Herby hat geschrieben:Nur habe ich Zweifel, dass dieser Hinweis alleine trägt. Das zweite Traumsignal, welches ja dann das Ende kennzeichnet, ist der Schlusssatz mit dem klingelnden Telefon. Diesen halte ich allerdings von der Signalstärke bzw. Ausdruckskraft für deutlich schwächer als den Einstieg mit "wieder" (...) Für einen so kurzen Text müsste dann der Schlusssatz meines Erachtens nach wesentlich klarer auf das Traumende hinweisen.
Was meinst du?
lieber herby,
soweit ich das beobachten/beurteilen kann, sind (x) "redundanz" und (y) "auschluss anderwertiger beziehbarkeit" für mich wesentliche elemente, um einen klaren eindruck über 'leise andeutungen' zu gewinnen.
ich lese zunächst genau wie du und stimme überein:
- die erste andeutung ist die stärkere - zwar könnte "wieder" zunächst auch andere bedeutung haben, aber der fortgang des textes stützt dies nicht weiter (y)
die erste redundanz taucht gleich kurz darauf auf: "eine art zukunft" - so beschriebe man im wachzustand erlebtes wohl kaum. - das ist eher unscheinbar und wäre für sich genommen noch nicht überzeugend, aber wenn der erste hinweis stark genug ist und ich als leser daher schon 'probeweise' auf 'traum' ausgerichtet bin, wirkt es bestätigend, den leseansatz ankernd.
am ende reicht "das telefon klingelt" dann für mich völlig aus, um diesen 'geschehnisrahmen' abschließend zu bestätigen -
hier ist es (m.e. am deutlichsten) weniger die aussage als solche, sondern (y): worauf könnte man sie sonst beziehen? - und die tatsache, dass sie zugleich das ende bildet ohne sich weiter zu 'erklären' > auf diese weise mit dem gängigen motiv "traumerwachen" und der damit verbundenen diskontinuität, dem 'ende der bisherigen realität' zu spielen scheint.
es sind also mehrere 'puzzleteile' - insgesamt vier bezüge/ aspekte, die sich gegenseitig stützen (x) und anders kaum verbindbar sind (y)
wesentlich dafür, dass solche andeutungen ausreichend wirken können, scheint mir ihre 'ungestörtheit' (siehe y) zu sein - in diesem punkt weisen texte aus meiner sicht sehr oft unbemerkte fehler auf, indem sie unbeabsichtigt auf anderer ebene als 'gegenbehauptung' verstehbares andeuten (als ahnungsmöglichkeit anbieten), was sowohl (x) als auch (y) nicht nur nicht stützt, sondern quasi 'unterminiert', auch wenn dann insgesamt auch kein anderer durchgängiger sinn konstruierbar ist - das sind dann m.e. schwächelnde oder weniger überzeugende texte. (natürlich gibt es viele texte, die auf so 'feines spiel' von andeutung gar nicht abzielen, sondern von vorneherein expliziter erzählen und darin auch völlig stimmig sind. andererseits gibt es m.e. auch (zu) viele texte, die den 'holzhammer' rausholen, also so über-explizit und damit 'grob' wirken, dass ich mich als leser 'für dumm gehalten' fühle bzw. mich beim lesen langweile, d.h. den eindruck habe, der autor hätte die worte (und damit die aufmerksamkeit) besser für anderes / interessanteres verwandt als nochmals 'klar zu machen', was 'eh schon klar' war.)
wenn ein 'gewebe von hinweisen' sich in seinen elementen gegenseitig bestätigt (x) und dabei nicht gestört oder konterkariert wird (y), kann es sehr reduziert auftreten, und hat dennoch eine überzeugende, 'reine' wirkung.
ich mag so etwas, weil es 'die lesenden sinne schärft' - ein bisschen, als würde man die augen zusammenkneifen, bis man fast nichts mehr sieht, aber feine periphäre bewegungen wahrnimmt, und sich dann 'fast blind' am besten zurechtfindet (eine technik, über die ich lernte, mit dem motorroller im scheinbar regel- und abstandslosen verkehrsgewühl indischer städte mit leichtigkeit 'im schwarm mitzuschwimmen'; passt hier natürlich nicht her, erklärt aber vielleicht, dass ich auch gerne 'auf diese art' lese.-)
bitte entschuldige die breite und komplizierte ausführung meiner antwort. ich weiß natürlich nicht, ob die stimmigkeiten und deren bedingungen, die ich da postuliere, rein 'selbstgespiegelt' und vielleicht zu übertrieben dargestellt sind, oder ob andere das ähnlich empfinden - mir scheint es halt so als ob (i) anfänglicher hinweis als auslöser einer ahnung, (ii) leichtes 'ankern' der ahnung relativ bald darauf, und (iii) abschließendes bestätigen (muss nicht mit dem textende zusammenfallen wie hier) ein funktionierendes, öfter anzutreffendes grundschema der realitätskonstruktion darstellt.
liebe grüße!