha!“ Sie ist atemlos.
Mosha lacht fröhlich. „Nun alles klar. Heute ist Geschäft nicht gut hier, nur wenig. Ich komme spielen, ja.“
Im Auto will Vera wissen: „Mosha, woher kommen Sie?“
„In Rumänien bin ich geboren, aber schon lange unterwegs ...“
„Ach, das muss doch ein wundervolles Leben sein! Frei und unabhängig, überall zu Hause, auf der ganzen Welt, nicht wahr?“ Vera fühlt Wärme in sich, sie ist nun wieder ganz entspannt und wartet auf eine Bestätigung ihrer Worte.
„Mosha?“, fragt sie und sieht zu ihm hin.
„Ja, Madame. Ich denke, Sie möchten ... weg?“
„Nun ... ja, das möchte ich.“
„Sie glauben, das, was ich zeige mit Geige von mir ist mein Leben. Ist Abenteuer, ja?“
„Ja, Mosha, es ist schön, wenn Sie Ihrem Instrument diese zauberhaften Töne entlocken ...“
Vera lacht auf, dann sagt sie: „Wissen Sie, ich habe neulich einen hinreißenden Film gesehen ... also Roma fuhren auf dem Fluss und legten ab und zu an, um ihre Ware zu verkaufen oder eben Musik zu machen ... und der Oberroma sah aus wie Sie ... ein bisschen jünger.“
„Bitte weiter erzählen, ist schön.“ Mosha lächelt.
„Bitte sehr!“ Sie schiebt Mosha mit seinem Geigenkasten in die Diele. „Das ist deine Geburtstagsüberraschung, Rudi!“, sagt Vera.
„Ein Mann? Soll der aus der Torte hüpfen statt einer knackigen Blondine?“
„Ich spiele Musik, mein Herr. Alles Glück ich wünsche zu Geburtstag.“
Rudi zieht eine Augenbraue hoch. „Ach ja? Zigeunermusik?“
„Nein, der Herr. Roma-Musik!“ Mosha packt den Griff des Geigenkoffers fester. Seine Fingerknöchel werden weiß.
„Na, dann komm, Zigeuner, gießen wir uns einen hinter die Binde.“ Rudi deutet mit einer Kopfbewegung an, dass Mosha ihm folgen soll. Im Garten ist alles schon hergerichtet für das Fest. Lampions an Schnüren zwischen den Bäumen schwingen in der Sommerbrise hin und her. Tische sind mit bunten Tüchern gedeckt, der Grill ist vorbereitet zum Anzünden.
Die Männer setzen sich und Rudi schenkt Bier in ein Glas ein. Er sagt: „Du trinken lieber aus Flasche?“
„Ich trinke gerne aus Glas, wenn möglich.“
Rudi murmelt: „Pack, aber vornehm tun ...“, geht zum Tisch, auf dem die Gläser aufgereiht sind und bringt eines.
„Danke, der Herr“, sagt Mosha.
Es ist Abend und die ersten Gäste treffen ein. Mosha stimmt seine Geige.
Vera entdeckt ihn zwischen den Kastanienbäumen.
„Also da sind Sie! Haben Sie etwas gegen unsere Gäste?“
„Nein, Madame. Aber ist anderes Gefühl, wenn ich draußen bin und die Menschen kommen, mich hören. Hier ich muss kommen – Sie verstehen?“
„Es sind ganz nette Leute, keine Sorge, spielen Sie einfach, ja?“
Vera hakt Mosha unter, schmiegt sich an ihn und fühlt sich bei diesem schönen, geheimnisvollen Mann geborgen wie nie zuvor. Rudi ist zu beschäftigt mit den Gästen, um zu bemerken, wie nahe seine Frau dem Roma ist.
Während Mosha seinen Platz zwischen den Tischen einnimmt, klingt ein Satz in Vera auf: Ich gehe in die Welt hinaus und werde etwas anderes, als ich bin!
Ein längst vergessen geglaubter Ausspruch aus einer Zeit, als sie ein kleines Mädchen war. Immer, wenn es Streit gab zu Hause, hatte sie diesen Satz ihren Eltern entgegengeschrieen.
„Ich gehe in die Welt hinaus und werde etwas anderes als ich bin ...“, sagt sie nun leise und bekommt feuchte Augen.
Mosha beginnt zu spielen. Sein Repertoire ist groß. Es reicht vom Volkslied über den Csardas bis zum Hummelflug. Sein Spiel begeistert auch diese Zuschauer. Der Applaus ist groß.
„Mehr, gib uns mehr!“, ertönen einzelne Rufe. Mosha springt auf einen Tisch, lacht, tanzt, fiedelt wie besessen.
Sein Hemd ist nass von Schweiß.
„Teufelsgeiger!“, jubelt einer der Gäste. Längst sind alle aufgestanden. Es wird gestampft und geklatscht. Die Frauen wirbeln in den Armen ihrer Partner über das Gras.
Moshas temperamentvoller Strich lässt die Saiten des Geigenbogens reißen. Die weißen Fäden streichen über seine dunkle Hand.
Schließlich springt Mosha vom Tisch, er braucht eine Pause. Vera, die wieder in ihre Träumereien von Freiheit und Flucht mit diesem herrlichen Künstler versunken ist, braucht eine Weile, bis sie bemerkt, dass die Musik geendet hat.
„Kommen Sie, Mosha, ruhen Sie sich aus. Wir gehen in die Küche ...“, sagt sie und führt ihn ins Haus.
Sie sitzen am Küchentisch, Mosha trinkt Wasser. Er ist erschöpft. Sie hätte ihm gerne den Nacken massiert, sieht ihm zu, wie er es selber tut .
Rudi wankt singend herein: „Komm Zigan, komm Zigan, spiel mir ein Lied ...“
Mosha steht auf und schüttelt den Kopf.
„Ach du mieser, kleiner Zigeuner, kannst ja gehen, wenn du fertig bist!“ Rudi lallt.
„Ja. Das werde ich tun jetzt. Danke“, antwortet Mosha und packt seine Geige ein.
„Komm Zigan, komm ...“, singt Rudi und geht auf unsicheren Beinen in den Garten hinaus.
Vera fährt Mosha wie versprochen zurück. Schweigend nähern sie sich der Innenstadt. Vera hält dort, wo Mosha vor einigen Stunden in den Wagen gestiegen ist. Sie bleiben sitzen.
Nach einer Weile sagt Vera: „Ich will nicht mehr heim ... ich möchte so nicht mehr leben ...“
„Es ist Ihre Zuhause, Madame“, sagt der Roma.
„Ich könnte dich lieben, Mosha ...“
„Nein. Sie lieben Traum von freier, wilder Mann mit Geige, nicht Mosha Sisic. Sie lieben Filmfigur, Madame, Maske ...“
„Bitte ... nimm mich mit ... zeig mir, wie du unter dem Sternenhimmel schläfst, dich morgens im Fluss wäschst ... lass mich bei dir sein ...“
Mosha holt seine Brieftasche heraus.
„Madame!“ Er knipst das Innenlicht über der Frontscheibe an und hält ihr ein Foto hin. Vera nimmt es entgegen.
„Das ist meine Frau. Das sind meine Kinder. Ich habe fünf, Sie sehen, Madame?“
„Nein“, klagt sie.
„Ja“, sagt Mosha. Er steckt das Familienfoto wieder ein. Dann streichelt er Veras Hand. Er sagt freundlich: „Madame, ich wünsche Glück für Sie.“
Er nickt ihr noch einmal aufmunternd zu, nimmt seinen Geigenkasten und geht.
Das Haus ist still, als Vera heimkehrt. Leise betritt sie das Schlafzimmer, rafft Polster und Decke zusammen, geht die Treppe hinunter und macht ihr Bett auf dem Wohnzimmersofa. Schlaflos liegt sie im Dunkeln und sieht durch die großen Scheiben hinaus in den Sternenhimmel.
„Ich glaube, es war doch Camus ...“, sagt Vera. „Der Mensch ist nichts anderes, als wozu er sich macht. Das ist von Sartre ... und morgen wird alles anders, weil ich es so will!“, flüstert sie in die Nacht.
korrigiert, siehe blau. gestrichen: werden seine Gesichtszüge weicher und er scheint nach Worten zu suchen. Dann lächelt er. , als sie den Widerschein ihrer Liebe in seinem Gesicht sieht. Vera
(c) Elsa Rieger
Wo ich nicht bin, ist das Glück
Liebe Elsie,
ich bin mit Anmerkungen, Ideen fett im Text. Wenn ich etwas durchgestrichen habe, dann tat ich dies, da es mir zu "dick aufgetragen" wirkt, nimm das, was du für dich als stimmig erachtest, ok? Es ist ein großartige Story, die den Leser wirklich mitzieht, traurig und nachdenklich stimmt, aufrüttelt.
Saludos
Mucki
Wo ich nicht bin, ist das Glück ... war das Camus oder Sartre ..., überlegt Vera, während sie der Melodie eines Straßenmusikanten lauscht. lauscht, die ein Straßenmusikant auf seiner Geige spielt. (Dass es ein Geiger ist, kommt ja im nächsten Satz und du vermeindest WH von "Geiger und "spielen)
Süß und wWehmütig erklingt die Weise, zaubert ein Lächeln auf die Gesichter der Menschen, die im Kreis um den Geigenspieler stehen. Vera beobachtet den Roma genau. Es ist mehr als nur seine Musik, die sie beeindruckt. Sein Körper ist eins mit dem Spiel, der Geigenbogen die Verlängerung seines Armes. Er hält die Augen geschlossen. In diesem Moment gibt es nichts als das Lied. (Evtl. besser: ... gibt es nur das Lied)
Auf dem Asphalt liegt der Geigenkasten, einige Münzen schimmern darin. Im Deckel klebt ein Stück Pappe, auf dem in verschiedenen Sprachen ‚Danke’ steht. Es ist Samstagvormittag. Shoppingtime in der Kaufingerstraße. Erst als der letzte Ton verklungen ist, öffnet er der Geiger die Augen, . Er setzt das Instrument ab und verbeugt sich. Applaus. Die Zuhörer sind so begeistert, dass sogar Geldscheine in den GeigenkKasten fliegen.
Mit Schwung wirft er sein glänzendes Haar nach hinten. Dann legt er die Geige wieder an. Nach den melancholischen schmelzenden Tönen stimmt er nun eine rasante Melodie an. Er beginnt zu tanzen, lacht, seine Augen sprühen ein ganzes Feuerwerk von Lebenslust ins Publikum. Der Funke springt über, die Zuhörer klatschen fröhlich mit., lächeln einander fröhlich zu.
Aufmunternd nickt der Roma. „Tanzen, hoppa!“, ruft er. Vera probiert ein paar Schritte, beobachtet seine Füße und nimmt die Bewegung auf. Es ist mehr ein Stampfen als ein Tanzen und Vera spürt das Beben bis in den Kopf hinauf. Sie bemerkt, wie gut ihr das tut. Es wärmt sie von innen her. ('von innen her' holpert m.E. ein bisschen. Vielleicht kannst du die beiden Sätze kombinieren)
Bei ihr zu Hause wurde gestern auch getanzt. Ein Pas de Deux der anderen besonderen Art.
Als Vera schlafen gehen wollte, war Rudi plötzlich danach, zu tanzen. (WH von 'tanzen', hier anderes Wort suchen)
Er hatte zu viel getrunken. und Vera stieß ihn weg, doch er packte sie um die Hüften und presste sie an seinen Leib, rieb sein Geschlecht an ihr.
„Los, mach’s mir, wie früher!“
Vera spürte Brechreiz. Es , das lag nicht am Alkoholdunst, den Rudi ausströmte. Er drängte sie zum Bett, öffnete seine Hose und zwängte sich zwischen ihre Schenkel. Dann schlief er ein. Vera zog ihren Körper unter dem seinen hervor und legte sich an den Rand des Bettes.
Es ist der Alkohol. Vera wiederholt diesen Satz wie ein Gebet. So kann sie die Demütigung besser ertragen.
Der Geiger sieht ihr beim Tanzen zu. Sie hat das Gefühl, dass er nur für sie spielt. Vera wird verlegen und geht. Sie muss Geschenke für Rudis Geburtstag besorgen.
Auf dem Rückweg spielt er immer noch. Vera kann ihn nicht sehen, so dicht stehen die Menschen beieinander. Aber seine Melodie schneidet in ihr Herz. Rasch geht sie weiter.
Als sie im Auto sitzt, Komma spürt sie ein Kribbeln im Bauch, das sie schon lange nicht mehr gefühlt gespürt hat. Sie atmet tief durch. Genauso ist es ihr damals ergangen, als sie dem Literaturprofessor sagte, dass sie ihr Studium abbrechen würde, weil sie ein Kind von Rudi erwartete.
Der Professor war daraufhin sehr zornig geworden und brüllte sie an: Leerzeichen„Brechen Sie lieber die Schwangerschaft ab statt das Studium! So eine hochbegabte Person, Sie machen sich die Karriere kaputt!“
Vera unterdrückte die aufkeimende Unsicherheit, ob ihre Entscheidung die richtige sei. Das Einzige, was für sie zählte, war die Vorstellung einer herrlichen Zukunft mit Rudi.
Sie schwärmte für ihn, den zehn Jahre älteren, und damit reiferen. Sseine charismatische Ausstrahlung, die Zärtlichkeiten, und wie er lebenserfahrene Weisheiten von sich gab, ließen sie keine Sekunde daran zweifeln, dass er ihr Schicksal war, ihre große Liebe.
„Mama?“
Vera hört die vorwurfsvolle Stimme ihrer Tochter, als sie die Haustür aufschließt.
Sie fällt beinahe über deren Schultasche.
„Susi! Kannst du nicht einmal dein Zeug an seinen Platz tun?“
„Wo warst du?", fragt das Mädchen. „Ich habe Hunger!“
„Mach dir ein Brot, Himmel, du bist fünfzehn, soll ich dich auch noch füttern?“
Susi schneidet Grimassen.
„Ich muss Vaters Geschenke verstecken.“
„Geschenke? Warum?“
„Hast du schon wieder den Geburtstag von deinem Vater vergessen!“, antwortet Vera und läuft mit den Paketen die Treppe nach oben.
Susi verdreht die Augen. „Pfhhhhh“, schnaubt sie. „Er hat vorhin angerufen, es wird spät heute.“
Vera träumt. Der Roma umarmt sie zärtlich. A, als er sie küssen will, plumpst Rudi ins Bett und Vera schreckt auf. Rudi schnarcht mit offenem Mund.
Um sechs geht Vera joggen.
Das Lächeln des Geigers verfolgt sie. Später unter der Dusche erschauert sie beim Einseifen ihrer Brüste.
Gegen Mittag schlurft Rudi verkatert in die Küche. Vera ist beim Marinieren der Lammkoteletts und Hühnerteile für das Gartenfest.
„Na? Hoffentlich hast du diesmal besseres Fleisch erwischt, Vera“, begrüßt er sie gähnend.
„Happy Birthday, Rudi!“ Sie erschrickt über den zwitschernden, verlogenen Klang ihrer Stimme und hüstelt.
Er grinst und kneift sie in den Po. „Kaffee, Süße“, zischt er ihr ins Ohr. Vera drückt sich an ihm vorbei und richtet die Kaffeemaschine her.
„Hattest du gestern einen netten Abend, Rudi?“ Sie versucht freundlich zu sein, es ist sein Geburtstag.
„Was ist? Wird das ein Verhör?“
„Nein, entschuldige.“
„Papi! Alles Gute zum Geburtstag!“ Susi stürmt ihrem Vater entgegen. Sie macht es sich auf seinem Schoß bequem, lehnt ihren Kopf an seine Brust.
„Susi, lass Papa in Ruhe seinen Kaffee trinken“, sagt Vera.
„Hör auf, mäkle nicht dauernd rum an meiner kleinen Maus.“
„Ja, Papi!“ (Dieses 'Ja, Papi' ergibt für mich keinen Sinn) Susi drückt ihm einen Kuss auf die Wange.
Vera klatscht die Fleischstücke in die Marinade und verlässt die Küche.
Schon ist Rudi hinter ihr, fragt: „Was soll das? Missgönnst du mir das auch noch? Du bist wirklich das Letzte!“
Vera zieht die Luft mit einem schluchzenden (anderes Wort für 'schluchzend' finden, ist zu pathetisch)Laut ein.
„Was ist nur passiert mit uns, Rudi ...“, fragt sie und schaut sieht ihm in die Augen dabei. (Vermeidung WH von 'sieht')
„Ich weiß es auch nicht ...“
Einen Moment lang sieht es aus, als versuchte er zu lächeln. Das Herz tut Vera weh, (zu pathetisch)bei der Erinnerung an ihre Visionen von Glück und gemeinsamen Zielen, die sie irgendwann zusammen erreichen wollten. Die langen, von Nähe erfüllten Nächte., die von Nähe erfüllt waren. Eine Welle der Zuneigung steigt in ihr hoch und sie macht einen kleinen Schritt auf Rudi zu, die Welle in ihr will überschwappen, ihn spüren lassen: Versuchen wir es noch einmal, anders ... (Zweimal 'Welle', anderes Wort finden)
Doch augenblicklich zieht er in einer hilflosen Geste die Schultern hoch, lässt sie wieder fallen, senkt den Blick und wendet sich ab.
Vera nimmt die Autoschlüssel von der Ablage. „Bis dann“, sagt sie und verlässt das Haus. Sie wollte nur ein bisschen herumfahren, ihre Gedanken ordnen, aber dann ist sie wieder auf der Straße zur Innenstadt. Sie parkt unweit der Kaufingerstraße.
Er spielt an demselben Platz wie am Vortag. Und sie steht wieder vor ihm und beobachtet ihn. Er erkennt sie und lächelt. Vera winkt ihm, deutet ihm an, dass sie mit ihm sprechen will. Er spielt das Lied zu Ende, bedankt sich, sagt: „Mittagspause“.
Die Zuhörer zerstreuen sich und Mosha (hier taucht plötzlich sein Name auf, würde ich erst im Dialog einführen) nimmt das Geld aus dem Kasten, legt die Geige hinein. Dann geht er auf Vera zu. Sein fragender (anderes Wort finden. Ein fragender Blick bringt kein Eis zum schmelzen. Es muss hier ein anderes Adjektiv rein) Blick lässt das Eis in ihr schmelzen, das bisher ihre Sehnsucht nach einem anderen Leben in Schach gehalten hat. Jetzt ist es wie ein Aufwachen, während Vera ihn stumm anschaut. Als Vera ihn stumm anschaut, ist es wie ein Aufwachen für sie. Es tut weh, die Realität ihres Alltags mit voller Macht zu erkennen. Es Das zieht ihr den Boden unter den Füßen weg, und der Wunsch nach Freiheit, nach Vagabundenleben, nach Selbstbestimmung, die sie in Moshas Gesicht, in seiner wettergegerbten Haut erahnen kann, wird übergroß.
„Nicht fallen!“
Vera fühlt, wie ihre Schultern festgehalten werden. Sie kommt zu sich, schwankt ein wenig und holt tief Luft.
„Verzeihen Sie“, murmelt sie.
„Schlecht, nicht wahr?“, fragt er und lässt sie langsam los. Vera nickt.
„Ja, mir wurde schwindlig, so was! Ich wollte Sie um etwas bitten, Herr -?“
„Mosha Sisic. Sie sagen einfach Mosha.“ Sein Händedruck ist sympathisch fest. (Hier nach würde ich erst seinen Namen im Text nennen, vorher ändern in 'er')
„Mosha ... gut. Mosha, was kosten Sie in der Stunde?“
„Äh ... was meinen Sie, Madame?“
„Sie werden doch einen Preis haben?“, sagt Vera.
„Madame, ich bin nicht zu kaufen.“
Vera wird rot. „ Nein, verzeihen Sie, ich meine das ganz anders ... Gott, ist mir das jetzt unangenehm (Klingt ein bisschen überkandidelt, ich würde eher 'peinlich' schreiben)! Ich wollte fragen, ob Sie heute Nachmittag auf dem Geburtstag meines Mannes musizieren möchten würden (Umgehung WH von 'würden')? Wir geben eine Grillparty in unserem Garten. Ich würde Sie dann wieder hierher zurückbringen. Das meinte ich damit, Mosha!“ Sie ist atemlos.
Mosha lacht fröhlich. „Nun alles klar. Heute ist Geschäft nicht gut hier, nur wenig. Ich komme spielen, ja.“
Im Auto will Vera wissen: „Mosha, woher kommen Sie?“
„In Rumänien bin ich geboren, aber schon lange unterwegs ...“
„Ach, das muss doch ein wundervolles Leben sein! Frei und unabhängig, überall zu Hause, auf der ganzen Welt, nicht wahr?“ Vera fühlt Wärme in sich (anders beschreiben, wie sie diese Sehnsucht nach Freiheit in sich spürt), sie ist nun wieder ganz entspannt und wartet auf eine Bestätigung ihrer Worte.
„Mosha?“, fragt sie und sieht zu ihm hin.
„Ja, Madame. Ich denke, Sie möchten ... weg?“
„Nun ... ja, das möchte ich.“
„Sie glauben, das, was ich zeige mit Geige von mir ist mein Leben. Ist Abenteuer, ja?“ (Hier evtl. die Gesichtszüge von Mosha einfügen, die Skepsis oder sowas)
„Ja, Mosha, es ist schön, wenn Sie Ihrem Instrument diese zauberhaften (anderes Wort für 'zauberhaft' finden)Töne entlocken ...“
Vera lacht auf, dann sagt sie: „Wissen Sie, ich habe neulich einen hinreißenden (anderes Wort für 'hinreißenden' finden) Film gesehen ... also Roma fuhren auf dem Fluss und legten ab und zu an, um ihre Ware zu verkaufen oder eben Musik zu machen ... und der Oberroma sah aus wie Sie ... ein bisschen jünger.“
„Bitte weiter erzählen, ist schön.“ Mosha lächelt.
„Bitte sehr!“ Sie schiebt Mosha mit seinem Geigenkasten in die Diele. „Das ist deine Geburtstagsüberraschung, Rudi!“, sagt Vera.
„Ein Mann? Soll der aus der Torte hüpfen statt einer knackigen Blondine?“
„Ich spiele Musik, mein Herr. Alles Glück ich wünsche zu Geburtstag.“
Rudi zieht eine Augenbraue hoch. „Ach ja? Zigeunermusik?“
„Nein, der Herr. Roma-Musik!“ Mosha packt den Griff des Geigenkoffers fester. Seine Fingerknöchel werden weiß.
„Na, dann komm, Zigeuner, gießen wir uns einen hinter die Binde.“ Rudi deutet mit einer Kopfbewegung an, dass Mosha ihm folgen soll. Im Garten ist alles schon hergerichtet für das Fest. Lampions an Schnüren zwischen den Bäumen schwingen in der Sommerbrise hin und her. (Diese Deko ist Klischee, vielleicht fällt dir was Besseres ein?) Tische sind mit bunten Tüchern gedeckt, der Grill ist vorbereitet zum Anzünden.
Die Männer setzen sich und Rudi schenkt Bier in ein Glas ein. Er sagt: „Du trinken lieber aus Flasche?“
„Ich trinke gerne aus Glas, wenn möglich.“
Rudi murmelt: „Pack, aber vornehm tun ...“, geht zum Tisch, auf dem die Gläser aufgereiht sind und bringt eines.
„Danke, der Herr“, sagt Mosha.
Es ist Abend und die ersten Gäste treffen ein. Mosha stimmt seine Geige.
Vera entdeckt ihn zwischen den Kastanienbäumen.
„Also dDa sind Sie! Haben Sie etwas gegen unsere Gäste?“
„Nein, Madame. Aber ist anderes Gefühl, wenn ich draußen bin und die Menschen kommen, mich hören. Hier ich muss kommen – Sie verstehen?“
„Es sind ganz nette Leute, keine Sorge, spielen Sie einfach, ja?“
Vera hakt Mosha unter, schmiegt sich an ihn und fühlt sich bei diesem schönen, geheimnisvollen Mann geborgen wie nie zuvor. (anders formulieren, zu abgelutscht) Rudi ist zu beschäftigt mit den Gästen, um zu bemerken, wie nahe seine Frau dem Roma ist.
Während Mosha seinen Platz zwischen den Tischen einnimmt, klingt ein Satz in Vera auf: Ich gehe in die Welt hinaus und werde etwas anderes, als ich bin!
Ein längst vergessen geglaubter Ausspruch aus einer Zeit, als sie ein kleines Mädchen war. Immer, wenn es Streit gab zu Hause, hatte sie diesen Satz ihren Eltern entgegengeschrieen.
„Ich gehe in die Welt hinaus und werde etwas anderes, als ich bin ...“, sagt sie nun leise und bekommt feuchte Augen.
Mosha beginnt zu spielen. Sein Repertoire ist groß. Es reicht vom Volkslied über den Csardas bis zum Hummelflug. Sein Spiel begeistert auch diese Zuschauer. Der Applaus ist groß.
„Mehr, gib uns mehr!“, ertönen einzelne Rufe. Mosha springt auf einen Tisch, lacht, tanzt, fiedelt wie besessen.
Sein Hemd ist schweißnass. von Schweiß.
„Teufelsgeiger!“, jubelt einer der Gäste. Längst sind alle aufgestanden. Es wird gestampft und geklatscht. Die Frauen wirbeln in den Armen ihrer Partner über das Gras.
Moshas temperamentvoller Strich lässt die Saiten des Geigenbogens reißen. Die weißen Fäden streichen über seine dunkle Hand.
Schließlich springt Mosha vom Tisch, er braucht eine Pause. (Logikfrage: Wenn die Saiten gerissen sind, kann er doch eh nicht mehr weiterspielen?) Vera, die wieder in ihre Träumereien von Freiheit und Flucht mit diesem herrlichen Künstler versunken ist, braucht eine Weile, bis sie bemerkt, dass die Musik geendet hat.
„Kommen Sie, Mosha, ruhen Sie sich aus. Wir gehen ins Haus ...", sagt sie. die Küche ...“, sagt sie und führt ihn ins Haus.
Sie sitzen am Küchentisch, Mosha trinkt Wasser. Er ist erschöpft. Sie hätte ihm gerne den Nacken massiert, sieht ihm zu, wie er es selber tut(Leerzeichen zuviel) .
Rudi wankt singend herein: „Komm Zigan, komm Zigan, spiel mir ein Lied ...“
Mosha steht auf und schüttelt den Kopf.
„Ach du mieser, kleiner Zigeuner, kannst ja gehen, wenn du fertig bist!“ Rudi lallt.
„Ja. Das werde ich tun jetzt. Danke“, antwortet Mosha und packt seine Geige ein.
„Komm Zigan, komm ...“, singt Rudi und geht auf unsicheren Beinen in den Garten hinaus.
Vera fährt Mosha wie versprochen zurück. Schweigend nähern sie sich der Innenstadt. Vera hält dort, wo Mosha vor einigen Stunden in den Wagen gestiegen ist. Sie bleiben sitzen.
Nach einer Weile sagt Vera: „Ich will nicht mehr heim ... ich möchte so nicht mehr leben ...“
„Es ist Ihre Zuhause, Madame“, sagt der Roma.
„Ich könnte dich lieben, Mosha ...“
„Nein. Sie lieben Traum von freier, wilder Mann mit Geige, nicht Mosha Sisic. Sie lieben Filmfigur, Madame, Maske ...“
„Bitte ... nimm mich mit ... zeig mir, wie du unter dem Sternenhimmel schläfst, dich morgens im Fluss wäschst ... lass mich bei dir sein ...“
Mosha holt seine Brieftasche heraus.
„Madame!“ Er knipst das Innenlicht über der Frontscheibe an und hält ihr ein Foto hin. Vera nimmt es entgegen.
„Das ist meine Frau. Das sind meine Kinder. Ich habe fünf, Sie sehen, Madame?“
„Nein“, klagt sie.
„Ja“, sagt Mosha. Er steckt das Familienfoto wieder ein. Dann streichelt er Veras Hand. Er sagt freundlich: „Madame, ich wünsche Glück für Sie.“
Er nickt ihr noch einmal aufmunternd zu, nimmt seinen Geigenkasten und geht.
Das Haus ist still, als Vera heimkehrt. Leise betritt sie das Schlafzimmer, rafft Polster und Decke zusammen, geht die Treppe hinunter und macht ihr Bett auf dem Wohnzimmersofa. Schlaflos liegt sie im Dunkeln und sieht durch die großen Scheiben hinaus in den Sternenhimmel.
„Ich glaube, es war doch Camus ...“, sagt Vera. „Der Mensch ist nichts anderes, als wozu er sich macht. Das ist von Sartre ... und morgen wird alles anders, weil ich es so will!“, flüstert sie in die Nacht.
ich bin mit Anmerkungen, Ideen fett im Text. Wenn ich etwas durchgestrichen habe, dann tat ich dies, da es mir zu "dick aufgetragen" wirkt, nimm das, was du für dich als stimmig erachtest, ok? Es ist ein großartige Story, die den Leser wirklich mitzieht, traurig und nachdenklich stimmt, aufrüttelt.
Saludos
Mucki
Wo ich nicht bin, ist das Glück ... war das Camus oder Sartre ..., überlegt Vera, während sie der Melodie eines Straßenmusikanten lauscht. lauscht, die ein Straßenmusikant auf seiner Geige spielt. (Dass es ein Geiger ist, kommt ja im nächsten Satz und du vermeindest WH von "Geiger und "spielen)
Süß und wWehmütig erklingt die Weise, zaubert ein Lächeln auf die Gesichter der Menschen, die im Kreis um den Geigenspieler stehen. Vera beobachtet den Roma genau. Es ist mehr als nur seine Musik, die sie beeindruckt. Sein Körper ist eins mit dem Spiel, der Geigenbogen die Verlängerung seines Armes. Er hält die Augen geschlossen. In diesem Moment gibt es nichts als das Lied. (Evtl. besser: ... gibt es nur das Lied)
Auf dem Asphalt liegt der Geigenkasten, einige Münzen schimmern darin. Im Deckel klebt ein Stück Pappe, auf dem in verschiedenen Sprachen ‚Danke’ steht. Es ist Samstagvormittag. Shoppingtime in der Kaufingerstraße. Erst als der letzte Ton verklungen ist, öffnet er der Geiger die Augen, . Er setzt das Instrument ab und verbeugt sich. Applaus. Die Zuhörer sind so begeistert, dass sogar Geldscheine in den GeigenkKasten fliegen.
Mit Schwung wirft er sein glänzendes Haar nach hinten. Dann legt er die Geige wieder an. Nach den melancholischen schmelzenden Tönen stimmt er nun eine rasante Melodie an. Er beginnt zu tanzen, lacht, seine Augen sprühen ein ganzes Feuerwerk von Lebenslust ins Publikum. Der Funke springt über, die Zuhörer klatschen fröhlich mit., lächeln einander fröhlich zu.
Aufmunternd nickt der Roma. „Tanzen, hoppa!“, ruft er. Vera probiert ein paar Schritte, beobachtet seine Füße und nimmt die Bewegung auf. Es ist mehr ein Stampfen als ein Tanzen und Vera spürt das Beben bis in den Kopf hinauf. Sie bemerkt, wie gut ihr das tut. Es wärmt sie von innen her. ('von innen her' holpert m.E. ein bisschen. Vielleicht kannst du die beiden Sätze kombinieren)
Bei ihr zu Hause wurde gestern auch getanzt. Ein Pas de Deux der anderen besonderen Art.
Als Vera schlafen gehen wollte, war Rudi plötzlich danach, zu tanzen. (WH von 'tanzen', hier anderes Wort suchen)
Er hatte zu viel getrunken. und Vera stieß ihn weg, doch er packte sie um die Hüften und presste sie an seinen Leib, rieb sein Geschlecht an ihr.
„Los, mach’s mir, wie früher!“
Vera spürte Brechreiz. Es , das lag nicht am Alkoholdunst, den Rudi ausströmte. Er drängte sie zum Bett, öffnete seine Hose und zwängte sich zwischen ihre Schenkel. Dann schlief er ein. Vera zog ihren Körper unter dem seinen hervor und legte sich an den Rand des Bettes.
Es ist der Alkohol. Vera wiederholt diesen Satz wie ein Gebet. So kann sie die Demütigung besser ertragen.
Der Geiger sieht ihr beim Tanzen zu. Sie hat das Gefühl, dass er nur für sie spielt. Vera wird verlegen und geht. Sie muss Geschenke für Rudis Geburtstag besorgen.
Auf dem Rückweg spielt er immer noch. Vera kann ihn nicht sehen, so dicht stehen die Menschen beieinander. Aber seine Melodie schneidet in ihr Herz. Rasch geht sie weiter.
Als sie im Auto sitzt, Komma spürt sie ein Kribbeln im Bauch, das sie schon lange nicht mehr gefühlt gespürt hat. Sie atmet tief durch. Genauso ist es ihr damals ergangen, als sie dem Literaturprofessor sagte, dass sie ihr Studium abbrechen würde, weil sie ein Kind von Rudi erwartete.
Der Professor war daraufhin sehr zornig geworden und brüllte sie an: Leerzeichen„Brechen Sie lieber die Schwangerschaft ab statt das Studium! So eine hochbegabte Person, Sie machen sich die Karriere kaputt!“
Vera unterdrückte die aufkeimende Unsicherheit, ob ihre Entscheidung die richtige sei. Das Einzige, was für sie zählte, war die Vorstellung einer herrlichen Zukunft mit Rudi.
Sie schwärmte für ihn, den zehn Jahre älteren, und damit reiferen. Sseine charismatische Ausstrahlung, die Zärtlichkeiten, und wie er lebenserfahrene Weisheiten von sich gab, ließen sie keine Sekunde daran zweifeln, dass er ihr Schicksal war, ihre große Liebe.
„Mama?“
Vera hört die vorwurfsvolle Stimme ihrer Tochter, als sie die Haustür aufschließt.
Sie fällt beinahe über deren Schultasche.
„Susi! Kannst du nicht einmal dein Zeug an seinen Platz tun?“
„Wo warst du?", fragt das Mädchen. „Ich habe Hunger!“
„Mach dir ein Brot, Himmel, du bist fünfzehn, soll ich dich auch noch füttern?“
Susi schneidet Grimassen.
„Ich muss Vaters Geschenke verstecken.“
„Geschenke? Warum?“
„Hast du schon wieder den Geburtstag von deinem Vater vergessen!“, antwortet Vera und läuft mit den Paketen die Treppe nach oben.
Susi verdreht die Augen. „Pfhhhhh“, schnaubt sie. „Er hat vorhin angerufen, es wird spät heute.“
Vera träumt. Der Roma umarmt sie zärtlich. A, als er sie küssen will, plumpst Rudi ins Bett und Vera schreckt auf. Rudi schnarcht mit offenem Mund.
Um sechs geht Vera joggen.
Das Lächeln des Geigers verfolgt sie. Später unter der Dusche erschauert sie beim Einseifen ihrer Brüste.
Gegen Mittag schlurft Rudi verkatert in die Küche. Vera ist beim Marinieren der Lammkoteletts und Hühnerteile für das Gartenfest.
„Na? Hoffentlich hast du diesmal besseres Fleisch erwischt, Vera“, begrüßt er sie gähnend.
„Happy Birthday, Rudi!“ Sie erschrickt über den zwitschernden, verlogenen Klang ihrer Stimme und hüstelt.
Er grinst und kneift sie in den Po. „Kaffee, Süße“, zischt er ihr ins Ohr. Vera drückt sich an ihm vorbei und richtet die Kaffeemaschine her.
„Hattest du gestern einen netten Abend, Rudi?“ Sie versucht freundlich zu sein, es ist sein Geburtstag.
„Was ist? Wird das ein Verhör?“
„Nein, entschuldige.“
„Papi! Alles Gute zum Geburtstag!“ Susi stürmt ihrem Vater entgegen. Sie macht es sich auf seinem Schoß bequem, lehnt ihren Kopf an seine Brust.
„Susi, lass Papa in Ruhe seinen Kaffee trinken“, sagt Vera.
„Hör auf, mäkle nicht dauernd rum an meiner kleinen Maus.“
„Ja, Papi!“ (Dieses 'Ja, Papi' ergibt für mich keinen Sinn) Susi drückt ihm einen Kuss auf die Wange.
Vera klatscht die Fleischstücke in die Marinade und verlässt die Küche.
Schon ist Rudi hinter ihr, fragt: „Was soll das? Missgönnst du mir das auch noch? Du bist wirklich das Letzte!“
Vera zieht die Luft mit einem schluchzenden (anderes Wort für 'schluchzend' finden, ist zu pathetisch)Laut ein.
„Was ist nur passiert mit uns, Rudi ...“, fragt sie und schaut sieht ihm in die Augen dabei. (Vermeidung WH von 'sieht')
„Ich weiß es auch nicht ...“
Einen Moment lang sieht es aus, als versuchte er zu lächeln. Das Herz tut Vera weh, (zu pathetisch)bei der Erinnerung an ihre Visionen von Glück und gemeinsamen Zielen, die sie irgendwann zusammen erreichen wollten. Die langen, von Nähe erfüllten Nächte., die von Nähe erfüllt waren. Eine Welle der Zuneigung steigt in ihr hoch und sie macht einen kleinen Schritt auf Rudi zu, die Welle in ihr will überschwappen, ihn spüren lassen: Versuchen wir es noch einmal, anders ... (Zweimal 'Welle', anderes Wort finden)
Doch augenblicklich zieht er in einer hilflosen Geste die Schultern hoch, lässt sie wieder fallen, senkt den Blick und wendet sich ab.
Vera nimmt die Autoschlüssel von der Ablage. „Bis dann“, sagt sie und verlässt das Haus. Sie wollte nur ein bisschen herumfahren, ihre Gedanken ordnen, aber dann ist sie wieder auf der Straße zur Innenstadt. Sie parkt unweit der Kaufingerstraße.
Er spielt an demselben Platz wie am Vortag. Und sie steht wieder vor ihm und beobachtet ihn. Er erkennt sie und lächelt. Vera winkt ihm, deutet ihm an, dass sie mit ihm sprechen will. Er spielt das Lied zu Ende, bedankt sich, sagt: „Mittagspause“.
Die Zuhörer zerstreuen sich und Mosha (hier taucht plötzlich sein Name auf, würde ich erst im Dialog einführen) nimmt das Geld aus dem Kasten, legt die Geige hinein. Dann geht er auf Vera zu. Sein fragender (anderes Wort finden. Ein fragender Blick bringt kein Eis zum schmelzen. Es muss hier ein anderes Adjektiv rein) Blick lässt das Eis in ihr schmelzen, das bisher ihre Sehnsucht nach einem anderen Leben in Schach gehalten hat. Jetzt ist es wie ein Aufwachen, während Vera ihn stumm anschaut. Als Vera ihn stumm anschaut, ist es wie ein Aufwachen für sie. Es tut weh, die Realität ihres Alltags mit voller Macht zu erkennen. Es Das zieht ihr den Boden unter den Füßen weg, und der Wunsch nach Freiheit, nach Vagabundenleben, nach Selbstbestimmung, die sie in Moshas Gesicht, in seiner wettergegerbten Haut erahnen kann, wird übergroß.
„Nicht fallen!“
Vera fühlt, wie ihre Schultern festgehalten werden. Sie kommt zu sich, schwankt ein wenig und holt tief Luft.
„Verzeihen Sie“, murmelt sie.
„Schlecht, nicht wahr?“, fragt er und lässt sie langsam los. Vera nickt.
„Ja, mir wurde schwindlig, so was! Ich wollte Sie um etwas bitten, Herr -?“
„Mosha Sisic. Sie sagen einfach Mosha.“ Sein Händedruck ist sympathisch fest. (Hier nach würde ich erst seinen Namen im Text nennen, vorher ändern in 'er')
„Mosha ... gut. Mosha, was kosten Sie in der Stunde?“
„Äh ... was meinen Sie, Madame?“
„Sie werden doch einen Preis haben?“, sagt Vera.
„Madame, ich bin nicht zu kaufen.“
Vera wird rot. „ Nein, verzeihen Sie, ich meine das ganz anders ... Gott, ist mir das jetzt unangenehm (Klingt ein bisschen überkandidelt, ich würde eher 'peinlich' schreiben)! Ich wollte fragen, ob Sie heute Nachmittag auf dem Geburtstag meines Mannes musizieren möchten würden (Umgehung WH von 'würden')? Wir geben eine Grillparty in unserem Garten. Ich würde Sie dann wieder hierher zurückbringen. Das meinte ich damit, Mosha!“ Sie ist atemlos.
Mosha lacht fröhlich. „Nun alles klar. Heute ist Geschäft nicht gut hier, nur wenig. Ich komme spielen, ja.“
Im Auto will Vera wissen: „Mosha, woher kommen Sie?“
„In Rumänien bin ich geboren, aber schon lange unterwegs ...“
„Ach, das muss doch ein wundervolles Leben sein! Frei und unabhängig, überall zu Hause, auf der ganzen Welt, nicht wahr?“ Vera fühlt Wärme in sich (anders beschreiben, wie sie diese Sehnsucht nach Freiheit in sich spürt), sie ist nun wieder ganz entspannt und wartet auf eine Bestätigung ihrer Worte.
„Mosha?“, fragt sie und sieht zu ihm hin.
„Ja, Madame. Ich denke, Sie möchten ... weg?“
„Nun ... ja, das möchte ich.“
„Sie glauben, das, was ich zeige mit Geige von mir ist mein Leben. Ist Abenteuer, ja?“ (Hier evtl. die Gesichtszüge von Mosha einfügen, die Skepsis oder sowas)
„Ja, Mosha, es ist schön, wenn Sie Ihrem Instrument diese zauberhaften (anderes Wort für 'zauberhaft' finden)Töne entlocken ...“
Vera lacht auf, dann sagt sie: „Wissen Sie, ich habe neulich einen hinreißenden (anderes Wort für 'hinreißenden' finden) Film gesehen ... also Roma fuhren auf dem Fluss und legten ab und zu an, um ihre Ware zu verkaufen oder eben Musik zu machen ... und der Oberroma sah aus wie Sie ... ein bisschen jünger.“
„Bitte weiter erzählen, ist schön.“ Mosha lächelt.
„Bitte sehr!“ Sie schiebt Mosha mit seinem Geigenkasten in die Diele. „Das ist deine Geburtstagsüberraschung, Rudi!“, sagt Vera.
„Ein Mann? Soll der aus der Torte hüpfen statt einer knackigen Blondine?“
„Ich spiele Musik, mein Herr. Alles Glück ich wünsche zu Geburtstag.“
Rudi zieht eine Augenbraue hoch. „Ach ja? Zigeunermusik?“
„Nein, der Herr. Roma-Musik!“ Mosha packt den Griff des Geigenkoffers fester. Seine Fingerknöchel werden weiß.
„Na, dann komm, Zigeuner, gießen wir uns einen hinter die Binde.“ Rudi deutet mit einer Kopfbewegung an, dass Mosha ihm folgen soll. Im Garten ist alles schon hergerichtet für das Fest. Lampions an Schnüren zwischen den Bäumen schwingen in der Sommerbrise hin und her. (Diese Deko ist Klischee, vielleicht fällt dir was Besseres ein?) Tische sind mit bunten Tüchern gedeckt, der Grill ist vorbereitet zum Anzünden.
Die Männer setzen sich und Rudi schenkt Bier in ein Glas ein. Er sagt: „Du trinken lieber aus Flasche?“
„Ich trinke gerne aus Glas, wenn möglich.“
Rudi murmelt: „Pack, aber vornehm tun ...“, geht zum Tisch, auf dem die Gläser aufgereiht sind und bringt eines.
„Danke, der Herr“, sagt Mosha.
Es ist Abend und die ersten Gäste treffen ein. Mosha stimmt seine Geige.
Vera entdeckt ihn zwischen den Kastanienbäumen.
„Also dDa sind Sie! Haben Sie etwas gegen unsere Gäste?“
„Nein, Madame. Aber ist anderes Gefühl, wenn ich draußen bin und die Menschen kommen, mich hören. Hier ich muss kommen – Sie verstehen?“
„Es sind ganz nette Leute, keine Sorge, spielen Sie einfach, ja?“
Vera hakt Mosha unter, schmiegt sich an ihn und fühlt sich bei diesem schönen, geheimnisvollen Mann geborgen wie nie zuvor. (anders formulieren, zu abgelutscht) Rudi ist zu beschäftigt mit den Gästen, um zu bemerken, wie nahe seine Frau dem Roma ist.
Während Mosha seinen Platz zwischen den Tischen einnimmt, klingt ein Satz in Vera auf: Ich gehe in die Welt hinaus und werde etwas anderes, als ich bin!
Ein längst vergessen geglaubter Ausspruch aus einer Zeit, als sie ein kleines Mädchen war. Immer, wenn es Streit gab zu Hause, hatte sie diesen Satz ihren Eltern entgegengeschrieen.
„Ich gehe in die Welt hinaus und werde etwas anderes, als ich bin ...“, sagt sie nun leise und bekommt feuchte Augen.
Mosha beginnt zu spielen. Sein Repertoire ist groß. Es reicht vom Volkslied über den Csardas bis zum Hummelflug. Sein Spiel begeistert auch diese Zuschauer. Der Applaus ist groß.
„Mehr, gib uns mehr!“, ertönen einzelne Rufe. Mosha springt auf einen Tisch, lacht, tanzt, fiedelt wie besessen.
Sein Hemd ist schweißnass. von Schweiß.
„Teufelsgeiger!“, jubelt einer der Gäste. Längst sind alle aufgestanden. Es wird gestampft und geklatscht. Die Frauen wirbeln in den Armen ihrer Partner über das Gras.
Moshas temperamentvoller Strich lässt die Saiten des Geigenbogens reißen. Die weißen Fäden streichen über seine dunkle Hand.
Schließlich springt Mosha vom Tisch, er braucht eine Pause. (Logikfrage: Wenn die Saiten gerissen sind, kann er doch eh nicht mehr weiterspielen?) Vera, die wieder in ihre Träumereien von Freiheit und Flucht mit diesem herrlichen Künstler versunken ist, braucht eine Weile, bis sie bemerkt, dass die Musik geendet hat.
„Kommen Sie, Mosha, ruhen Sie sich aus. Wir gehen ins Haus ...", sagt sie. die Küche ...“, sagt sie und führt ihn ins Haus.
Sie sitzen am Küchentisch, Mosha trinkt Wasser. Er ist erschöpft. Sie hätte ihm gerne den Nacken massiert, sieht ihm zu, wie er es selber tut(Leerzeichen zuviel) .
Rudi wankt singend herein: „Komm Zigan, komm Zigan, spiel mir ein Lied ...“
Mosha steht auf und schüttelt den Kopf.
„Ach du mieser, kleiner Zigeuner, kannst ja gehen, wenn du fertig bist!“ Rudi lallt.
„Ja. Das werde ich tun jetzt. Danke“, antwortet Mosha und packt seine Geige ein.
„Komm Zigan, komm ...“, singt Rudi und geht auf unsicheren Beinen in den Garten hinaus.
Vera fährt Mosha wie versprochen zurück. Schweigend nähern sie sich der Innenstadt. Vera hält dort, wo Mosha vor einigen Stunden in den Wagen gestiegen ist. Sie bleiben sitzen.
Nach einer Weile sagt Vera: „Ich will nicht mehr heim ... ich möchte so nicht mehr leben ...“
„Es ist Ihre Zuhause, Madame“, sagt der Roma.
„Ich könnte dich lieben, Mosha ...“
„Nein. Sie lieben Traum von freier, wilder Mann mit Geige, nicht Mosha Sisic. Sie lieben Filmfigur, Madame, Maske ...“
„Bitte ... nimm mich mit ... zeig mir, wie du unter dem Sternenhimmel schläfst, dich morgens im Fluss wäschst ... lass mich bei dir sein ...“
Mosha holt seine Brieftasche heraus.
„Madame!“ Er knipst das Innenlicht über der Frontscheibe an und hält ihr ein Foto hin. Vera nimmt es entgegen.
„Das ist meine Frau. Das sind meine Kinder. Ich habe fünf, Sie sehen, Madame?“
„Nein“, klagt sie.
„Ja“, sagt Mosha. Er steckt das Familienfoto wieder ein. Dann streichelt er Veras Hand. Er sagt freundlich: „Madame, ich wünsche Glück für Sie.“
Er nickt ihr noch einmal aufmunternd zu, nimmt seinen Geigenkasten und geht.
Das Haus ist still, als Vera heimkehrt. Leise betritt sie das Schlafzimmer, rafft Polster und Decke zusammen, geht die Treppe hinunter und macht ihr Bett auf dem Wohnzimmersofa. Schlaflos liegt sie im Dunkeln und sieht durch die großen Scheiben hinaus in den Sternenhimmel.
„Ich glaube, es war doch Camus ...“, sagt Vera. „Der Mensch ist nichts anderes, als wozu er sich macht. Das ist von Sartre ... und morgen wird alles anders, weil ich es so will!“, flüstert sie in die Nacht.
Hallo Elsa und Mucki,
ein Wort zum Reißen der Saiten, das ist mir nämlich auch aufgefallen. Elsa schreibt, dass die Saiten des Geigenbogens reißen. Das hindert das Spielen nicht; wer öfter Geigern zusieht, hat das sicher schon beobachtet: Bei sehr bewegtem Spiel franseln die hellen Fäden des Bogens irgendwann umher. Das hindert das Weiterspielen nicht. Ich nehme an, das hast Du gemeint, Elsa, da Du ausdrücklich von den Saiten des Bogens sprichst.
Dann ist aber der Ausdruck Saiten vielleicht etwas missverständlich. Die Saiten der Geige sind ja was anderes. Ich kenne jetzt den richtigen Fachausdruck nicht; vielleicht sollte man lieber von Haaren reden (ich glaube, man nennt das Bogenhaar, vielleicht ist ja jemand hier, der sich besser auskennt).
Musikalischen Gruß
Zefira
ein Wort zum Reißen der Saiten, das ist mir nämlich auch aufgefallen. Elsa schreibt, dass die Saiten des Geigenbogens reißen. Das hindert das Spielen nicht; wer öfter Geigern zusieht, hat das sicher schon beobachtet: Bei sehr bewegtem Spiel franseln die hellen Fäden des Bogens irgendwann umher. Das hindert das Weiterspielen nicht. Ich nehme an, das hast Du gemeint, Elsa, da Du ausdrücklich von den Saiten des Bogens sprichst.
Dann ist aber der Ausdruck Saiten vielleicht etwas missverständlich. Die Saiten der Geige sind ja was anderes. Ich kenne jetzt den richtigen Fachausdruck nicht; vielleicht sollte man lieber von Haaren reden (ich glaube, man nennt das Bogenhaar, vielleicht ist ja jemand hier, der sich besser auskennt).
Musikalischen Gruß
Zefira
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
(Ikkyu Sojun)
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
(Ikkyu Sojun)
Liebe Elsie,
das finde ich jetzt sehr rund, prima!
Habe nur noch drei Kleinigkeiten gefunden:
weht und wehmütig ... vielleicht einfach: hört sie eine wehmütige Melodie oder: erreicht sie eine wehmütige Melodie
du sprechen wie Roma? *lach* (lassen das Eis in ihr schmelzen ...)
bisschen verquer. "das zu bestätigen" würde ich weglassen und "schnürt ihr die Kehle zu" ist zu viel. Vielleicht: Sein Zögern beunruhigt sie ein wenig, aber, ...
Saludos
Mucki
das finde ich jetzt sehr rund, prima!
Habe nur noch drei Kleinigkeiten gefunden:
Als sie die Fußgängerzone erreicht hat, weht eine wehmütige Melodie heran.
weht und wehmütig ... vielleicht einfach: hört sie eine wehmütige Melodie oder: erreicht sie eine wehmütige Melodie
Seine dunklen Augen lassen schmelzen das Eis in ihr,
du sprechen wie Roma? *lach* (lassen das Eis in ihr schmelzen ...)
Sein Zögern, das zu bestätigen, schnürt ihr die Kehle zu, aber sie lacht auf, sagt:
bisschen verquer. "das zu bestätigen" würde ich weglassen und "schnürt ihr die Kehle zu" ist zu viel. Vielleicht: Sein Zögern beunruhigt sie ein wenig, aber, ...
Saludos
Mucki
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